Allergien keine Chance

Schon im ersten Lebensjahr kann ein Säugling allergische Symptome entwickeln. Wer rechtzeitig etwas dagegen unternimmt, kann das Risiko für chronische Allergien verringern.

Allergien zählen zu den Krankheiten im Kindesalter, die immer noch zunehmen. In den ersten zwei Lebensjahren erkrankt etwa jedes sechste Kind an allergischen Symptomen. Häufig entwickelt sich daraus eine chronische Erkrankung, die vielfach eine große psychische und soziale Belastung für die ganze Familie darstellt. Noch ist nicht genau bekannt, warum Allergien bei Kindern heute häufiger auftreten als früher. Es hat sich jedoch gezeigt, daß das Risiko vermindert und die Folgen der Erkrankung gelindert werden können, wenn man rechtzeitig geeignete Maßnahmen ergeift.

Neurodermitis und Asthma am häufigsten

Zu den häufigsten allergischen Krankheitsbildern zählen die atopischen Erkrankungen der Haut und der Atemwege wie Neurodermitis, Heuschnupfen und Asthma bronchiale. Die Angaben über die Häufigkeit dieser Erkrankungen sind unterschiedlich: Etwa 5 bis 10 Prozent aller Kinder haben Neurodermitis, und zwischen 8 und 12 Prozent leiden im Verlauf ihrer Kindheit an Asthma. Ebenfalls häufig treten Nahrungsmittelallergien mit 5 bis 8 Prozent und die Nesselsucht auf. Darüber hinaus werden Hautreaktionen wie Sonnenallergie und Kontaktallergien, z. B. gegen Nickel, beobachtet.In einigen Fällen verliert sich die Erkrankung in den ersten Lebensjahren wieder völlig, in anderen jedoch nicht. So kann man entgegen früherer Ansicht z. B. beim Asthma bronchiale nur bei der Hälfte aller Kinder davon ausgehen, daß die Symptome innerhalb von 10 bis12 Jahren vollständig verschwinden. Bei einer Kuhmilchallergie im ersten Lebensjahr ist die Chance jedoch recht groß, daß Milch in höherem Alter wieder vertragen wird.

Wer ist gefährdet?

Um zu ermitteln, welche Kinder möglicherweise anfällig für eine Allergie sind, stehen im wesentlichen zwei diagnostische Kriterien zur Verfügung:

1. Genetische Veranlagung
Kinder aus Familien mit atopischen Erkrankungen haben eine erbliche Veranlagung, ebenfalls an einer Allergie zu erkranken. Das Risiko liegt zwischen 20 und 80 Prozent. Je mehr Familienmitglieder betroffen sind, umso höher ist das Risiko und desto früher beginnt die Erkrankung.

2. Der Antikörpertest
Das Immunglobulin E (IgE) ist ein vom Organismus gebildeter Antikörper, der bei bestimmten allergischen Reaktionen eine wichtige Rolle spielt. Er ist bei Menschen mit einer atopischen Erkrankung oder Veranlagung häufig erhöht. Beim Neugeborenen kann er aus dem Nabelschnurblut bestimmt werden. Etwa jedes zehnte Neugeborene hat erhöhte IgE-Werte und damit ein größeres Risiko zu erkranken. Dieser Test wird allerdings nicht routinemäßig durchgeführt. Die Bestimmung des IgE-Spiegels der Schwangeren liefert keine zusätzlichen Erkenntnisse darüber, ob das Kind allergiegefährdet ist.

Doch selbst wenn beide Kriterien auf eine Allergie hinweisen, heißt das nicht unbedingt, daß auch eine Allergie auftritt. Nur jede zweite anhand der Familienanamnese getroffene Vorhersage trifft wirklich zu. Für das IgE liegt diese Wahrscheinlichkeit noch niedriger. Etwas mehr als die Hälfte der Kinder, die in den ersten beiden Lebensjahren erkranken, stammt nicht aus einer Atopikerfamilie. Die Wahrscheinlichkeit einer Falschaussage ist also hoch.Es besteht daher die Möglichkeit, daß viele Säuglinge vorbeugenden Maßnahmen unterzogen werden, obwohl sie gar nicht erkranken. Andere wiederum, die eine Allergie entwickeln, erhalten keinen solchen Schutz. Daher sollten nur solche Schritte unternommen werden, die bei falscher Vorhersage nicht schaden.

