Calcium: Mehr als ein Knochenbaustein

Calcium ist nicht nur für starke Knochen und Zähne unerlässlich. Auch zahlreiche andere Aufgaben könnte unser Körper ohne den Mineralstoff nicht bewerkstelligen. Wer calciumreiche Lebensmittel auswählt, kann sich auch ohne Milch ausreichend versorgen.

Mit 1,5 Kilogramm ist Calcium der Mineralstoff, der mengenmäßig in unserem Körper überwiegt. Über 99 Prozent des Calciums sind in Knochen und Zähnen gespeichert und sorgen für deren Festigkeit und Struktur. Dabei liegt Calcium in Verbindungen mit Phosphor als Hydroxylapatit vor, das sich durch einen sehr hohen Härtegrad auszeichnet. Die Knochen fungieren als Calciumreservoir, das dem Köper bei Bedarf den Mineralstoff zur Verfügung stellen kann...

Fein regulierter Calciumspiegel

Der Körper weiß den Calciumspiegel im Blut genau zu regulieren. Ist er zu niedrig, wird die Nebenschilddrüse zur Ausschüttung des Parathormons angeregt. Der Botenstoff bewirkt die Freisetzung von Calcium aus den Knochen und steigert gleichzeitig die Resorption über Darm und Nieren. Als Gegenspieler des Parathormons agiert Calcitonin aus der Schilddrüse. Bei steigenden Konzentrationen des Mineralstoffs im Blut hemmt es die Mobilisierung von Calcium aus den Knochen, steigert die Ausscheidung über die Niere und senkt die Calciumresorption im Darm (siehe Abbildung).

Der Mineralstoff ist für die Kontraktion und Entspannung der Muskeln unverzichtbar. Indem Calcium die Freisetzung von Acetylcholin an den Nervenenden fördert, leitet es die Muskelbewegung ein. Auch ist es an der Aktivierung von Blutgerinnungsfaktoren beteiligt und somit essenziell für die Blutstillung und Wundheilung nach Verletzungen. Zudem stabilisiert Calcium die Zellmembranen und reguliert die Blutgewinnung sowie die Reizübertragung im Nervensystem.

Viele Faktoren beeinflussen die Aufnahme

Zwischen 20-60 Prozent des in der Nahrung enthaltenen Calciums werden über den Darm aufgenommen. Die Resorptionsrate ist von verschiedenen Faktoren abhängig wie Alter, Calciumbedarf oder Zusammensetzung der Nahrung. Säuglinge nehmen aus der Muttermilch bis zu 75 Prozent des Mineralstoffs auf. Männer resorbieren mehr als Frauen. Ein Teil des Calciums gelangt vom Darm passiv über Diffusion ins Blut. Bei geringem Calciumgehalt der Nahrung oder erhöhtem Bedarf steigert der Körper den Transport über den Calciumkanal der Schleimhautzellen. Dieser aktive Transport ist abhängig von Vitamin D und benötigt Energie. Zudem hängt die Aufnahme auch von der Löslichkeit der aufgenommenen Calciumverbindungen sowie von hemmenden und fördernden Bestandteilen der Nahrung ab.

Versorgungslücken nicht immer offensichtlich

Anzeichen eines Calciummangels können sich durch Muskelschwäche, Krämpfe, Taubheitsgefühle oder eine erhöhte Anfälligkeit für Knochenbrüche bemerkbar machen. Im Kindes- und Jugendalter zeigt sich eine unzureichende Calciumversorgung an einer mangelhaften Knochenmineralisierung, die zum Beispiel mit Minderwuchs oder Störungen in der Zahnentwicklung einhergehen kann. Das Krankheitsbild wird als Rachitis bezeichnet. Dabei kann es auch zu weichen und verformten Knochen kommen. Oft ist ein kombinierter Mangel an Calcium und Vitamin D die Ursache. Seit Einführung der Vitamin-D-Prophylaxe für Säuglinge kommen Rachitisfälle bei uns aber praktisch nicht mehr vor.

