Fleischsteuer: Lösung für Tier- und Klimaschutz?
Seit vielen Jahren gilt für Fleisch und Fleischprodukte ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz. Doch im Hinblick auf Tierwohl und Klimaschutz stellen Tier- und Umweltschutzverbände diese Vergünstigung für Fleisch in Frage.
Unbestritten ist die Produktion von Fleisch und Fleischerzeugnissen maßgeblich am Anstieg des Treibhauseffekts beteiligt und somit für den Klimawandel mitverantwortlich. Das betrifft besonders die konventionelle Herstellung, die zudem wegen ihrer intensiven Haltungsbedingungen in der Kritik steht. Trotz dieser Umstände gilt für Fleisch und Fleischerzeugnisse in Deutschland eine ermäßigte Mehrwertsteuer von sieben Prozent. Andere Lebensmittel hingegen, wie pflanzliche Milchalternativen oder Säfte, werden mit 19 Prozent besteuert. Die unsystematisch daherkommende Ermäßigung trat 1968 mit einer eigentlich löblichen Absicht in Kraft: Der niedrige Steuersatz bestimmter Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Gemüse, Brot und Fleisch sollte die Ausgaben für den lebensnotwendigen Bedarf in zumutbarem Rahmen halten und einkommensschwache Haushalte entlasten.
Mehr als ein Sommerlochthema
Im zurückliegenden Sommer sorgte Thomas Schröder, Verbandspräsident des Deutschen Tierschutzbundes, für eine lebhafte Diskussion über ein Ende der ermäßigten Steuer für Fleisch. In einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung forderte er: „Parallel zur CO2-Steuer brauchen wir auch eine Fleischsteuer.“ Mit den Einnahmen einer Steuererhöhung von sieben auf 19 Prozent könne der Umbau von Ställen finanziert und das Tierwohl verbessert werden. Pro Kilogramm Fleisch seien es nur wenige Cent, die Verbraucher mehr zahlen müssten, argumentierte Schröder. Gegen diese Einschätzung sprechen allerdings Prognosen von Wirtschaftswissenschaftlern. Modellrechnungen zufolge würde durch die sogenannte Preiselastizität der Nachfrage der Fleischkonsum um knapp fünf Prozent sinken. Das entspräche etwa drei Kilogramm Fleisch pro Kopf oder drei Millionen Schweinen im Jahr. Immerhin würde sich das positiv auf das Klima auswirken.
Steuern dürfen nicht zweckgebunden sein
Was als Sommerlochthema begann, hat sich zu einer politischen Kontroverse entwickelt. Seit einigen Jahren bereits sprechen sich Tierschützer für die Abschaffung der reduzierten Mehrwertsteuer von Fleisch aus. Doch erst jetzt in Zeiten von Klimadebatte und Fridays for Future findet der Vorschlag auch im Bundestag Gehör. „Ich bin dafür, die ermäßigte Mehrwertsteuer für Fleisch aufzuheben und zweckgebunden für mehr Tierwohl einzusetzen“, sagte Friedrich Ostendorff, der agrarpolitische Sprecher der Grünenfraktion. Rainer Spiering von der SPD-Fraktion zeigte sich ebenfalls offen für eine Steuererhöhung. Er gibt jedoch zu bedenken, dass damit nicht nur die Verbraucher belastet werden sollten, sondern auch Produzenten und der Einzelhandel ihren Beitrag für eine nachhaltige Nutztierhaltung leisten müssten. Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend. Das Umweltministerium erklärte, es gebe effektivere Mittel als das Mehrwertsteuerrecht, um das zentrale Problem hoher Tierbestände anzugehen. Zudem weist das Finanzministerium darauf hin, dass Steuereinnahmen generell nicht zweckgebunden eingesetzt werden können.
Verbraucherschützer sehen die Sache ebenfalls kritisch. Die Konsumenten müssten draufzahlen und würden noch stärker zu billigen Fleischprodukten greifen. Dem Tierwohl sei so nicht gedient, gibt Klaus Müller zu bedenken, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Es brauche eine gesetzlich verbindliche, nationale Nutztierstrategie und hohe gesetzliche Mindeststandards für die Haltung der Tiere. Das für 2020 von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner geplante Tierwohllabel auf freiwilliger Basis sei dafür nicht ausreichend. Foodwatch sieht das ähnlich und verlangt Standards für die Tiergesundheit, die zur gesetzlichen Pflicht für alle Tierhalter werden. Aus gesundheitlicher Sicht sei ein Wegfall der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse sinnvoller.
Anhebung der Steuern allein reicht nicht
Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) ist gegen die Anpassung der Mehrwertsteuer und hat die Interessen der Landwirte im Blick: Nicht der Staat, sondern die Landwirte bräuchten die Mittel für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung, argumentierte Bernhard Krüsken, Generalsekretär des DBV. Es sei weder den Tieren noch dem Klima geholfen, wenn durch höhere Preise Billigfleisch aus anderen EU-Ländern mit niedrigen Tierwohlstandards importiert würden. Dagegen sieht die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in der Angleichung der Mehrwertsteuer für Fleisch und Eier eine Option. Es gebe aber auch andere Wege, die jetzt intensiv diskutiert werden müssten. Dazu zählten Verbesserungen im Düngerecht, im Tier- und Pflanzenschutz sowie im Bau- und Genehmigungsrecht für tiergerechte Ställe.
Besonders hart würde es Biolandwirte treffen, befürchtet der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Denn die Preise für ihre ohnehin teureren Produkte würden gegenüber der Konkurrenz noch mehr ansteigen. Der Verband verlangt eine Neuordnung der Steuersätze, die umwelt- und tierfreundlich produzierende Landwirte entlastet. Daher fordert der BÖLW für Bioprodukte generell den niedrigsten Mehrwertsteuersatz. Gerald Wehde, Leiter Agrarpolitik bei Bioland, sieht darüber hinaus die Lösung in einer Nutztierstrategie nach dem Credo Klasse statt Masse. Auch Abgaben für Mineraldünger und Stickstoffüberschüsse könnten eine Antwort sein. Diese würden konventionelle Betriebe stärker zur Kasse bitten und sollen sie dazu bewegen, nachhaltiger zu wirtschaften. Doch egal, welchen Weg man wählt: Die Veränderungen würden vor allem die Bauern vor finanzielle Schwierigkeiten stellen.
Andere Wege gehen
Auf den ersten Blick erscheint die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch eine gute Lösung zu sein. Aber für den Schutz von Tieren und Klima bedarf es weitreichender Strategien. Billige Importe aus anderen EU-Ländern und tausende Tonnen Exportfleisch jährlich, für die keine Mehrwertsteuer fällig ist, dürfen dabei nicht unter den Tisch fallen. Statt einer pauschalen Erhöhung der Mehrwertsteuer braucht es vielmehr eine Umstrukturierung der Landwirtschaft. Es müssen diejenigen belohnt werden, die bereits tier- und umweltfreundlich wirtschaften. Ergänzt durch verbindliche Vorgaben für die Nutztierhaltung sowie gesetzliche Kontrollen könnte die Politik endlich den Weg für mehr Tierwohl und Klimaschutz ebnen.
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Stichworte: Fleischsteuer, Fleisch, Mehrwertsteuer, Tierwohl, Klimaschutz, Tierhaltung
Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 5/2019
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