Diabetes: Schutz durch volles Korn
Eine gezielte Ernährung hilft Typ 2 Diabetikern ihren Gesundheitszustand deutlich zu verbessern. Vollkornprodukte können dabei eine wichtige Rolle spielen. Neuere Studien belegen ihren Nutzen jetzt auch in der Prävention.
Mediziner befürchten in den nächsten Jahrzehnten einen deutlichen Anstieg von Patienten mit Typ 2 Diabetes. Ursache ist vor allem die weltweite Zunahme von Übergewicht. Zugleich haben mehrere aktuelle Interventionsstudien beeindruckend belegt, dass veränderte Lebensgewohnheiten die Erkrankung verzögern oder sogar aufhalten können. Neben dem Abbau überflüssiger Pfunde und mehr Bewegung scheint sich insbesondere der Verzehr von Vollkornprodukten günstig auszuwirken. Auch Menschen, die bereits an Diabetes erkrankt sind, können von den Vorteilen des vollen Korns profitieren.
Im Gegensatz zum Diabetes Typ 1 liegt die Ursache des Typ 2 Diabetes darin, dass durch eine ständig erhöhte Insulinsekretion die Wirkung des Hormons an den Rezeptoren nachlässt. Neben ungünstigen Lebensgewohnheiten und Übergewicht spielt auch ein familiär bedingtes Risiko eine Rolle. Voraus geht in der Regel eine Phase mit gestörter Glucosetoleranz. Das heißt, der Blutzuckerspiegel der Betroffenen ist nach dem Verzehr einer Mahlzeit stärker erhöht als bei Gesunden. Erschreckend ist, dass zunehmend Kinder und Jugendliche Typ 2 Diabetes entwickeln. Die frühere Bezeichnung "Altersdiabetes" trifft also kaum noch zu. Obwohl sich der Typ 2 Diabetes gut durch Ernährungs- und Bewegungstherapie behandeln lässt, ist häufig zusätzlich eine medikamentöse Therapie erforderlich.
Entwicklung lässt sich stoppen
Sowohl in der Finnish Diabetes Prevention Study als auch im Diabetes Prevention Program (USA) ließ sich bei Menschen mit gestörter Glucosetoleranz die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes aufhalten. Es stellte sich heraus, dass intensive Programme, die den Lebensstil der Patienten ändern, nicht nur kostengünstiger, sondern auch effektiver sind als medikamentöse Maßnahmen. Beide Studien versuchten, den Lebensstil der Patienten zu verbessern, indem die Teilnehmer individuelle Beratung zu einer ausgewogenen Ernährung und Gewichtsabnahme erhielten. Gleichzeitig wurden sie zu mehr Bewegung motiviert. Die jeweiligen Kontrollgruppen erhielten lediglich allgemeine Hinweise zu Ernährung und Bewegung. Im Verlauf von drei Jahren verringerte sich in der Interventionsgruppe das Risiko, an Typ 2 Diabeteszu erkranken, um 58 Prozent. Die Teilnehmer wogen zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich vier Kilogramm weniger als zu Studienbeginn. Die Personen der Kontrollgruppen hatten dagegen um 0,8 Kilogramm zugenommen bzw. ihr Körpergewicht konstant gehalten. Eine medikamentöse Behandlung mit Metformin bzw. Acarbose reduzierte das Risiko im Vergleich dazu um 31 bzw. 36 Prozent. Bemerkenswert an Acarbose ist, dass der Wirkstoff das Glucose freisetzende Enzym Alpha-Glukosidase hemmt und so die Aufnahme der Kohlenhydrate in den Körper verzögert. Eine vergleichbare Wirkung lässt sich erzielen, wenn bevorzugt Vollkorn- statt Weißmehlprodukte verzehrt werden.Ernährung bei Diabetes; Vollkornprodukte schützen
Tatsächlich gibt es eine Reihe von Langzeitstudien, die einen Zusammenhang zwischen einem hohen Verzehr von Vollkornprodukten und dem Schutz vor Typ 2 Diabetes nachweisen. Erwachsene, die viel Vollkorn aßen, hatten ein 20-40 Prozent niedrigeres Risiko für Typ 2 Diabetes als Menschen, die wenig Vollkornprodukte aufnahmen. Ein hoher Vollkornverzehr reduziert häufig das Körpergewicht und senkt damit das Diabetesrisiko. Der schützende Effekt von Vollkornprodukten ließ sich in den Studien jedoch nicht allein durch ein niedrigeres Körpergewicht von Vollkornessern erklären.
