Wie ist der zunehmende Verzehr von Sojalebensmitteln gesundheitlich zu bewerten?
Gegen den gelegentlichen Verzehr traditioneller und naturbelassener Lebensmittel aus Sojabohnen ist nichts einzuwenden. Ein hoher Verzehr sojahaltiger Fertigprodukte ist jedoch weder gesundheitlich noch ökologisch sinnvoll. Abzuraten ist von Muttermilchersatznahrungen auf Basis von Sojaprotein für Säuglinge und Isoflavonpräparaten für Frauen in und nach der Menopause.
© sigrid rossmann/pixelio.deDer Markt an Lebensmitteln aus Soja und mit Sojabestandteilen ist in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen. Aus Sojabohnen wird nicht mehr nur ein preiswertes Öl gewonnen, der Emulgator Lecithin isoliert, die traditionellen Sojaprodukte wie Tofu, Tempeh, Sojasauce und Miso hergestellt, sondern eine große Palette an verarbeiteten Fleischersatzprodukten aus Tofu und isoliertem Sojaprotein (TVP) produziert sowie das preiswerte Mehl und isolierte Protein zum Strecken von Brot, Keksen, Nudeln, Saucen, Cremes und anderem eingesetzt.
Die Sojabohne ist mit einem Proteingehalt von 34-38% eines der proteinreichsten Lebensmittel. Im Vergleich zu den meisten anderen pflanzlichen Proteinquellen weist sie außerdem eine sehr hohe Proteinqualität auf. Der "Siegeszug" der Sojavermarktung wurde früher durch die Einschätzung der sekundären Pflanzenstoffe in der Sojabohne verhindert. Die Saponine, die Phytinsäure (die Mineralstoffe bindet und so deren Resorption verringert) und vor allem die Proteaseinhibitoren, die die eiweißspaltenden Verdauungsenzyme hemmen, wurden ausschließlich negativ beurteilt. Letztere können durch Hitzebehandlung bei der Herstellung oder im Haushalt inaktiviert werden und sind dann gesundheitlich unbedenklich. Mittlerweile werden für sie jedoch, ebenso wie für die Phytinsäure, sogar positive Krebs vorbeugende Effekte diskutiert.
Soja schütz vor Herzerkrankungen?
In den Fokus der gesundheitlichen Betrachtung von Soja sind in den letzten Jahren die Isoflavone und das Sojaprotein gerückt. Die Aufnahme von isoflavonhaltigem Sojaprotein wird als Schutz vor kardiovaskulären Erkrankungen angepriesen. In einigen Studien konnte durch Gabe von Sojaprotein ein sinkender Spiegel an LDL-Cholesterin und Triglyceriden bei gleichzeitigem Anstieg des HDL-Cholesterins beobachtet werden. Vermutlich sind diese positiven Veränderungen aber auf das Sojaprotein selbst und weniger auf die enthaltenen Isoflavone zurückzuführen, denn diese zeigen in isolierter Form keine Wirkung auf die Blutfette.
Die ersten Studien waren so überzeugend, dass die Bewerbung von Isoflavonen als „Herzschutz“ in der Health-Claims-Verordnung kurzzeitig erlaubt wurde. Seitdem gibt es weitere Studienergebnisse und Meta-Analysen, die die Lipid senkenden Effekte in deutlich geringerem Ausmaß nachweisen. In der seit Dezember 2012 gültigen Fassung der Verordnung findet man deshalb keine Aussagen mehr über Isoflavone. Weitere Studien weisen darauf hin, dass Sojaprotein einen günstigen Einfluss auf den Blutdruck hat und dass Isoflavone möglicherweise die Endothelfunktion verbessern.
Wirkung auf Wechseljahresbeschwerden nicht belegt
Asiatinnen kennen in ihren Heimatländern praktisch keine Wechseljahresbeschwerden (dies ändert sich jedoch, wenn sie in westlichen Ländern leben). Die Begründung soll im reichlichen Sojaverzehr in Asien mit entsprechend höherer Aufnahme an Isoflavonen, die zu den Phytoöstrogenen zählen, liegen. Die wissenschaftlichen Studien zeigen sowohl positive als auch negative Wirkungen von Isoflavonen. Günstige Effekte auf Wechseljahresbeschwerden und auch ein Schutz vor Osteoporose sind nicht eindeutig belegt. Langzeitstudien zur Sicherheit von isoflavonhaltigen Präparaten gibt es ebenso wenig wie eine Empfehlung für die maximale Tagesdosis.
