Betriebliches Gesundheitsmanagement: analysieren - koordinieren - evaluieren
Betriebliche Gesundheitsmanager ermitteln die gesundheitlichen Schwachstellen in Unternehmen. Sie koordinieren präventive Maßnahmen und überprüfen die Ergebnisse. Das macht sich für die Firma nicht nur finanziell bezahlt, sondern steigert auch die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter.
Die Gesundheit der Arbeitnehmer zu fördern ist in modernen Unternehmen immer häufiger Bestandteil der Unternehmensphilosophie. Dadurch ist die Nachfrage nach Gesundheitsmanagern für Betriebe in den letzten Jahren stark gestiegen. Viele Firmen haben erkannt, dass die Mitarbeiter und ihre Gesundheit ebenso wichtig sind wie Produktivität und betriebswirtschaftlicher Erfolg. Selbst hartgesottene Firmenchefs werden bei den Zahlen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin nachdenklich: Im Jahr 2001 war ein Arbeitnehmer durchschnittlich 14,6 Tage pro Jahr krank. Insgesamt gab es in Deutschland 508 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage und der volkswirtschaftliche Verlust an Arbeitsproduktivität belief sich auf 70,75 Millionen Euro.
Muskel- und Skelettbeschwerden liegen vorn
Fast ein Drittel der Fehlzeiten ist auf Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems zurückzuführen wie Bandscheibenschäden, Rücken- oder Gelenkleiden. Es folgen Erkrankungen der Atemwege, Unfälle und Verletzungen sowie psychische und verhaltensbedingte Erkrankungen. Arbeitsschutz-Experten fordern deshalb eine intensive Prävention. Dazu gehören auch eine neue Form der Kommunikation in den Unternehmen sowie eine Anpassung der Führungsstile beim Personalmanagement. Das bedeutet beispielsweise, die Bedürfnisse der Mitarbeiter stärker zu berücksichtigen und ihre individuellen Stärken besser in den Arbeitsprozess einzubinden.
Einen großen Einfluss haben natürlich auch gesundheitsschädigende Verhaltensweisen am Arbeitsplatz, zum Beispiel fehlende Schutzausrüstungen wie Sicherheitsschuhe oder Gehörschutz. Auch einseitige körperliche Belastungen, mangelnde Führungskompetenz der Vorgesetzten, Stress oder exzessiver Alkoholkonsum mindern das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Genau hier setzt die Arbeit der Gesundheitsmanager in Unternehmen an. Als Spezialisten verfügen sie über das Fachwissen, ein funktionierendes Gesundheitsmanagement einzuführen und können dazu beitragen, krankheitsbedingte Fehlzeiten zu reduzieren.
Am Anfang steht eine gründliche Analyse
Ein wichtiges Instrumentarium der Betrieblichen Gesundheitsmanager sind die verschiedenen Analyseebenen. Anhand der firmeninternen Daten über die Fehlzeiten der Beschäftigten erhalten sie erste statistische Anhaltspunkte. Durch den so genannten Gesundheitsbericht der Krankenkassen werden diese vertieft. Der Bericht liefert beispielsweise Informationen über gehäuft auftretende Erkrankungen der Versicherten im jeweiligen Betrieb. Um Fehlinterpretationen bei der Bewertung auszuschließen, werden weitere Analyseinstrumente eingesetzt. Wichtig sind etwa Arbeitsplatzbegehungen, bei denen Gefährdungsanalysen angefertigt werden, schriftliche Mitarbeiterbefragungen oder die Durchführung von Gesundheitszirkeln. In diesen Gesprächsrunden können die Mitarbeiter über Gesundheitsprobleme berichten und Lösungsvorschläge erarbeiten.
Gesundheitsmanager steuern auch die Diskussionen im Arbeitskreis Gesundheit. Sie stimmen mit den Entscheidungsträgern klare Zielwerte und Aufgabenprioritäten ab (zum Beispiel Senkung des Krankenstandes), schlagen den Firmen anhand der Analyseergebnisse Interventionsmaßnahmen vor und optimieren so die Betriebsprozesse. Dabei arbeiten sie eng mit anderen betrieblichen Entscheidungsträgern zusammen. Ihre Kooperationspartner sind die Sicherheitsfachkräfte, die Betriebsärzte, der Betriebsrat, die Personalabteilung, die Unternehmensleitung und Vertreter der Mitarbeiter.
Gesundheitsfördernde Maßnahmen initiieren
Um die verschiedenen Meinungen, Wünsche und Interessen in den Betrieben zu lenken und zu koordinieren, bedarf es neben Fachwissen auch eines ausgeprägten Gespürs für Stimmungen und eines einfühlsamen Umgangs mit Menschen. Kommunikative Fähigkeiten im Gesundheitsmanagement sind oft der Schlüssel, sensible Veränderungen zu initiieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine gewisse "Betriebsblindheit" wichtige Prozesse blockiert oder altgediente und starre Abläufe aus traditionellen Aspekten nicht geändert werden sollen.
