Meere in Gefahr

Den Weltmeeren kommt beim Thema Klimawandel eine entscheidende Rolle zu. Als riesiger Speicher von Wärme und CO2 fangen sie einen Teil der menschengemachten Folgen ab. Erwärmung und Versauerung nehmen jedoch zu und sorgen bereits für extreme Wetterereignisse. Der Schutz der Meere ist daher unverzichtbar.

Der Ölteppich vor Mauritius in diesem Sommer zeigte einmal mehr, dass die Verschmutzung der Meere durch Industrie, Abwässer und Müll allgegenwärtig ist. Die Erhöhung der Wassertemperatur und der steigende Meeresspiegel sind weitere Alarmzeichen. Dabei sind die Weltmeere unfassbar groß: Sie bedecken rund 71 Prozent der Fläche des gesamten Globus. Und dennoch ist ein Umbruch im Gang.

Insgesamt decken knapp drei Milliarden Menschen ein Fünftel ihres Proteinbedarfs über Fisch. Doch die wichtige Nahrungsquelle ist bedroht: 90 Prozent der weltweit kommerziell verwendeten Fischbestände gelten als maximal genutzt. Gleichzeitig verzeichnen Meeresforscher eine besorgniserregende Abnahme der biologischen Vielfalt. Ein wichtiger Grund: Jahrhundertelang galt das Prinzip von der „Freiheit der Meere“. Es räumte jedem unbegrenzten Zugang zur Nutzung des Ozeans und seiner Ressourcen ein. Aufgrund der Überfischung, abnehmender Artenvielfalt und Verschmutzung mahnen Wissenschaftler ein Umdenken an.

Ozeane bremsen den Klimawandel – noch

Im September 2019 hat der Weltklimarat – Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC – einen Zwischenbericht zum Zustand der Ozeane veröffentlicht. Er listet besorgniserregende Fakten auf: Im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte hat die globale Erwärmung dazu geführt, dass die Eisschilde und Gletscher sich massiv verringern. So ist das Eis in der Arktis in den letzten Dekaden um 12,8 Prozent zurückgegangen. Weil Eismassen der Gebirgsgletscher und der großen Eisschilde Grönlands sowie der Antarktis schmelzen, steigt der Meeresspiegel kontinuierlich. Überdies dehnt sich erwärmtes Wasser aus und hebt so den Meeresspiegel weiter an. Der globale Meeresspiegel liegt heute um 20 Zentimeter über dem von vor hundert Jahren. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte es ein Meter werden, schätzen die Forscher.

Der ansteigende Meeresspiegel führt in niedrig liegenden Regionen bereits zu Überflutungen. Dadurch zieht sich die Küstenvegetation von den Ufern zurück. Bestände von Seegraswiesen und Algenwälder sind aktuell bereits um über 40 Prozent zurückgegangen, berichtet der Naturschutzbund NABU. Den Küsten geht so eine wichtige Schutzfunktion verloren.

Erwärmung schreitet weiter voran

Experten des Weltklimarats gehen davon aus, dass sich der globale Ozean seit 1970 kontinuierlich erwärmt hat. Dabei haben die Meere mehr als 90 Prozent der Wärme aufgenommen, die in den letzten 50 Jahren durch den von Menschen verursachten Treibhauseffekt entstanden ist. Durch die fortschreitende Erwärmung und die Abnahme des Meereseises schrumpfen zudem die weißen Flächen der Arktis und Antarktis. Noch reflektieren sie bis zu 90 Prozent der Sonneneinstrahlung. Das dunkle Wasser dagegen absorbiert das meiste Sonnenlicht und erwärmt sich. Als Folge schmilzt noch mehr Eis ab. Aufgrund der warmen Meeresoberfläche erhöht sich die Verdunstung und es steigt mehr Wasserdampf auf. Er gilt als besonders wirksames Treibhausgas, das die Atmosphäre wiederum erwärmt.

Wertvoller Speicher für Kohlendioxid

Der CO2-Gehalt der Atmosphäre hat seit dem Beginn der Industrialisierung im neunzehnten Jahrhundert um 40 Prozent zugenommen. Steigende Temperaturen rund um den Globus und extreme Wetterereignisse sind die Folge. Ohne den Ozean würden die Temperaturen noch viel höher ausfallen. Denn derzeit nehmen die Weltmeere 25 bis 30 Prozent des in die Luft freigesetzten CO2 auf. Grund ist das Konzentrationsgefälle des CO2-Gehalts zwischen Luft und Wasseroberfläche. Die Meere gelten daher als die wichtigste Kohlenstoffsenke.

Je kälter das Wasser, umso effektiver verläuft dieser Prozess. Aus diesem Grund sinken in den Polarregionen große Mengen CO2 in die Tiefsee ab. Ein Teil lagert sich dauerhaft im Sediment des Meeresbodens ab. Die Fähigkeit zur CO2-Speicherung ist allerdings nicht unbegrenzt und reduziert sich durch die zunehmende Erwärmung. Ein Nachteil der CO2-Aufnahme ist, dass die Ozeanoberfläche zunehmend versauert. Denn das Gas löst sich im Wasser als Kohlensäure. Seit Beginn der industriellen Zeit hat der pH-Wert des oberflächennahen Meerwassers um 0,1 abgenommen. Das entspricht auf der logarithmischen pH-Skala einem Anstieg des Säuregehalts um 26 Prozent. Die Versauerung stellt insbesondere für Meereslebewesen ein Problem dar, die kalkhaltige Schalen bilden. Dazu gehören zum Beispiel Korallen und Muscheln. Denn die freien Karbonationen puffern die Säure-Ionen ab und fehlen den Tieren, um Schalen beziehungsweise Skelette aufzubauen.

