Achtsam gesund und glücklich
Unser Alltag ist überfüllt mit Tun. Wer aber den Moment bewusst wahrnimmt, kann intensiver genießen. Nicht nur beim Essen. Mit Übungen für mehr Achtsamkeit lassen sich Stress abbauen, Krankheitssymptome lindern und mehr Lebensqualität gewinnen.
© frankie‘s/Fotolia.comHaben Sie auch das Gefühl, in einer Zuvielisation zu leben? Überfordern die Fülle, Dichte und Intensität der täglichen Anforderungen und Entscheidungen Ihre Kapazitäten für ein wohlgespanntes Da-Sein? Haben Sie manchmal das Gefühl, zu oft auf Impulse von außen zu reagieren und dabei den Sinn für Ihren eigenen Lebensweg zu verlieren? Vielleicht geht es Ihnen auch so wie immer mehr anderen Menschen, für die die Geschwindigkeit und Zerstreutheit des Alltags mit dem eigenen inneren Lebenstakt und Lebenssinn kaum in Einklang zu bringen sind. Die dadurch entstehende dauerhafte Anspannung kostet Kraft und belastet. Diese Erkenntnis ist sicher ein wichtiger Grund für das kollektiv wachsende Interesse an Achtsamkeit, Meditation und Kontemplation.
Wann haben Sie zum letzten Mal das Gefühl gehabt, im Moment zu verweilen und von Herzen mit allen Sinnen seine Schönheit und das Wunder des Lebens zu empfinden? In diesen Augenblicken breitet unsere Seele ihre Flügel aus und verbindet sich ruhig und kraftvoll mit dem lebendigen Universum. Dann fühlen wir uns im Takt oder im Fluss. Wir fühlen inneren Frieden und die Verbindung mit uns selbst, mit anderen Menschen, vielleicht auch mit Tieren und mit der Natur.
Im Moment verweilen
Achtsamkeitsfördernde Methoden und Programme regen genau das an, was uns im Alltag fehlt: sinnenvolle Präsenz im gegenwärtigen Augenblick mit einer offenen, wertschätzenden und gelassenen Haltung, die dem SEIN Aufmerksamkeit, Zeit und Zuwendung gibt. Yoga, Qigong und Taiji chuan, Meditation, aber auch einfach nur das achtsame Spüren des Körpers, das bewusst sinnenbezogene Gehen, Essen oder einander Anschauen zählen zu den Methoden der Achtsamkeit. Dabei wird das achtsame Verweilen im Moment meist als sehr entlastend, beruhigend und auch als beglückend erlebt. Unser Alltag ist überfüllt mit TUN. Wahrhaft in Frieden und glücklich sein können wir aber meist nur, wenn wir aus dem Hamsterrad aussteigen und ins SEIN finden. Deshalb sprechen wir vom Glücklichsein und nicht vom Glücklichtun.
Beim Essen wird die Schnelllebigkeit des Alltags besonders deutlich. Viel zu oft essen wir unter Zeitdruck oder im Vorbeigehen. Dabei bieten gerade unsere Mahlzeiten ideale Momente, in denen sich Achtsamkeit wie von selbst einstellen kann. Besonders intensiv nehmen Fastende die erste Mahlzeit nach den Tagen des Verzichts wahr, wenn sie mit wachen Sinnen in ihre erste gekochte Kartoffel oder ihren ersten Apfel beißen. Achtsamkeit beim Essen lässt sich aber auch im Alltag wunderbar üben, wenn wir uns einen Moment Zeit nehmen (siehe Kasten).
Wenn wir gesunde Nahrungsmittel zubereiten, servieren und essen, dann schauen, fühlen, riechen, schmecken wir ihre vielfältigen Qualitäten, die uns ernähren. Gesunde Nahrung können wir zutiefst sinnlich erleben, wenn wir mit unserer Aufmerksamkeit wach und präsent anwesend sind. Unsere Sinne weisen uns dann den Weg zu einer für uns sinnvollen Ernährung. Die Möglichkeiten der Verbindung von Achtsamkeitsübungen im Rahmen der Ernährungsberatung und Lehrküche, in der Fastenbegleitung, Suchttherapie oder Appetitschulung sind vielfältig.
Achtsames Essen
Nehmen Sie sich eine gekochte Kartoffel, einen Apfel oder eine Rosine. Vielleicht mögen Sie eine Kerze anzünden. Schauen Sie die Frucht an, was genau sehen Sie? Vergegenwärtigen Sie sich, wo die Frucht herkommt, wie Erde, Wasser, Sonne, Pflanzen, Insekten und Menschen daran beteiligt waren, dass sie jetzt vor Ihnen liegt. Sie ist ein Teil des Wunders des Lebens. Möglicherweise empfinden Sie Staunen und Dankbarkeit.
Nehmen Sie sich Zeit für das Tasten. Was nehmen Sie wahr? Spüren Sie das Gewicht der Frucht in Ihrer Hand, die Wärme, die Oberfläche, das Raue oder Glatte. Was riechen Sie? Können Sie den Geruch beschreiben? Vielleicht nehmen Sie Speichelfluss in Ihrem Mund wahr. Wie fühlt sich die Frucht an den Lippen an? Wie im Mund? Zwischen den Zähnen? Beim Kauen und Schlucken? Wie viel von der Frucht möchten Sie essen? Wann ist es genug? Woran spüren Sie das? Wie möchten Sie die Mahlzeit beenden? Und was empfinden Sie jetzt? Was haben Sie anders gemacht als beim gewohnten Essen im Alltag? Und was haben Sie dadurch erlebt?
Wechsel zwischen TUN und SEIN
Wir sind Naturwesen und brauchen wie alles in der Natur rhythmische Wechsel von Aktivität und Ruhe, von nach Außen gerichtetem TUN und von eher nach innen orientiertem, empfangendem Da-SEIN. Wenn dieser Wechsel im Alltag auf Dauer fehlt, treiben wir Raubbau an unseren Ressourcen für Gesundheit, Gesundung und Glücklichsein. Denn unser Geist und unser Körper nehmen Schaden, wenn wir dauernd unter Anspannung stehen. Wissenschaftliche Meta-Analysen zeigen, dass mehrwöchige Achtsamkeitsprogramme Symptome von Angst, Depressivität oder Stress lindern können und die Lebensqualität sowie die körperliche Funktionsfähigkeit erhöhen. Von den regelmäßigen Übungen profitieren Patienten mit Herz-Kreislauf- oder Krebs-Erkrankungen und chronischen Schmerzen ebenso wie gesunde Erwachsene und Kinder.
Quelle: Altner N. UGBforum 5/16, S. 235-236