Bei Nierenerkrankungen, Funktionsstörungen der Nebenschilddrüse oder Schilddrüse kann es zu einer Fehlregulation kommen. Ein zu niedriger Calciumspiegel im Blut wird als Hypokalzämie bezeichnet. Sie kann sich durch Muskelkrämpfe, Verwirrtheit und Vergesslichkeit oder Kribbeln in Lippen, Fingern und Füßen bemerkbar machen und zu Herzrhythmusstörungen führen. Ein zu hoher Calciumspiegel (Hyperkalzämie) kann durch eine Überproduktion des Parathormons ausgelöst sein (Hyperparathyreoidismus). Auch eine übermäßige Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, Tumore oder bestimmte Krankheiten können einen Überschuss verursachen. Oft zeigen sich nur wenige oder uneindeutige Symptome wie Müdigkeit, Übelkeit oder Verstopfung. Langfristig können durch einen Überschuss an Calcium Nierensteine entstehen und Herzrhythmusstörungen auftreten. Eine dauerhafte Supplementierung sollte deshalb nur bei Bedarf und unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Sowohl eine Hypo- als auch eine Hyperkalzämie werden häufig erst bei routinemäßigen Blutuntersuchungen festgestellt.

Wie viel Calcium braucht der Körper?

Wie gut der Körper mit Calcium versorgt ist, lässt sich durch die Analyse der Nahrungsaufnahme und gegebenenfalls durch Bluttests bestimmen. Als Indikator für die langfristige Calciumversorgung kann die Messung der Knochenmineraldichte herangezogen werden.

Gesunden Erwachsenen empfehlen Fachgesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH) täglich 1000 Milligramm (mg) Calcium aufzunehmen. Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren haben einen erhöhten Bedarf von 1200 mg. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat als Höchstmenge für gesunde Erwachsene eine Zufuhr von 2500 mg Calcium pro Tag festgesetzt.

Nach Daten der Nationalen Verzehrsstudie (NVS II, 2008) nehmen Menschen ab 14 Jahren in Deutschland zwar im Mittel (Median) 1000 mg Calcium am Tag auf; Männer etwas mehr als Frauen (1052 mg / 964 mg). Allerdings erreichen dennoch etwa 46 Prozent der Männer und 55 Prozent der Frauen nicht die empfohlene Zufuhrmenge. Daher gilt Calcium in der Allgemeinbevölkerung als kritischer Nährstoff. Besonders weibliche Teenager und ältere Menschen werden als gefährdet angesehen.

Vor allem durch den Verzicht auf Milchprodukte liegt die durchschnittliche Calciumaufnahme von Veganer:innen deutlich niedriger. Einzelne Studien ermittelten in dieser Gruppe eine durchschnittliche Calciumzufuhr von 550 mg, andere bis zu 915 mg. Allerdings kann es in Studien zu verzerrten Ergebnissen kommen, wenn angereicherte Produkte nicht eingerechnet werden. Eine sehr geringe Calciumzufuhr von unter 525 mg am Tag ist mit einer geringeren Knochendichte verbunden und erhöht das Frakturrisiko.

Es geht auch rein pflanzlich

Milch und Milchprodukte sind in Deutschland mengenmäßig die größten Calciumlieferanten. Aus Milchprodukten ist der Mineralstoff zudem gut resorbierbar. Besonders Hartkäse wie Parmesan enthält große Mengen an Calcium. Um den Bedarf sicher zu stellen, riet die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bislang zu mindestens drei Portionen Milch und Milchprodukten am Tag. Da aber auch viele pflanzliche Lebensmittel Calcium liefern, lautet die Empfehlung seit 2024, dass zwei Portionen ausreichen. Die DGE kommt nach aktueller Studienlage zu dem Schluss, dass auch Veganer:innen sich mit einer rein pflanzlich zusammengestellten Kost ausreichend mit Calcium versorgen können. Studien zeigen, dass ein hoher Gemüse- und Obstverzehr dazu beiträgt, die Knochenmineralisationsdichte zu steigern. Die Zufuhr von Ballaststoffen beeinflusst den Knochenstatus ebenfalls positiv.

Gute pflanzliche Quellen sind grüne Blattgemüse wie Rucola, Grünkohl oder Pak Choi. Auch Brokkoli und Hülsenfrüchte wie Soja oder Kichererbsen können zur Versorgung beitragen. Calciumreiches Mineralwasser mit mindestens 150 mg Calcium pro Liter sowie mit Calciumcarbonat angereicherte Pflanzenmilch wie Soja-, Reis- oder Hafermilch können die Versorgung ebenfalls verbessern (siehe Tabelle). Sogar Bio-Pflanzendrinks sind nach einem zwischenzeitlichen Verbot durch den Europäischen Gerichtshof inzwischen wieder mit einer calciumreichen Alge angereichert. Dazu wird die abgestorbene Rotalge Lithothamnium Calcareum zermahlen und als farbloses und geschmacksneutrales Pulver zugesetzt. Sofern Pflanzenmilch mit Calcium angereichert ist, enthält sie in der Regel genau so viel Calcium wie Kuhmilch.

