Callanetics - Kräftigung von Kopf bis Fuß
Einen straffen Po, schlanke Beine und einen flachen Bauch in wenigen Tagen dank Callanetics - das verspricht die neue Gymnastikform aus den USA. Diese Erfolge sind natürlich stark übertrieben. Zur Kräftigung der Muskulatur und für eine verbesserte Haltung sind die isometrischen Übungen jedoch gut geeignet.
Zu Beginn der 90er Jahre kam Callanetics als Trend aus den USA nach Deutschland. Seitdem boomt diese Art der Gymnastik in den Fitneß-Studios, aber auch in Sportvereinen und Schulen. Benannt ist Callanetics nach ihrer Begründerin Callan Pickney. Auf der Grundlage ihrer Ballettausbildung entwickelte die Amerikanerin eine eigene Gymnastikform. Durch kleine Veränderungen der Körperstellung in Kombination mit genauen, langsam ausgeführten Bewegungen sollen bestimmte Muskelgruppen gekräftigt werden, ohne dabei den Rücken zu belasten. Der Schwerpunkt liegt auf Hüfte, Bauch und Po, um den Übenden zu einer besseren Figur zu verhelfen. Das Aussehen zu verbessern ist nach Callan Pickney eine wesentliche Motivation, sich mehr zu bewegen.
Callanetics: Übertriebene Versprechungen
Die amerikanische Fitneßtrainerin verspricht mit ihrem Programm in kurzer Zeit einen schönen, straffen Körper. Bereits nach einer Stunde Training seien Ergebnisse sichtbar wie nach 20 Stunden Aerobic. Ihre Übungen führen angeblich zu einer jugendlichen Figur und das alles ohne Diät. Das Rezept für diesen schnellen Erfolg liege in der Tiefenwirkung ihrer Übungen. Durch die exakten Bewegungsabläufe, die bis zu 100mal zu wiederholen sind, werde die Tiefenmuskulatur gestrafft und Fettzellen abgebaut. Solche Versprechungen sind natürlich unrealistisch und wissenschaftlich nicht belegbar. Sie wecken bei den Übenden Erwartungen, die nicht erfüllt werden können. Das ist schade, weil dadurch die positiven Seiten des Programms in den Hintergrund geraten. Die Stärke von Callanetics liegt darin, daß der Übende durch die gezielten Bewegungen seinen Körper bzw. einzelne Muskelgruppen bewußt wahrnimmt. Auf diese Weise baut er eine Körperspannung auf, die zu einer verbesserten Haltung führt.
Callanetics: Aufwärmen und Dehnen nicht vergessen
Neben den übertriebenen Versprechungen weist das klassische Callanetics auch einige methodische Schwächen auf: So ist kein ausreichendes Aufwärmprogramm vorgesehen, wodurch das Risiko für Verletzungen erhöht ist. Dies ist besonders problematisch, weil die Übungsformen eine gewisse Grundbeweglichkeit voraussetzen, die nicht jeder hat. Wenn der Körper noch kalt ist, kann schnell ein Gelenk überdehnt oder ein Muskel gezerrt werden. Zudem beinhaltet das Training hauptsächlich Anleitungen zur Kräftigung, Dehnungsübungen werden dagegen vernachlässigt. Durch einseitiges Belasten können Gelenke geschädigt und Muskeln verspannt und verhärtet werden. Ungünstig ist auch, daß sich die Übungen fast ausschließlich auf die Kräftigung von Bauch, Beinen und Po konzentrieren. Der Schulter-, Arm- und Stützapparat bleibt weitgehend unberücksichtigt. Weiterhin können die hohen Wiederholungen von bis zu 100 Anfänger leicht überlasten. Zu Beginn haben viele zudem Schwierigkeiten, die teilweise recht komplizierten Bewegungsabläufe genau nachzuvollziehen. Streng genommen bräuchte jeder Übende einen privaten Übungsleiter, um die Bewegungen korrekt ausführen zu können. Wenn im Gruppentraining die Übungen genau demonstriert und die Kursteilnehmer während der Durchführung korrigiert werden, läßt sich jedoch auch in der Gruppe ein korrektes Üben erreichen.
