Bioaktive Substanzen: Power für die Abwehr
Kann eine gesunde Ernährung das Immunsystem wirklich unterstützen? Bisher galten insbesondere Vitamine als abwehrstärkend. Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, daß auch Bioaktive Substanzen das Immunsystem fördern können.
Das Immunsystem schützt den Organismus vor körperfremden Substanzen. Nicht nur bei Infektionen, sondern auch bei vielen anderen Krankheiten wie Allergien, Krebs, Arteriosklerose oder chronischen Entzündungen spielt es eine wichtige Rolle. Wer seine Gesundheit erhalten will, sollte daher alle Möglichkeiten nutzen, seine Abwehrkräfte zu stärken. Die Ernährung kann hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten.
Sowohl ein Mangel als auch ein Überangebot an Nahrungsenergie und Nährstoffen kann die Reaktionen unseres Abwehrsystems beeinflussen. Wer zuviel Fett, Nahrungsenergie oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren aufnimmt, riskiert sein Immunsystem zu schwächen. Menschen mit Übergewicht erkranken häufiger an Atemwegsinfekten und sind allgemein anfälliger für Infektionen. Werden dagegen reichlich Vitamine und Spurenelemente aufgenommen, erhalten die Abwehrkräfte zusätzlichen Auftrieb. Auch Bioaktive Substanzen - dazu zählen sekundäre Pflanzenstoffe und Verbindungen aus fermentierten Lebensmitteln - wirken positiv auf unsere Abwehr. Ob Ballaststoffe das Immunsystem ebenfalls beeinflussen, ist derzeit noch nicht endgültig geklärt.
Ohne Vitamine macht die Abwehr schlapp
Für das Immunsystem sind besonders die Vitamine A, D, E, C und B6 unentbehrlich. Vitamin A benötigen wir für das Wachstum unserer Haut- und Schleimhautzellen, die eine Barriere gegen Mikroorganismen und andere Fremdstoffe darstellen. In Untersuchungen steigerte Vitamin A außerdem die Aktivität der Natürlichen Killerzellen und erhöhte die Bildung von Antikörpern bei Mensch und Tier. Hohe Konzentrationen des fettlöslichen Vitamins hemmen das Tumorwachstum bzw. stimulieren zellvermittelte Immunmechanismen sowie die Aktivität der Freßzellen. Wer allerdings zuviel Vitamin A aufnimmt, kann seinem Körper auch schaden, wie neuere Studien belegen.Die aktive Form des Vitamin D, 1,25-Hydroxy-Cholecalciferol, unterstützt die Funktion der Freßzellen und T-Lymphozyten. Möglicherweise spielt das Vitamin auch eine Rolle bei der Regulation von Immun- und Entzündungsprozessen.
Vitamin E (Tocopherol) ist das wichtigste fettlösliche Antioxidans im Körper. Es fängt freie Radikale ab, die das Immunsystem hemmen und die Zellwände zerstören. Die Wirkung der Tocopherole auf das Immunsystem beruht hauptsächlich auf dieser antioxidativen Eigenschaft. Hohe Konzentrationen steigern die Abwehr, indem spezifische Antikörper (Immunglobuline) und zelluläre Immunmechanismen angeregt werden. Insbesondere bei älteren Menschen verbessert sich durch die Gabe hoher Vitamin-E-Konzentrationen die Abwehrleistung. Wird zuwenig von dem fettlöslichen Vitamin aufgenommen, kann man sich leichter einen Infekt einfangen.
Auch ein Mangel an Vitamin B6 beeinträchtigt die Immunantwort. Das Vitamin ist als Bestandteil von Coenzymen an verschiedenen Stoffwechselvorgängen beteiligt. Auch die Immunzellen benötigen das Coenzym, um ihre Abwehrfunktionen zu erfüllen. Eine unzureichende Zufuhr hemmt daher die Abwehr.