Alle Beobachtungsstudien ergaben, dass ein Großteil der schützenden Wirkung von Vollkornprodukten auf deren hohen Ballaststoffgehalt zurückzuführen ist. Wissenschaftler gehen davon aus, dass der hohe Anteil an löslichen Ballaststoffen die Verdauung grundsätzlich verlangsamt. Das lässt den Blutzucker weniger ansteigen, wodurch der Körper weniger Insulin ausschütten muss. Wenn die Insulin produzierenden Beta-Zellen dauerhaft weniger stimuliert werden, schützt dies offenbar vor der Entwicklung eines Typ 2 Diabetes. Leicht verfügbare Kohlenhydrate wie Zucker oder Stärke sind deshalb eher ungünstig. Der schützende Effekt ist aber nicht nur durch eine verminderte Insulinausschüttung erklärbar. Diabetesforscher gehen vielmehr davon aus, dass kurzkettige Fettsäuren, die durch den bakteriellen Abbau von unverdaulichen Kohlenhydraten im Dickdarm entstehen, entscheidenden Einfluss nehmen: Sie erhöhen die Glucoseverbrennung in der Leber, verringern die Freisetzung von Fettsäuren und verbessern die Verstoffwechselung des Insulins.
Häufig wird der schützende Effekt einer vollkornreichen Kost auch einem niedrigen glykämischen Index (GI) zugeschrieben. Der Index beschreibt die Blutzuckerwirksamkeit von Kohlenhydraten. Lebensmittel mit niedrigem GI lassen den Blutzucker geringer und langsamer ansteigen. Vollkornprodukte haben jedoch in der Regel nur einen leicht niedrigeren GI als die entsprechenden Weißmehlvarianten. Auch fand nur eine von vier Beobachtungsstudien, dass ein Teil der schützenden Wirkung von Vollkornprodukten durch den glykämischen Index erklärt werden kann. Letztlich ist die günstige Wirkung einer Kost mit niedrigem GI auf das Diabetesrisiko nicht so eindeutig wie für Vollkornprodukte. Analysen der Nurses´ Health Study und der Health Professional´s Follow-up Study legen vielmehr nahe, dass die Kombination am wirkungsvollsten ist. Denn insbesondere Menschen, deren Kost sowohl reich an Ballaststoffen aus Getreideprodukten wie Müsli und Frühstücksflocken ist als auch einen niedrigen GI aufweist, haben ein niedrigeres Risiko für einen Typ 2 Diabetes.
Ernährung bei Diabetes: Hoher Gehalt an Magnesium wirkt positiv bei Typ 2 Diabetes
Vollkorn liefert reichlich Magnesium, auch wenn ein Teil davon nicht optimal verfügbar ist. Die Nurses´ Health Study und die Iowa Women´s Health Study ergaben, dass auch die hohe Magnesiumaufnahme durch reichlich Vollkorn auf dem Speiseplan zum Schutz vor Typ 2 Diabetes beiträgt. Inzwischen zeigen weitere aktuelle Untersuchungen einen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe der Magnesiumaufnahme und dem Diabetesrisiko. Ferner lässt eine Fall-Kontrollstudie vermuten, dass ein niedriger Magnesiumspiegel im Blut das Auftreten eines metabolischen Syndroms begünstigt, also die Kombination von gestörter Glucosetoleranz mit Übergewicht, Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen. Häufig scheiden Menschen mit gestörter Glucosetoleranz über die Niere bereits vermehrt Magnesium aus. Ursachen sind der erhöhte Blutzuckerspiegel und eine beeinträchtigte Insulinantwort. Durch die erhöhte Ausscheidung an Magnesium kann es zu einem Mangel kommen, der nicht nur die Insulinsensitivität weiter verschlechtert, sondern auch die Entstehung von Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und anderen Herz-Kreislauferkrankungen zu begünstigen scheint. Letztlich tragen wohl auch die in Vollkornprodukten enthaltenen Antioxidanzien, Phenolverbindungen und Phytoöstrogene zum Schutz vor Typ 2 Diabetes bei.
Hilfe für eine bessere Stoffwechseleinstellung
Menschen mit Diabetes haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sowie für diabetesbedingte Nieren-, Augen- und Nervenschäden. Mittlerweile ist Diabetes in den meisten entwickelten Ländern die vierthäufigste Todesursache. Betroffene brauchen deshalb lebenslang eine gute Stoffwechselführung. Ideal ist eine Kost, die reich an Vollkornprodukten, Obst und Gemüse ist. Denn der hohe Ballaststoffanteil trägt zu einer besseren Kontrolle des Blutzuckers bei und hilft so Folgeerkrankungen zu vermeiden. Eine solche Ernährungsweise hilft zudem, aufgrund ihres hohen Gehaltes an löslichen Ballaststoffen, LDL-Cholesterinwerte und erhöhte Blutdruckwerte zu senken. Weil die meisten Menschen mit Typ 2 Diabetes übergewichtig sind, sollte die Tatsache, dass eine solche Ernährung den Verlust überflüssiger Pfunde erleichtert, nicht unterschätzt werden. Schon ein um fünf bis zehn Prozent reduziertes Körpergewicht verbessert die Stoffwechsellage erheblich und senkt so das Risiko für Folgeerkrankungen.