Den ganzen Körper einbeziehen
Wenn man sich dieser kritischen Punkte bewußt ist und das Programm um die fehlenden Aspekte ergänzt, stellt es ein ausgewogenes und schonendes Ganzkörpertraining dar. Neben Übungen aus dem klassischen Callanetics sollten Übungen zur Kräftigung der Rückenmuskulatur einschließlich der Schulter-, Arm- und Stützmuskulatur aufgenommen werden. Die Übungen für Hüfte und Oberschenkel können ergänzt werden, damit Muskeln und Gelenke nicht einseitig beansprucht werden. Generell sollten die Übungen so zusammengestellt sein, daß einzelne Muskelgruppen abwechselnd be- und entlastet werden. Eine Übersäuerung der Muskulatur sowie eine Überbeanspruchung der Gelenke können so vermieden werden. Die ergänzenden Übungen werden ebenfalls im Callanetics-Stil durchgeführt, das heißt mit einer hohen Anzahl von Wiederholungen. Anfänger sollten die Übungen zunächst 10-20mal durchführen und sich langsam auf bis zu 100 Wiederholungen steigern.
Callanetics mit und ohne Musik
Klassisches Callanetics sieht keine Musik während der Übungen vor. Da die Bewegungen nicht in einem bestimmten Rhythmus ausgeführt werden müssen, hält Callan Pickney Musik für unnötig. In der Praxis haben sich jedoch schnelle Rhythmen für den Aufwärmteil und ruhige Hintergrundmusik für Dehnung und Kräftigung bewährt. In deutschen Fitneßstudios und Vereinen wird nur noch selten die klassische Form angeboten. Die meisten Übungsleiter erweitern das Konzept um die aufgeführten Punkte. Teilweise nennen sie ihre Kurse schon gar nicht mehr Callanetics, sondern Ganzkörpergymnastik.
Callanetics: Zu Hause üben - Geräte überflüssig
Ein Vorteil von Callanetics ist, daß fast alle Übungen ohne Geräte durchgeführt werden können. Zum Festhalten oder Hochlegen der Beine sind statt einer Ballettstange auch Stühle, Sessel oder Tische geeignet. Eine Gymnastikmatte als bequeme Unterlage sowie etwas Bewegungsfreiheit reichen aus, um die Übungen durchzuführen. Callanetics kann daher gut allein zu Hause geübt werden.
Von Aufwärmen bis Entspannen
Wer mit den Übungen noch nicht vertraut ist, wird sich allerdings schwer tun, die exakte Körperhaltung einzunehmen und die Bewegungen richtig auszuführen. Zu Beginn ist es daher besser, sich einer geleiteten Gruppe anzuschließen. Gemeinsam mit anderen macht Bewegung zudem mehr Spaß, und es fällt leichter, am Ball zu bleiben.
Zu Beginn einer Übungsstunde sollte zunächst das Herz-Kreislaufsystem in Schwung gebracht werden, bis der Puls auf eine Frequenz von 120-150 Schlägen kommt. Auch nach länger andauernden ruhigen Übungen sind Ausdauer-Elemente sinnvoll, damit der Körper nicht auskühlt. Geeignet sind dafür Übungen aus dem Aerobic wie Warmgehen mit kombinierten Armübungen. Schrittkombinationen bringen zusätzlich Abwechslung und Spaß in das Aufwärmprogramm. Wer zu Hause üben will, kann sich beispielsweise auf der Stelle warmlaufen und anschließend gut dehnen, bevor er mit den Kräftigungsübungen beginnt. Ein intensiveres Ausdauer-Training kommt nicht nur dem Herz-Kreislaufsystem zugute, sondern auch dem Wunsch vieler Übenden, Gewicht abzubauen.
Die auf dem Sportposter vorgestellten Übungen gehen in erster Linie auf Defizite der Körperhaltung ein. Am Anfang werden Dehnungsübungen für verkürzte Muskelgruppen vorgestellt, um Beweglichkeit und Mobilisation zu erreichen. Im Anschluß folgen Kräftigungsübungen zum Aufbau des Halte- und Stützapparates. Natürlich kann in diesem Beitrag nur eine kleine Auswahl der möglichen Übungen vorgestellt werden. Viel Spaß beim Ausprobieren!
Quelle: Opper, S.: UGB-Forum 1/98, S. 29-32