Wohl bekomm’s: Ballaststoffreich essen
Ballaststoffe sind gesund – das haben sicher alle Gesundheitsinteressierten schon mal gehört. Trotzdem essen die meisten zu wenig davon. Dabei lässt sich der Faseranteil in der genussvollen Alltagskost leicht steigern.
Ernähren Sie sich ballaststoffreich!" Diesen Rat sollten alle beherzigen. Aber mal ehrlich – für wen klingt das schon verlockend? Appetitlicher liest sich da schon: Frühlingsfrischer Couscoussalat mit Wildkräutern und Limettengremolata, mediterrane Linsenpaté an Salatbouquet mit Knusperbrot oder Kartoffelwaffel mit Kresseschmand und Radieschentartar. Was so blumig formuliert einer Speisekarte der gehobenen Gastronomie entsprungen sein könnte, ist kreative vegetarische Küche – und eine aufs Beste in die Praxis umgesetzte ballaststoffreiche Kost. Niemand muss zum Gourmetkoch werden, um leckere Gerichte solcher Art zubereiten zu können. Wichtig ist aber die Bereitschaft, mit frischen Zutaten zu kochen und Neues zu entdecken.Nach den Empfehlungen der DGE sollten wir rund 30 Gramm Ballaststoffe täglich essen. Tatsächlich kommen hierzulande 68 Prozent der Frauen und sogar drei Viertel der Männer nicht auf diese Mengen. Anhängern der Vollwert-Ernährung fällt es dagegen leicht, 40 Gramm und mehr am Tag zu erreichen. Ganz einfach, weil sie reichlich frische, pflanzliche Lebensmittel und Vollkornprodukte bevorzugen und auch Nüsse und Samen ihren Speiseplan bereichern.
Der Blick in die Nährwerttabelle verwirrt dagegen eher. Lebensmittel, die mindestens sechs Gramm Ballaststoffe pro 100 Gramm enthalten, gelten nach EU-Recht als ballaststoffreich. Kokosraspel können beispielsweise mit 24 Gramm pro 100 Gramm wuchern. Dagegen sehen Kartoffeln mit ihren zwei Gramm eher blass aus. Allerdings ist eine solche Portion Kartoffeln locker zu schaffen. Kokosraspel essen die meisten – wenn überhaupt – in Portionen von fünf bis zehn Gramm und selten täglich. Laut Nährwerttabelle glänzen weiße Bohnen mit über 20 Gramm Ballaststoffen in 100 Gramm. Der Wert bezieht sich allerdings auf die getrockneten Bohnen. Mit Wasser gequollen und gegart, reduziert sich die Menge auf ein Drittel bis ein Viertel oder es müssten 300 bis 400 Gramm gekochte Bohnen gegessen werden.
Keine hochdosierten Ballaststoffpakete
Die reinen Zahlenwerte aus den Nährwerttabellen könnten dazu verleiten, einzelne Ballaststoffpakete wie Leinsamen oder isolierte Weizenkleie herauszupicken, um damit das Essen einfach anzureichern. Tatsächlich werben die Hersteller solcher Produkte oft für deren Einsatz zum Aufwerten der Mahlzeiten. Doch wie bei anderen Inhaltsstoffen auch: die Abwechslung macht’s! Während Vollkornprodukte überwiegend unlösliche Fasern liefern, sind Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte gute Quellen für lösliche Ballaststoffe. Beide Gruppen sind wichtig. Gleichzeitig sorgt eine abwechslungsreiche Zusammenstellung dafür, dass auch Vitamine und Mineralstoffe reichlich aufgenommen werden. Mit isolierten Konzentraten ist das kaum zu schaffen. Wer sich zu schnell sehr viele Ballaststoffe zumutet, gerade in Form isolierter Produkte, muss zudem mit Darmproblemen wie Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall oder auch Verstopfung rechnen.