Als Nebenwirkungen isoflavonhaltiger Präparate sind Übelkeit, Verstopfung und Hautrötungen bekannt. Die aktuelle Studienlage ist widersprüchlich in Bezug auf die Beteiligung von Sojaisoflavon bei der Entstehung von Brustkrebs. Während Zell- und Tierstudien auf negative Auswirkungen des Sojakonsums hinweisen, zeigte sich ein gegenteiliger Effekt bei Bevölkerungsstudien. Diese, meist in Asien durchgeführten, Untersuchungen weisen überwiegend darauf hin, dass ein höherer Konsum von Soja sich präventiv auswirkt. Mögliche Erklärungen dafür könnte die antioxidative und antiinflammatorische Wirkung der Isoflavone sein. Auch wird diskutiert, ob Isoflavone über Östrogenrezeptoren bestimmte Signalwege beeinflussen. Insbesondere in Asien zeigt sich, dass ein höherer Verzehr von Sojaprodukten bereits ab der Kindheit mit einem niedrigeren Brustkrebsrisiko im späteren Leben einhergeht. Eine Auswertung der Multiethnic Cohort Study aus dem Jahr 2012 ergab auch bei Endometriumkrebs ein niedrigeres Risiko postmenopausaler Frauen bei höherem Konsum isoflavonhaltiger Lebensmittel; dieses Ergebnis muss jedoch durch weitere Studien abgesichert werden.
Extraportion Isoflavone
Nahrungsergänzungsmittel mit Isoflavonen werden auf Basis von Soja- oder Rotklee-Extrakten hergestellt. Sie enthalten sehr unterschiedliche Gehalte an Isoflavonen, meist 20-100 mg als empfohlene Tagesmenge, zum Teil bis zu 150 mg. Es gibt weder gesetzlich festgelegte Standards für die Extraktherstellung noch allgemein empfohlene Aufnahmemengen für Phytoöstrogene.
Über Lebensmittel werden in Europa etwa 2-5 mg, in Asien hingegen 15-40 mg pro Tag aufgenommen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät Frauen in und nach der Menopause generell von der längerfristigen Einnahme isoflavonhaltiger Nahrungsergänzungsmittel ab. Explizit werden Frauen, die schon an Brustkrebs erkrankt sind oder Frauen, in deren Familien Brustkrebs aufgetreten ist, vor der Einnahme dieser Präparate gewarnt. Gegen den Verzehr isoflavonhaltiger Lebensmittel werden vor diesem Hintergrund seitens des BfR keine Bedenken erhoben. Personen mit Störungen der Schilddrüse sollten bei einer sojareichen Ernährung besonders auf eine ausreichende Jodversorgung achten. Bei schilddrüsengesunden Erwachsenen ergibt sich aus den Ergebnissen der vorliegenden Studien jedoch kein Risiko bei der Aufnahme von isoflavonhaltigen Sojaprodukten.
Milchersatz auf Sojabasis
Für Säuglinge sind Muttermilchersatznahrungen auf Basis von Sojaproteinisolaten aufgrund ihres Gehaltes an Aluminium, Phytat und Phytoöstrogenen in die Kritik geraten. Negative Effekte der Isoflavone auf die Fortpflanzungsorgane, das Immunsystem und die Schilddrüse der Säuglinge sind nicht auszuschließen. Die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin rät von diesen Produkten auch für allergiegefährdete Kinder ab. Während die einen Sojaprodukte als Ersatz bei einer Kuhmilcheiweißallergie oder Laktoseintoleranz schätzen, kann die vielfältige Verwendung von Sojabestandteilen in der Lebensmittelindustrie für andere gerade das Problem darstellen. Nicht nur für Sojaallergiker sondern auch für 10-20 % der Pollenallergiker, die eine Kreuzallergie zu Sojaeiweiß entwickeln können, können sojahaltige Lebensmittel problematisch sein.
Bio-Soja aus Deutschland
Fazit: Der Speiseplan sollte nicht durch Nahrungsergänzungsmittel mit Isoflavonen ergänzt werden und Säuglinge keine Muttermilchersatznahrung auf Sojabasis erhalten. Gegen einen gelegentlichen Verzehr traditioneller Sojaprodukte wie Sojamilch, Tofu, Sojasauce usw. ist nichts einzuwenden. Von einem hohen Verzehr stark verarbeiteter Fertigprodukte, sowohl mit als auch ohne Sojabestandteile, ist aber abzuraten. Der Großteil des weltweit angebauten Sojas geht in die Tiermast. Auch Deutschland importiert zu diesem Zweck erhebliche Mengen an Soja, was zu einem hohen Energie- und Ressourcenverbrauch führt. Bevorzugt werden sollten ökologisch erzeugte Sojaprodukte. Die deutschen Bio-Hersteller von Tofu und Tempeh beziehen inzwischen den Großteil ihrer benötigten Sojabohnen aus deutschem Anbau, ergänzt durch Importe aus Österreich, Frankreich und Italien. Anbauprojekte, um Sojabohnen besser an die klimatischen Bedingungen in Deutschland anzupassen, sind in vollem Gange, sodass zukünftig bei der Produktion ökologischer Lebensmittel mit einer weitgehenden Soja-Selbstversorgung gerechnet werden kann.
Wiebke Franz
Aktualisiert und überarbeitet: Sophie Braunstein, Hans-Helmut Martin, März 2015
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Stand: 2015