Geschmacklos – Aromastoffe in Baby-Beikost
Für einen gesunden Start ins Leben sollten Kinder schon von klein auf den unverfälschten Geschmack natürlicher Lebensmittel kennenlernen. Doch auf dem Markt findet sich immer häufiger Baby-Beikost mit Aromazusatz. Damit steigt das Risiko, dass unser Nachwuchs später aromatisierte Industrieprodukte lieber mag als frische Lebensmittel.
© I. Hoffmann/Fotolia.comBieten Eltern ihrem Kind zwischen dem 5. und 7. Lebensmonat allmählich Beikost an, stehen sie in Drogerien und Supermärkten vor einem unüberschaubar großen Angebot. Von Baby-Breien über spezielle Joghurts bis hin zu Keksen für die Kleinsten ist alles dabei. Die bunten Abbildungen von Früchten und Getreide auf der Verpackung sehen appetitlich aus und suggerieren Natürlichkeit. Ein Blick auf die Zutatenliste enthüllt jedoch neben Vitaminzusätzen auch Aromastoffe in den vermeintlich natürlichen Baby-Produkten.
Gesetzliche Regelungen fragwürdig
Für Säuglings- und Kleinkindnahrung gibt es sehr präzise Vorschriften, da Produkte für diese Zielgruppe (0-3 Jahre) unter die gesetzlichen Bestimmungen der Diät-Verordnung fallen. Dort ist genau geregelt, welche Nähr- oder Zusatzstoffe in welchen Konzentrationen enthalten sein müssen oder zugesetzt werden dürfen. So gibt es Vorschriften zum Vitamin- und Mineralstoffgehalt ebenso wie strenge Höchstmengen für Pestizide und andere Schadstoffe. Der bisherige Gesetzestext schloss die Verwendung von künstlichen Aromastoffen aus. Mittlerweile wurde aber die Aromen-Verordnung geändert und es muss nicht mehr zwischen künstlichen, naturidentischen oder natürlichen unterschieden werden. Der eingeschränkte Einsatz künstlicher Aromen hat laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aber weiterhin Bestand. Im Zuge der Harmonisierung der EU-Gesetze ist geplant, den Zusatz von Aromastoffen in Säuglingsnahrung einheitlich zu regeln. Der europäische Diätverband hat bereits Interesse daran bekundet, die Verwendung von Aromastoffen in Säuglings- und Kleinkindernahrung allgemein zu erlauben, insbesondere für medizinische Zwecke. Das soll angeblich die Akzeptanz solcher Lebensmittel bei Säuglingen und Kleinkindern gewährleisten und die Entwicklung des Geschmacks- und Geruchssinns in der frühen Kindheit fördern.
Ein Marktcheck der Verbraucherzentrale Hessen vom Juni 2014 hat nun gezeigt, dass etwa zwei Drittel der Hersteller schon für Babys ab dem 5. Monat aromatisierte Breie, Joghurts und andere Produkte anbieten. Die Verbraucherschützer halten dies für absolut unnötig und unerwünscht. Leider gibt es zurzeit kein gesetzliches Verbot von natürlichen Aromastoffen in Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder. In ihrem Test prüften die Experten der Verbraucherzentrale 25 Baby-Beikost-Produkte der Marktführer in Drogeriemärkten und Biosupermärkten auf Aromastoffe. Bei sieben von zehn Anbietern, darunter Nestlé (Alete, Beba), Humana, Milupa, Babydream, Milasan und Bebivita wurden sie fündig. Babys sollen sich offenbar vor allem an Vanillegeschmack gewöhnen. Denn Vanillearoma und Vanillin finden sich besonders häufig. Bebivita setzt in einem Produkt Vanilleextrakt ein, der zwar aus echter Vanille gewonnen wird, aber im Babybrei ebenfalls überflüssig ist. Zwei Hersteller locken auf den Verpackungen in Wort und Bild mit Früchten, helfen aber lieber mit Aromastoffen und verschiedenen Süßmachern wie Glucose, Lactose oder Fructose nach. Die meisten Beikostprodukte fördern folglich die Gewöhnung an intensive und imitierte Geschmacksnoten und die Vorliebe für Süßes.
Verbraucherschützer fordern Verbot
Nicht genug, dass Eltern überhaupt mit Aromastoffen in Babykost rechnen müssen. Die Verbraucherzentrale Hessen beanstandet auch, dass zusätzlich verschiedenste Aromabezeichnungen in den Zutatenlisten Mütter und Väter verwirren. So lässt „natürliches Aroma“ als Zutat eines Babyjoghurts Aprikose vermuten, dass das Aroma aus frischen Aprikosen stammt. Doch natürliches Aroma muss nicht – wie man vermuten könnte – aus frischen Früchten gewonnen werden. Es wird lediglich aus natürlichen Ausgangsstoffen aller Art, wie zum Beispiel dem Pflanzenstoff Lignin, mithilfe von Bakterien, Hefen oder Schimmelpilzen hergestellt. Somit entspricht es nicht dem natürlichen Geschmack, beispielsweise nach Aprikose, und leitet den Geschmackssinn der Kleinen damit in die Irre.
Die hessischen Verbraucherschützer fordern vom Gesetzgeber ein generelles Verbot von Aromastoffen in Babykost. Auch der Zusatz von Süßungsmitteln wie Saccharose, Lactose oder Fructose sollte gesetzlich untersagt werden. Dass Aromastoffe ebenso wie Zucker und Salz in einer gesunden Baby- und Kleinkindkost keinen Platz haben, bestätigt das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) in Dortmund. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat sich Ende Juni 2014 mit der Verwendung von Aromastoffen in Säuglingsanfangs- und Folgenahrung befasst und kommt zu dem Schluss, dass Aromastoffe weder zur Verbesserung der Akzeptanz dieser Produkte noch zur Förderung der Geschmacksentwicklung notwendig sind. Die Experten weisen vielmehr daraufhin, dass sensorische Erfahrungen in der Säuglingszeit die Geschmacksentwicklung möglicherweise nachhaltig beeinflussen und damit auch Auswirkungen auf spätere Lebensmittelpräferenzen haben könnten.
Besser selbst machen
Eltern können Aromen in der Babykost vermeiden, indem sie Breie selbst zubereiten. Dafür sind in der Regel nur wenige Zutaten und oft nur etwa zehn Minuten Zeit nötig. Außerdem können Zutaten und Menge besser variiert werden. Muss es doch einmal schnell gehen, so kann auf Bio-Breie zurückgegriffen werden. Aber Achtung: Zwar sind in diesen Produkten keine Aromen vorhanden, aber auch hier zeigte der Marktcheck der Verbraucherschützer, dass in jedem zweiten Produkt nachgesüßt wird. Ein Blick auf die Zutatenliste bringt Klarheit. Damit Kinder den ursprünglichen Geschmack von Lebensmitteln genießen lernen, sollten Eltern Produkte mit wenigen und bekannten Zutaten wählen – natürlich ohne Aromen und Zucker.
Seminartipp
Das Selberkochen von Beikost sowie das Pro und Kontra von industrieller Babynahrung wird im Seminar Kochen für Kinder an der UGB-Akademie ausgiebig diskutiert. Die beliebte UGB-Dozentin Edith Gätjen erarbeitet mit den Seminarteilnehmer Theorie und Praxis einer gesunden Ernährung von klein auf. Der nächste Termin: 06.-08.03.2015 im Seminarzentrum fünfseenblick am Edersee.Quelle: Schauff A: UGBforum 6/14, S. 308-309