Meeresbewohner im Dauerstress

Die sich verändernden Lebensbedingungen im Ozean und an den Küsten sind für manche Tiere und Pflanzen so gravierend, dass sie in kühlere Meeresgebiete abwandern oder aussterben. Andere Bestände, die besser mit den vorherrschenden Bedingungen zurechtkommen, nehmen wiederum zu und verdrängen unter Umständen noch vorhandene heimische Arten. Solche Veränderungen können sich auf das gesamte Ökosystem der betroffenen Gebiete auswirken, beispielsweise auf das Gefüge aus Nahrungsangebot und -nachfrage. Das beeinflusst letztlich auch die Verfügbarkeit von Nahrungsfisch und die Fischerei.

Die Erwärmung der Weltmeere führt darüber hinaus zum Auftreten von sogenannten toten Zonen mit einem verringerten Sauerstoffgehalt. Ursache sind unter anderem Rückstände von Tiergülle und Kunstdünger aus der industriellen Landwirtschaft. So fördern Nitrate und Phosphate das Wachstum von organischer Substanz, zum Beispiel Algen. Diese entziehen dem Wasser weiteren Sauerstoff. Experten des IPCC vermuten, dass die Sauerstoffverarmung bis in 1000 Meter Tiefe reicht und wiederum Konsequenzen für das Ökosystem nach sich zieht.

Meere als Müllkippe missbraucht

Das Problem, das Plastikmüll verursacht, ist durch bedrückende Fotos von einst unberührten Stränden in Bali oder den Kapverden mittlerweile ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt. 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll landen jährlich im Meer. Den größten Anteil haben Einwegprodukte. Inzwischen sind fünf gigantische Müllstrudel in den Ozeanen bekannt. Dort zerreibt sich das Plastik im Laufe der Zeit oder zersetzt sich zu Mikroplastikteilchen. Zusammen mit dem sichtbaren Müll werden sie weltweit an die Strände gespült. Selbst an den abgelegenen Küsten Spitzbergens sammelten Umweltschützer tonnenweise Plastikmüll. Das Mikroplastik verteilt sich im Meer und sinkt letztlich auf den Tiefseeboden ab. Dort ließen sich Konzentration von Plastik nachweisen, die um das Tausendfache höher liegen als an der Meeresoberfläche. Besonders bedenklich: Britische Meeresforscher wiesen in einer aktuellen Analyse unabhängig von der Tiefe in jeder Wasserprobe Mikroplastik nach. Das wahre Ausmaß der Verschmutzung könnte daher noch viel größer sein als bislang vermutet. Die kleinen Teilchen sind für Fische und andere Meeresbewohner ein großes Problem, weil sie diese als vermeintliche Nahrung aufnehmen. Das schadet nicht nur ihrer Gesundheit, sondern landet über den Umweg als Lebensmittel auch auf unseren Tellern.

Ozeane brauchen dringend Schutz

Die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UN) fordern schon seit Jahren ganzheitliche Ansätze für einen nachhaltigen Umgang mit den Meeren und ihren Ressourcen. Auch die 2015 von der UN verabschiedete Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung schreibt den Meeren eine besondere Bedeutung zu. Damit wird in den 17 Sustainable Development Goals (SDG) erstmals ein ganzheitlicher Ansatz zum Meeresschutz festgehalten. Explizit benennen die Ziele den Schutz und die nachhaltige Entwicklung der Ozeane und marinen Ressourcen. Sieben Unterpunkte zielen darauf ab, die Meeresverschmutzung zu vermeiden, marine Ökosysteme zu schützen, die Überfischung zu beenden oder die Folgen der Ozeanversauerung zu bekämpfen. Die SDGs sollen bis 2030 umgesetzt sein.

Die Freisetzung von Treibhausgasen zu reduzieren, ist das A und O. Allerdings mahnen Meeresforscher, dass Meere sehr träge reagieren. Selbst wenn die Erderwärmung sich noch stoppen ließe, würde der Meeresspiegel weiter steigen. Umweltschutzorganisationen und Wissenschaftler setzen sich zudem dafür ein, die Schutzgebiete der Ozeane deutlich auszudehnen. Dadurch könnten sich überfischte Populationen erholen, die Artenvielfalt ihren Platz zurückerobern und die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme erstarken. Doch nicht selten blockieren einzelne Staaten aus wirtschaftlichem Interesse die weitere Ausweitung von Schutzzonen.

Zu den wichtigsten Voraussetzungen, um die Ozeane zu schützen, rechnet der Weltklimarat daher eine intensivierte Zusammenarbeit internationaler Regierungsbehörden. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, sind Veränderungen möglich. Und diese sind dringend nötig. Denn Meeresschutz heißt Klimaschutz.

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Stichworte: Klimawandel, CO2, Erderwärmung, Versauerung, Plastik


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