Die Wirkungen von Vitamin C (Ascorbinsäure) auf das Immunsystem sind vielfach untersucht worden, vor allem im Hinblick auf Erkältungskrankheiten. Inzwischen sind sich die Wissenschaftler darin einig, daß zusätzliche Vitamin-C-Gaben nicht vor Erkältungen schützen, jedoch die Dauer und Schwere der Infektion verringern können. Ascorbinsäure wirkt als Antioxidans, indem sie Sauerstoffradikale abfängt und somit Zellschädigungen verhindert. Bei einer Infektion ist die Konzentration an Ascorbinsäure in den Immunzellen deutlich reduziert. Daher vermuten Wissenschaftler, daß sich der Bedarf bei verschiedenen Infektionen erhöht. In Tierexperimenten wirkte sich die Gabe von Vitamin C jedenfalls günstig aus: Die Freßzellen der Tiere wurden aktiver und Mikroorganismen verstärkt abgetötet. Beim Menschen erhöhte Vitamin C die Wachstumsrate von T-Lymphozyten. Ein Mangel vermindert dagegen die Immunantwort.
Zuviel Eisen erhöht die Infektgefahr
Von den Mineralstoffen beeinflussen Eisen, Zink und Selen das Immunsystem in besonderem Maße. Sowohl zuwenig als auch zuviel Eisen hat Folgen für die Infektabwehr. Ein Eisenmangel mindert z. B. die Aktivität der Freßzellen, senkt die Zahl an B- und T-Lymphozyten und reduziert die Bildung von Antikörpern (Immunglobulinen). Allerdings fördert Eisen auch das Wachstum von Bakterien, so daß die zusätzliche Einnahme von Eisenpräparaten die Infektgefahr erhöhen kann.
Auch bei einem Mangel an Zink ist der Körper für Infekte anfälliger. Die Funktion der Freßzellen ist eingeschränkt, die Lymphozytenzahl reduziert und die zelluläre Immunantwort vermindert. Eine übermäßige Zinkzufuhr beeinträchtigt jedoch ebenfalls die Immunreaktion.
Die immunstimulierende Wirkung von Selen ist vermutlich auf seine Funktion als Cofaktor des Enzyms Glutathion-Peroxidase zurückzuführen. Dieses Enzym fängt im Körper aggressive Peroxide ab, die das Immunsystem schädigen. Bei einem Selenmangel können die aggressiven Verbindungen nicht in Schach gehalten werden, wodurch sich Infekte leichter ausbreiten können. In Untersuchungen wurde bei Selenmangel zudem eine verringerte Aktivität der Natürlichen Killerzellen festgestellt, dagegen steigerte sich aber die Bildung von Antikörpern.
Bioaktive Substanzen fördern die Gesundheit
Die Bioaktiven Substanzen, zu denen Ballaststoffe, Substanzen aus fermentierten Lebensmitteln und sekundäre Pflanzenstoffe zählen, können ebenfalls auf das Immunsystem einwirken. Welche Rolle die Ballaststoffe dabei spielen, wird derzeit noch diskutiert. Vor sekundären Pflanzenstoffe in verschiedene Gruppen einteilen. Hier werden nur die erwähnt, die für das Immunsystem wichtig sind.
Bioaktive Substanzen: Mit Frischkost bleibt das System intakt
Carotinoide sind in vielen pflanzlichen Lebensmitteln zu finden. Das bekannteste unter ihnen ist das Beta-Carotin, das im Körper in Vitamin A umgewandelt werden kann. Es verleiht Möhren, Aprikosen oder Kürbissen die gelbe, orange und rote Farbe. Aber auch grüne Gemüse, z. B. Grünkohl oder Spinat, können reichlich Carotinoide enthalten. Verschiedene Studien an großen Bevölkerungsgruppen zeigen, daß Menschen, die viel Beta-Carotin aufnehmen, seltener an Lungen- oder Magenkrebs erkranken. Die antikanzerogene Eigenschaft beruht neben anderen Wirkmechanismen vermutlich darauf, daß Beta-Carotin das Immunsystem anregt.
