Aloe Vera - Kraft aus der Wüste
Der Saft der Wüstenlilie liegt nach wie vor voll im Trend. Ob pur als Drink, als Kapsel oder in Kosmetika - Aloe Vera soll bei unzähligen Problemen helfen. Lohnt es sich, das Wundermittel einmal auszuprobieren?
Bereits vor 6000 Jahren war Aloe Vera für die alten Sumerer eine der wichtigsten Heilpflanzen überhaupt. Auch bei vielen anderen Völkern ist die "Wüstenlilie" ein beliebtes Kosmetikum und Allheilmittel für verschiedenste Beschwerden. Äußerlich angewandt sollen ihre Wirkstoffe die Haut verjüngen und Wunden in extrem kurzer Zeit heilen. Aloe Vera findet sich daher in unzähligen Kosmetika wie Hautcreme oder Deorollern wieder und wird bei Sonnenbrand, Insektenstichen, Strahlenschäden und Allergien empfohlen. In den letzten Jahren werden Aloe-Vera-Produkte zum Einnehmen immer populärer. Der kalt gepresste Saft, gemischte Aloe-Vera-Drinks oder das getrocknete Mark in Kapseln sollen das Immunsystem stärken, den Körper entgiften und sogar gegen Schmerzen und Krebs helfen.
Die Pflanze erinnert vom Aussehen an Agaven, ist aber ein Liliengewächs, das in den trockenen und halbtrockenen Regionen Amerikas, Afrikas und Australiens gedeiht. Nach Deutschland importierter Aloe-Vera-Produkte stammen überwiegend aus den USA sowie aus Mittel- und Südamerika, Spanien und Australien. In ihren fleischigen Blättern speichert die Pflanze enorme Mengen Wasser. So kann sie mehrere Monate ohne Regen auskommen. Nur wenige der etwa 300 verschiedenen Aloe-Arten enthalten große Mengen der begehrten Wirkstoffe. Die höchsten Konzentrationen sind in den Blättern der Aloe Vera Barbadensis Miller zu finden. Ihre "kleine Schwester" Aloe miloti fühlt sich auf deutschen Fensterbänken sehr wohl, enthält aber deutlich geringere Mengen der wertvollen Inhaltsstoffe.
Aloe Vera: Haltbarmachung ein Problem
Die Blätter der Aloe-Vera-Pflanzen werden entweder als ganzes oder geschält zu Saft gepresst. Damit der Saft der ganzen Blätter genießbar ist, müssen zuvor bittere und abführende Stoffe herausgefiltert werden. Dabei gehen aber auch einige der erwünschten Wirkstoffe verloren. Häufiger kommt der Saft aus dem fleischigen Mark der Blätter, auch Gel genannt, in den Handel. Um die bitteren Bestandteile zu umgehen, werden die Blattrinde und das Blattgrün vor dem Pressen mit der Hand oder maschinell entfernt.Der frisch gepresste Saft ist sehr empfindlich gegenüber Sauerstoff. Deshalb müssen die Blätter innerhalb weniger Stunden nach der Ernte weiterverarbeitet und die gewonnene Flüssigkeit stabilisiert werden. Da hohes Erhitzen die Inhaltsstoffe zu sehr schädigen würde, wird die Flüssigkeit meist über drei Tage bei geringen Temperaturen behandelt und mit ätherischen Ölen oder Antioxidanzien versetzt. Aber auch Konservierungsmittel wie Benzoesäure und Kaliumsorbat kommen zum Einsatz.
Bisher konnten über 200 verschiedene Wirksubstanzen in den Blättern der Aloe-Vera-Pflanze nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich vor allem um Mucopolysaccharide, Anthrachinone, Salicylsäure, Saponine, Enzyme, Aminosäuren, Vitamine, Mineralstoffe und Kohlenhydrate. Da einzelne Substanzen teilweise nur in geringen Konzentrationen vorkommen, wird ihre Kombination für die vielfältigen Heilwirkungen verantwortlich gemacht.
Die in der Blattrinde enthaltenen Anthrachinone wie Aloin und Aloe Emodin wirken stark abführend. Daher wird der eingekochte oder getrocknete Saft der Blattrinde, auch Aloe Latex genannt, zur Behandlung von Verstopfung eingesetzt. Allerdings können Krebs erregende und Erbgut schädigende Eigenschaften nicht ausgeschlossen werden. Daher ist Aloe Latex als Abführmittel nicht zu empfehlen.
Zuckermoleküle: Schutz vor Infekten?
Eine weitere Besonderheit stellen die Mucopolysaccharide, insbesondere Acemannan, dar. Das langkettige Zuckermolekül produziert der menschliche Körper bis zur Pubertät selbst. Wird es über Aloe-Vera-Produkte zugeführt, soll es in alle Zellwände eingelagert werden und den Körper so im Kampf gegen Tumorzellen, Infekte und Pilzerkrankungen unterstützen. Erfahrungsberichten zufolge erzielt Aloe Vera auch bei Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen oder Neurodermitis deutliche Verbesserungen. Unabhängige Studien dazu gibt es jedoch kaum. Zudem können von Aloe Vera nur geringe Mengen eingenommen werden. Eine Überdosierung verursacht bei empfindlichen Personen Magen-Darm- oder Nierenreizungen. Auch von allergischen Reaktionen wird berichtet. Schwangere und Stillende sollten Aloe Vera vorsichtshalber meiden.
Wegen seiner feuchtigkeitsspeichernden, antibiotischen und schmerzstillenden Eigenschaften wird Aloe Vera Gel zudem in Kosmetika sowie bei Schnitt-, Brand- und Schürfwunden und Sonnenbrand eingesetzt. In einer kontrollierten Studie wirkte es bei Druckgeschwüren jedoch nicht besser als in Kochsalzlösung getränkte Gaze.
Aloe Vera: Verarbeitung vermindert Wirksamkeit
Viele der angepriesenen Heilkräfte von Aloe Vera sind umstritten. Am stärksten scheint die Wirkung zu sein, wenn der Saft direkt frisch von der Pflanze stammt. Was dem Verbraucher hierzulande als Naturstoff angeboten wird, hat jedoch in der Regel eine umfassende industrielle Verarbeitung hinter sich. Dadurch verändert sich häufig auch die Wirksamkeit der Inhaltsstoffe. Um aus den Pflanzen möglichst viel Saft herauszuholen, wird Aloe Vera intensiv in Monokulturen angebaut. Dies verringert die Konzentration der wertvollen Inhaltsstoffe. Eine umweltschonendere Alternative stellt Aloe Vera aus kontrolliert biologischem Anbau dar. Sie ist allerdings sehr selten und dementsprechend teuer.Wie wirksam die einzelnen Produkte im Handel sind, ist für den Verbraucher nicht zu erkennen. Zudem beruhen die meisten der behaupteten Wirkungen auf Erfahrungsberichten und sind nicht durch unabhängige Studien bestätigt. Ob es angesichts der aufwändigen Herstellung, der problematischen Konservierung und des weiten Transports daher gerechtfertigt ist, Aloe Vera in Massenproduktion herzustellen, bleibt fraglich.
Onlineversion von: Kühn, A.: UGB-Forum 6/02, S. 332-333