Trinken nicht vergessen
Beim Umstellen auf eine faserreichere Kost ist es besonders wichtig, gleichzeitig ausreichend zu trinken. Denn Ballaststoffe binden viel Flüssigkeit und können auch nur dann ihre positiven Wirkungen optimal entfalten. Wer sich bisher mit unerhitzten Salaten jenseits von Kopfsalat, Tomaten und Gurken schwer tut und besonders weiße Brötchen, Nudeln und Reis sowie täglich Fleisch und Wurst isst, braucht längere Zeit, damit sich der Darm an höhere Ballaststoffmengen gewöhnt. Bei der Umstellung ist es ratsam, anfangs die Gemüseportionen aufzustocken, die bereits gegessen und gut vertragen werden. Um die Vielfalt zu steigern, lassen sich nach und nach neue Gemüsearten einführen, zunächst bissfest gegart und später öfter auch mal roh. Der gewohnte Salat lässt sich allmählich um festere Gemüsearten wie geraspelte Möhren, Pastinaken, Rettich, Brokkoli, Blumenkohl, oder Weißkohl erweitern. Ein Esslöffel gehackte Nüsse und Saaten wie Mandeln oder Sesam sorgt für ein weiteres Plus auf dem Ballaststoffkonto.
Ballaststoffe geschickt verpackt
Ein sanftes Mehr an Ballast bieten schonend gegarte Gemüsesuppen, eventuell püriert und zum Beispiel abends als Trinksuppe serviert – da ist zusätzliche Flüssigkeit schon gleich dabei. Auch die trendigen grünen Smoothies helfen beim Aufstocken der Zufuhr. Mit solch frisch gemixten Drinks ist in ein bis zwei Portionen sogar ein Kopf Salat oder 100 Gramm Petersilie zu schaffen. Für den runden Geschmack und die Cremigkeit sorgen ein Löffel fein pürierte Cashewkerne oder Mandeln, etwas Zitrone oder frischer Ingwer sowie Obst nach Geschmack. Wer sich daran gewöhnt, bei jeder Mahlzeit frisches Gemüse einzubeziehen – in welcher Form auch immer –, kommt schneller auf eine ausreichende Ballaststoffportion.
- Steigern Sie den Ballaststoffanteil Ihrer Kost langsam.
- Beginnen Sie mit gegartem Gemüse und -suppen. Erhöhen Sie nach und nach den Rohkostanteil über geraspelte Gemüse und Gemüsesticks zwischendurch.
- Tauschen Sie beim Backen Weißmehl gegen dunklere Mehle und später gegen Vollkornmehl aus.
- Bevorzugen Sie die Vollkornvariante bei Brot, Brötchen und Gebäck.
- Wenn Sie Hülsenfrüchte noch nicht gewöhnt sind, starten Sie am besten mit geschälten gelben und roten Linsen und gekeimten Hülsenfrüchten.
- Bevorzugen Sie natürliche Lebensmittel statt isolierter Kleieprodukte.
Ballaststoffreich essen
Wer lieber Obst mag, sollte saisonabhängig öfter zu Sorten wie unerhitzten Beeren (Heidelbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren) oder Äpfeln und Birnen greifen. Eine Rote Grütze aus ganzen Beeren punktet mit durchschnittlich vier Gramm Ballaststoffen pro 100 Gramm und ist herrlich mit etwas Sahnejoghurt oder Vanillesoße zu löffeln. Avocados bringen mehr als sechs Gramm Ballaststoffe pro 100 Gramm mit. Ihr Fruchtfleisch schmeckt einfach auf frisches Vollkornbrot gestrichen mit etwas Kräutersalz schon gut. Zudem lassen sie sich vielseitig zu leckeren Aufstrichen verarbeiten, sowohl pikant – wie die mexikanische Guacomole – als auch süß, zum Beispiel mit Honig und Orange. So ist schnell mal die ballaststofffreie Wurst oder der Käse gegen ein paar Gramm der guten Stoffe ausgetauscht.