Wann beginnt die Prävention?

Atopische Erkrankungen beginnen oft bereits im Säuglingsalter. Meist äußern sie sich in Form von Hautausschlägen oder Durchfällen, die in der Regel durch Nahrungsmittel ausgelöst werden. Eine Sensibilisierung gegen Allergene aus der Luft, wie Gräserpollen und Milben, erfolgt vielfach erst nach dem zweiten Lebensjahr. Es lohnt sich daher, direkt nach der Geburt mit der Vorbeugung zu beginnen.Ob schon vor der Geburt eine Sensibilisierung über das Blut der Mutter stattfindet, ist noch unklar. Es gibt jedoch viele Hinweise, daß das Rauchen während der Schwangerschaft das Risiko für eine Allergie beim Kind erhöht. Auf Niktoin sollte daher während der Schwangerschaft unbedingt verzichtet werden.

Stillen schützt am besten

Am ehesten lassen sich Kinder vor einer Allergie schützen, wenn sie möglichst wenig Kontakt mit potentiellen Allergenen haben. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist Stillen die einzige Maßnahme, die mit Sicherheit das Risiko für bestimmte atopische Erkrankungen vermindern kann. Denn Muttermilch enthält fast keine Fremdeiweiße, dafür aber Stoffe, die das Immunsystem stärken. Alle Kinder sollten daher wenn möglich mindestens vier Monate, bei erhöhtem Risiko sogar sechs Monate voll gestillt werden. Eine lange Stillzeit scheint allerdings nur vor Neurodermitis und Kuhmilchallergie zu schützen, nicht jedoch vor Asthma bronchiale.

Wenn die Beikost erst spät, das heißt ab dem sechsten Lebensmonat, eingeführt wird und nur aus wenigen Nahrungsmitteln besteht, kann hingegen auch das Risiko für Asthma verringert werden. Dadurch wird vermieden, daß das noch relativ unreife kindliche Verdauungssystem zu früh mit Fremdeiweißen belastet wird. Typische allergene Nahrungsmittel wie Fisch, Eier, Nüsse und auch Soja sowie Schokolade und Zitrusfrüchte, letztere vor allem bei bereits bestehender Neurodermitis, sollten Säuglinge mit erhöhtem Risiko im ersten Lebensjahr noch nicht bekommen. Im zweiten Lebenshalbjahr ganz auf Kuhmilch zu verzichten, halten zahlreiche Allergologen nicht für notwendig.

Hypoallergene Nahrung als Muttermilchersatz

Insbesondere in den ersten sechs Monaten sollten allergiegefährdete Säuglinge keine Kuhmilch zu sich nehmen. Bis zu 80 Prozent der Neugeborenen mit erhöhtem Nabelschnur-IgE erkranken an einer Allergie, wenn sie eine herkömmliche Säuglingsmilch auf Kuhmilchbasis erhalten. Ist das Stillen nicht möglich, wird hydrolysierte Säuglingsnahrung, sogenannte HA-Nahrung, empfohlen. Bei diesem Muttermilchersatz werden die allergenen Eiweiße der Kuhmilch weitgehend aufgespalten und sind somit weniger schädlich. Ob HA-Nahrungen hundertprozentig schützen, ist allerdings noch nicht endgültig gesichert. Sie haben sich vor allem bei der Prävention von Neurodermitis und Nahrungsmittelallergien bewährt, weniger beim Asthma. Besteht bereits eine Kuhmilchallergie, so sind die Hydrolysate ungeeignet. In diesem Fall ist eine Spezialdiät erforderlich, bei der die allergenen Eiweiße ganz entfernt werden.

Was tun bei bestehender Allergie?