Die höchste Bioverfügbarkeit von Calcium weisen einige grüne Gemüse auf. Auch aus Hülsenfrüchten kann der Körper den Mineralstoff gut aufnehmen. Milchprodukte liegen zwischen den beiden Lebensmittelgruppen. In Mineralwasser und Pflanzendrinks liegt die Verfügbarkeit etwas höher als in Kuhmilch.

Verfügbarkeit lässt sich steigern

Verschiedene Faktoren fördern oder hemmen die Aufnahme von Calcium. Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D und die Zufuhr von organischen Säuren wie Milch- und Zitronensäure sowie Milchzucker begünstigen die Resorption, da sie die Löslichkeit von Calcium im Darm erhöhen. Dagegen bilden Oxal- oder Phytinsäure mit Calcium schwer resorbierbare Komplexverbindungen (Oxalate und Phytate).

Oxalsäure ist zum Beispiel in Spinat, Mangold, Sesam- und Chiasamen, Rhabarber, Cashewkernen, Hasel- und Erdnüssen oder Kakao enthalten. Phytinsäure steckt in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Nüssen. Einweichen, Quellen und Keimen sowie die Sauerteiggärung können den Gehalt an den schlecht verfügbaren Calciumkomplexen verringern, so dass die Bioverfügbarkeit deutlich steigt. Das Koch- und Einweichwasser sollte nicht mitverwendet werden. Ein hoher Konsum von Phosphor, Salz (Natrium), Koffein und Alkohol kann zudem die Calciumausscheidung über die Niere steigern.

Proteinzufuhr beeinflusst Calciumhaushalt

Für den Calciumhaushalt und einen guten Knochenaufbau kommt es auch auf eine ausreichende Versorgung mit Protein an. Denn eine bedarfsgerechte Proteinzufuhr erhöht die Calciumabsorption, unterdrückt das Parathormon und fördert das Knochenwachstum. Andererseits zeigen Studien, dass eine Ernährung mit hoher Proteinzufuhr, vor allem über tierische Lebensmittel, die Säurebildung im Organismus steigert und infolgedessen die Calciumausscheidung über den Urin erhöht. Bislang wurde angenommen, dass sich dadurch die Calciumbilanz verschlechtert. Doch federn die Puffersysteme in unserem Körper die erhöhte Säurelast ab, insbesondere wenn genügend basische Valenzen über ausreichend Gemüse und Obst aufgenommen werden. Zudem reduziert das in tierischen Lebensmitteln enthaltene Phosphor die Calciumausscheidung, sodass die Calciumbilanz ausgeglichen bleibt. Da ältere Menschen unter Umständen zu geringe Mengen Protein zu sich nehmen, erhöht dies auch das Risiko für eine reduzierte Knochenmasse. Somit ist sowohl auf eine ausreichende Calciumversorgung, eine bedarfsgerechte Proteinzufuhr (0,8 bis 1,0 g/kg Körpergewicht) als auch eine reichliche Zufuhr an basischen Valenzen über Gemüse und Obst zu achten.

Gezielte Lebensmittelwahl sorgt für gute Versorgung

Eine ausgewogene Ernährung mit verschiedenen calciumreichen Lebensmitteln kann den täglichen Bedarf an dem Mineralstoff gut decken. Eine ausreichende Zufuhr ist auch bei einer veganen Ernährung möglich. Hier können neben calciumreichen pflanzlichen Lebensmitteln angereicherte Pflanzendrinks und calciumreiche Mineralwasser entscheidend zur Versorgung beitragen. Besonderes Augenmerk sollte zudem auf einer ausreichenden Versorgung mit Vitamin D liegen. So bleibt die Knochenmasse bestmöglich erhalten und minimiert das Risiko für Osteoporose.

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Kranker Darm — was tun? Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 4/2024
Kranker Darm — was tun?


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