Gesundheitsmanger wählen die gesundheitsfördernden Maßnahmen aus, die speziell für das Unternehmen sinnvoll und umsetzbar sind . Es ist nicht erforderlich, alle Aktivitäten selbst durchzuführen. Entscheidend ist viel mehr, die Maßnahmen zu koordinieren. Oft arbeiten Betriebliche Gesundheitsmanager mit betriebsfremden Experten wie Physiotherapeuten, Ernährungsberatern oder Kommunikationstrainern zusammen. Diese gestalten beispielweise Gesundheitsevents wie einen "Tag der Gesundheit", führen ergonomische Rückenschulungen am Arbeitsplatz durch, geben Ernährungsseminare und bieten Herz-Kreislauf-Training oder Progressive Muskelentspannung an. Durch die Kooperation mit diesen Spezialisten verstärken Gesundheitsmanager ihre Kompetenz und helfen, die betrieblichen Ziele glaubhaft und erfolgreich realisieren zu können.
Erfolge müssen messbar sein
Natürlich müssen Gesundheitsmanager ihre Arbeit ständig auf Erfolg und Wirksamkeit hin überprüfen. Die erzielten Gesundheitseffekte wie verbessertes Befinden, seltenere Beschwerden, höhere Arbeitszufriedenheit und weniger Krankheitstage müssen ermittelt und dokumentiert werden. Auch die Effizienz der ergriffenen Maßnahmen, das heißt die Relation von Aufwand und Ertrag, und wie lange die erreichten Veränderungen andauern, muss sichtbar gemacht werden. Für diese Evaluation werden die Mitarbeiter vor und nach Beendigung der Maßnahmen befragt und die Ergebnisse verglichen. Zusätzlich sind die Protokolle der Gesundheitszirkeltreffen auszuwerten. Entscheidend ist hierbei eine offene, sanktionsfreie Gesprächskultur. Nur so lassen sich die Faktoren, die die Beschäftigten belasten, ermitteln und mögliche Lösungen gemeinsam finden.
"Inselprojekte" in Form von isolierten Einzelmaßnahmen wie beispielsweise ein Rückenschulkurs oder eine einmalige Aktion in der Kantine machen wenig Sinn. Nur langfristig angelegte Projekte können dauerhafte Veränderungen im Gesundheitsmanagement bewirken. Die Überprüfung und gegebenenfalls Neuanpassung der Ziele ist wichtig. Nach Beendigung der Maßnahmen dokumentieren Betriebliche Gesundheitsmanager den Erfolg der Ergebnisse und präsentieren ihn vor den betrieblichen Entscheidungsträgern.
Investitionen in die Gesundheit lohnen sich
Der betriebswirtschaftliche Nutzen eines erfolgreichen Gesundheitsmanagements ist messbar. Eine aktuelle Studie von der Unternehmensberatung Kienbaum ermittelte den so genannten Return-On-Invest (ROI) bei 1:1,34 bis 24,5. Das heißt, ein Euro investiertes Geld in das Gesundheitsmanagement bringt dem Unternehmen einen Gewinn zwischen 1,34 und 24,5 Euro.
Der Gesetzgeber hat zudem erst kürzlich beschlossen, dass Betriebe alle erdenkbaren Präventionsmaßnahmen ergreifen müssen, um ihren Arbeitnehmern die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Durch das zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene Gesundheitsmodernisierungsgesetz erhalten die gesetzlichen Krankenversicherungen die Möglichkeit, Unternehmen und Versicherten einen Bonus für die betriebliche Gesundheitsförderung zu gewähren. Nach dieser "Kann-Regelung" können die Kassen den Unternehmen ein Prozent des Arbeitgeberanteils der Krankenkassenbeiträge erlassen, wenn der Betrieb qualitätsgesicherte Maßnahmen dauerhaft und kontinuierlich nachweist. Die IKK-Nordrhein beispielsweise unterstützt Maßnahmen von Handwerksbetrieben, die Rückenbeschwerden reduzieren. Versicherte und Unternehmen erhalten den vollen monatlichen Kassenbeitrag zurückerstattet, wenn dabei zuvor festgelegte Ziele erreicht werden. Auch die Betriebskrankenkassen (BKKs) haben ein Bonusmodell entwickelt, bei denen Firmen, die sich in der betrieblichen Gesundheitsförderung engagieren, Bonuspunkte sammeln können. Andere Kassen halten sich nach Recherchen der Internetplattform www.runder-tisch.net
mit solchen Bonussystemen noch zurück. Wie der Gestaltungsspielraum in der Praxis genutzt wird, bleibt abzuwarten. Es ist zu hoffen, dass dieses gut gemeinte Signal des Gesetzgebers von den Kassen weder für Marketingzwecke missbraucht noch von den Unternehmen als Alibiaktion angewandt wird.
Onlineversion von: Fiebig, R.: UGB-Forum 2/04, S. 58-60