Brote aus vollem Korn
Im Land der großen Brotvielfalt wundert es nicht, dass Brot und Backwaren die Hauptquellen für Ballaststoffe in unserer Kost sind. Wer hier auf Vollkorn umsteigt, bessert seine Versorgung schnell auf. Im Vergleich zu hellem Weizenmehl Type 405 bietet das dunklere Weizenmehl Type 1050 schon etwa doppelt so viele Ballaststoffe und Weizenvollkornmehl etwa viermal so viel. Bei selbst zubereiteten Teigen, zum Beispiel für Pfannkuchen, Gebäck, Quiche oder Brot und Brötchen, lässt sich anfangs die halbe Menge an Weißmehl gut gegen Vollkornmehl austauschen. Der Teig braucht dann nur etwa 10-20 Prozent mehr Flüssigkeit. Das kommt geschmacklich bei Groß und Klein an, da es kaum auffällt. Nach und nach kann dann der Vollkornanteil mehr und mehr gesteigert werden. Das Ballaststoffkonto punktet deutlich, ohne dass es den Darm überfordert.
Feinvermahlene Vollkornbrote werden von Vollkorneinsteigern anfangs besser akzeptiert. Dabei ist auf den Begriff Vollkorn im Brotnamen zu achten – das steht für mindestens 90 Prozent Vollkorn im Mehlanteil. Wer unterschiedliche Sorten probiert, findet schnell das Brot, das ihm schmeckt und bekommt. Für den einen ist es das vollkornige Roggensauerteigbrot, der andere bevorzugt dünnes Vollkornknäcke und der nächste das kräftig-malzige Pumpernickel oder feine Weizenvollkornbrotscheiben, die kurz in den Toaster wandern. Manche greifen gerade morgens auch lieber zum Müsli: Mit etwa 60 Gramm Vollkornflocken, einer Portion Obst (150 g) und noch einem Esslöffel Nüssen startet man schon mit einem Drittel der empfohlenen Ballaststoffmenge gut in den Tag.
Mit Hülsenfrüchten langsam anfangen
Vollkornnudeln liefern mehr als den doppelten Ballaststoffgehalt gegenüber den hellen Varianten. Sie finden sich heute in jedem Supermarkt in vielen Formen, die je nach Hersteller durchaus unterschiedlich schmecken. Hier ist probieren angesagt. Für den Einstieg in die Getreideküche eignen sich außerdem gut Vollkornreis, Couscous, Bulgur, Polenta (Maisgrieß) und Hirse. Recht beliebt sind im Kochbeutel erhältliche, vorgegarte Weizenkörner, die etwa dreimal so viele Ballaststoffe aufweisen wie Naturreis. Als Ballaststofflieferanten liegen Erbsen, Bohnen und Linsen klar vorn. Gegessen werden sie allerdings eher selten. Wer Hülsenfrüchte nicht gewohnt ist, startet besser behutsam mit geschälten gelben und roten Linsen oder mit gekeimten Hülsenfrüchten. Sie sind leichter bekömmlich und schneller gar.
Ob Gemüse, Vollkornprodukte oder Hülsenfrüchte – wer offen für neue Lebensmittel ist, wird feststellen, welche Vielfalt ihm bislang gefehlt hat. Die Ballaststofflieferanten lassen sich immer wieder neu in unterschiedlichen Zubereitungen als Pfannengericht, Auflauf, Suppe, Salat oder Aufstrich ausprobieren. Mal gewürzt mit heimischen Kräutern oder auch mal exotisch mit Curry, Kardamom oder Ingwer. Jeder wird auf seinen Geschmack kommen. Besonders Gewürze aus den Familien der Dolden- und Lippenblütler wie Kümmel, Kreuzkümmel, Fenchel, Oregano und Bohnenkraut beruhigen den Darm. Treten Bauchgrummeln oder andere Beschwerden auf, sollte genauer geprüft werden: Wird genug getrunken? Isst der Betroffene vielleicht viel Zuckerreiches? Wird in Ruhe gegessen und ausreichend gekaut? Wie sieht’s mit Bewegung aus? Mit jedem Puzzlestein kommt man einem bekömmlichen, ballaststoffreichen Essen näher. Entscheidend ist nicht, sich etwas vorzunehmen, sondern es zu tun – ruhig in kleinen Schritten, aber beständig.
Quelle:Fromme, S.: "Wohl bekomm's - Faserreich essen" UGB-Forum 4/12, S. 169-171
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