Wissenschaftler konnten nachweisen, daß der sekundäre Pflanzenstoff unter anderem das Wachstum von T- und B-Lymphozyten fördert, die Anzahl Natürlicher Killerzellen im Blut erhöht und die Bildung der Zytokine unterstützt. Täglich 15 Milligramm Beta-Carotin stärkten bei Erwachsenen bereits nach knapp einem Monat meßbar das Immunsystem. Im Durchschnitt nehmen wir mit der Nahrung nur etwa sechs Milligramm Carotinoide am Tag auf. Auch andere Carotinoide wie Canthaxanthin und Astaxanthin beeinflussen die Abwehrreaktionen. Auch über ihre Funktion als Antioxidantien wirken die Carotinoide auf die Vorgänge im Immunsystem.
Flavonoide hemmen und stärken gleichzeitig
Flavonoide sind - ähnlich wie die Carotinoide - im Pflanzenreich sehr weit verbreitet. Anthozyane, eine Untergruppe der Flavonoide, sorgen z. B. bei Kirschen, Pflaumen, Beerenobst, Rotkohl und Auberginen für deren rote, blaue und violette Färbung. In Gemüse und Obst sind die Flavonoide vor allem direkt unter der Schale zu finden.
Zahlreiche Untersuchungen ergaben, daß die Flavonoide die Abwehrmechanismen unterdrücken. Allerdings können sie Teile des Immunsystems auch anregen. Viele Versuche, die meisten allerdings nur an Zellkulturen, beschäftigen sich mit der Wirkung von Quercetin, dem häufigsten Flavonoid. Hier zeigte sich, daß Quercetin das Wachstum der Lymphozyten hemmt und die Freisetzung des Entzündungsvermittlers Histamin und anderer wichtiger Botenstoffe des Immunsystems einschränkt. Außerdem behindert es die Funktion der Freßzellen und der Natürlichen Killerzellen. Um die immunologischen Eigenschaften der Flavonoide besser beurteilen zu können, sind neben Experimenten an Zellkulturen vor allem Untersuchungen am Menschen notwendig.
Bioaktive Substanzen: Zwiebelgewächse und Hülsenfrüchte schützen
Saponine haben ihren Namen erhalten, weil sie in wäßrigen Lösungen Schaum bilden (lat.: Sapo = Seife). Auch sie sind in pflanzlichen Lebensmitteln weit verbreitet und vor allem in Hülsenfrüchten zu finden. In verschiedenen Tier- experimenten verstärkten sie das Wachstum und die Aktivität der Lymphozyten. Die Konzentration von Antikörpern gegen bestimmte Proteine ließ sich durch Saponine bis um das 100fache erhöhen. Die meisten Untersuchungen wurden allerdings an Tieren durchgeführt. Daher ist die Wirkung der Saponine auf das menschliche Immunsystem noch weitgehend ungeklärt.Sulfide geben Knoblauch, Lauch und Zwiebeln ihren typischen Geruch. Die Substanzen wurden intensiv auf ihre Wirkung gegen Krebs untersucht. Vermutlich ist ihre Schutzfunktion darauf zurückzuführen, daß Sulfide das Wachstum von Tumorzellen beeinträchtigen und das erneute Auftreten bestimmter Tumore bei Krebspatienten vermindern. In Untersuchungen am Menschen aktivierten sie die Natürlichen Killerzellen. Zudem hemmen Sulfide das Wachstum von Mikroorganismen.
Vollwert-Ernährung beugt vor
Auch wenn viele Erkenntnisse zum Teil aus Tierexperimenten und Versuchen mit Zellkulturen stammen, gehen Wissenschaftler heute davon aus, daß die Ernährung in gewissen Grenzen unsere Abwehrkräfte stärken und Überreaktionen des Immunsystems unterdrücken kann. Dazu ist eine Kost mit einem hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel empfehlenswert. Sie sollte reichlich Obst und Gemüse sowie Vollkorn- und Milchprodukte enthalten. Aufgrund der Hitzeempfindlichkeit einiger sekundärer Pflanzenstoffe und Vitamine ist es sinnvoll, einen Teil der Nahrung als unerhitzte Frischkost zu verzehren. Auf diese Weise werden alle Nahrungsinhaltsstoffe zugeführt, die das Immunsystem stärken können. Dadurch kann nicht nur Infektionen, sondern auch Herz-Kreislauferkrankungen und vor allem Krebs vorgebeugt werden.
LITERATUR:
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