Ist eine Allergie bereits aufgetreten, gilt es, den auslösenden Stoff herauszufinden und möglichst weitgehend zu meiden. Handelt es sich um eine Schimmelpilz- oder Milbenallergie, hilft es, die Luftfeuchtigkeit in der Wohnung zu senken und von Schimmelpilzen befallene Stellen zu sanieren. Regelmäßiges Lüften der Wohnung, wischbare Bodenbeläge, wenig Staubfänger, milbenundurchlässige Bettwäsche und ausreichend Abstand zwischen Möbeln und Wand machen Pilzen und Milben das Leben schwer. Bei Nahrungsmittelallergien muß das allergieauslösende Lebensmittel zunächst vollständig aus der Kost entfernt werden. Um Fehl- oder Mangelernährungen zu vermeiden, sollte dies immer nach Rücksprache mit dem Kinderarzt bzw. einem Ernährungsberater erfolgen.

Darüber hinaus können zahlreiche weitere Therapieansätze den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Ziel muß dabei sein, organische oder psychische Schäden zu vermeiden und den Kindern die Teilnahme an allen altersentsprechenden Aktivitäten zu ermöglichen. Asthmakranke Kinder sollten regelmäßig inhalieren, wenn notwendig auch mit cortisonhaltigen Medikamenten. Dann ist es möglich, die Entzündung in den Atemwegen zu verringern und das Risiko für Asthmaanfälle zu senken. Die medikamentöse Behandlung kann durch eine Klimaveränderung unterstützt werden, z. B. in Form eines Kuraufenthaltes im allergenarmen Hochgebirge. Weitere Bausteine eines ganzheitlichen Konzepts sind die Krankengymnastik mit Atemtherapie und Asthma-sport, Entspannungsübungen wie das Autogene Training, Asthmaschulungen und eine psychologische Betreuung der betroffenen Familien.

Es gibt viele unterschiedliche Ansätze, um Allergien zu lindern oder zu verhindern. Ob sie wirklich wirken, ist nur bei den wenigsten ausreichend erwiesen. Die Risiken für das Kind sollten daher sorgfältig abgewogen werden. Letztendlich sind nur solche Maßnahmen empfehlenswert, die bei falscher Vorhersage nicht schaden. Einen sicheren Schutz vor Allergien gibt es nicht, selbst wenn Eltern alle Vorsorgemaßnahmen einhalten. Wird eine allergische Erkrankung frühzeitig erkannt, läßt sich jedoch einiges tun, um die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten und Folgeschäden zu begrenzen.

Allergien vorbeugen

Folgende vorbeugende Maßnahmen sind bei Kindern mit einem erhöhten Allergierisiko zu empfehlen:

  • auschließliches Stillen für mindestens vier, besser sechs Monate
  • keine zusätzliche Gabe von Säuglingsnahrung auf Kuhmilch- oder Sojabasis
  • bei Stillverzicht sollte eine hydrolysierte Säuglingsmilch gegeben werden
  • später Beikost-Beginn ab dem 7. Monat und Vermeidung stark allergener Produkte wie Fisch, Eier, Nüsse, Soja, Weizen und Zitrusfrüchte
  • inhalative Allergene wie Rauch oder Tierhaare im Lebensumfeld des Kindes meiden

LITERATUR
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GRIESE, M.: Differentialdiagnose und Behandlung des atopischen Ekzems im Kindes- und Jugendalter. In: Monatsschr. Kinderheilkd. 145, S. 73-84, 1997
REINHARDT, D. u. a.: Asthma bronchiale im Kindesalter. 2. Auflage, Springer Verlag, Berlin 1996
WAHN, U.; SEGER, R.; WAHN, V: (Hrsg.): Pädiatrische Allergologie und Immunologie in Klinik und Praxis. G. Fischer Verlag, Stuttgart 1994

Quelle: Walter, Ch.: UGB-Forum 4/98, S. 193-195

weitere Informationen finden Sie hier:
Gut essen – bei Lebensmittelunverträglichkeiten
Allergien und Säure-Basen-Haushalt – was tun?
Gesunde Basis von Anfang an


Dieser Beitrag ist dem UGB-Archiv entnommen.

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