Ist Fisch noch genießbar?
Der Appetit auf Fisch kann einem wirklich vergehen. Immer neue Meldungen über Schwermetalle und andere Schadstoffe in den Meerestieren verunsichern die Verbraucher.
Rund 15 Kilogramm Fisch verzehrt jeder Bundesbürger pro Jahr, Tendenz steigend. Meeresfisch gilt wegen seines hohen Anteils an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und seinen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen - vor allem Jod - als wertvolles Lebensmittel. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt daher mindestens eine Fischmahlzeit pro Woche. Dem stehen Warnungen von Umweltschützern und Medizinern gegenüber, die auf Biozide, Schwermetalle und andere Industriegifte in den Meerestieren verweisen. So hatte die Umweltorganisation Greenpeace zu Beginn des Jahres mit Meldungen über Tributylzinn (TBT) in Speisefischen aus Nord- und Ostsee für Aufsehen gesorgt.
Mit Zinnverbindung belastet
TBT ist ein äußerst schädliches Umweltgift, das bereits vor Jahren als Bestandteil von Holzschutzmitteln in Verruf geraten ist. TBT wird hauptsächlich als so genanntes Antifouling-Mittel bei Schiffsanstrichen eingesetzt. Es tötet bereits in geringen Konzentrationen Algen, Schnecken, Seepocken und Muscheln ab und verhindert so den Bewuchs des Schiffrumpfes. Der schwer abbaubare Stoff reichert sich auf dem Meeresgrund an und gelangt über Kleinstlebewesen in die Nahrungskette. Greenpeace hatte bei Stichproben in Flunderfilets TBT-Mengen von 3-6 Mikrogramm pro Kilogramm (µg/kg) nachgewiesen. Auch Miesmuscheln und Schollen enthielten besorgniserregende Werte. Außerdem fanden die Umweltschützer weitere hochgiftige Organozinnverbindungen wie die TBT-Abbauprodukte Monobutyl- und Dibutylzinn sowie Triphenylzinn, das in der Landwirtschaft als Pilzgift eingesetzt wird. Im Auftrag des Umweltmagazins Öko-Test wurden Anfang des Jahres Fischfilets in Tomatensoße untersucht. Alle 16 Konserven waren mit dem giftigen TBT belastet. Dabei hat das beauftragte Labor Konzentrationen von bis zu 27 µg/kg festgestellt.
Nach Ansicht des TBT-Experten Jörg Oehlmann von Greenpeace gehört Tributylzinn zu den giftigsten Stoffen, die jemals hergestellt worden sind. Beim häufigen Verzehr belasteter Lebensmittel sei eine Gefahr für die menschliche Gesundheit nicht auszuschließen. Jürgen Kundke vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) sieht das anders. Von den bisher gefundenen TBT-Konzentrationen in Höhe von 20-30 µg/kg sind seiner Ansicht nach keine konkreten Gesundheitsgefahren zu befürchten. Da es in der EU derzeit keine gesetzlichen Höchstmengen für TBT in Lebensmitteln gibt, verweist Kundke auf den TDI-Wert (Tolerable Daily Intake), den die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt: Sie hat 1993 eine tolerierbare Menge von 0,25 µg/kg Körpergewicht und Tag vorgeschlagen. Ein 70 Kilogramm schwerer Mensch müsste täglich fast ein Kilogramm belasteten Fisch essen, damit dieser Wert überschritten wird. Selbst dann könne nicht davon ausgegangen werden, dass es zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung komme.
Durcheinander im Hormonhaushalt
Der WHO-Wert basiert auf den Wirkungen von TBT auf das Immunsystem, die in Tierversuchen gut untersucht sind. Schon in geringen Konzentrationen beeinträchtigt das Gift die Funktion der Abwehrzellen. In jüngster Zeit beobachteten Wissenschaftler zudem Auswirkungen auf den Hormonhaushalt. Bei der Wellhornschnecke führt TBT zu Unfruchtbarkeit, und Versuche mit menschlichen Zellkulturen zeigen ebenfalls eine Hemmung der weiblichen Geschlechtshormone. Doch erst 2003 soll TBT in Europa ganz für Schiffsanstriche verboten werden.Bestimmte Fische sind zudem so mit Quecksilber belastet, dass das BgVV Schwangere und Stillende vor ihrem Verzehr warnt. Dazu gehören Aal, Stör, Rotbarsch, Schwertfisch, Heilbutt, Hecht, Tunfisch und Bonito. Diese Arten reichern aufgrund ihres Alters, ihrer Größe oder ihrer räuberischen Lebensweise Schwermetalle besonders an. Die Schadstoff-Höchstmengenverordnung trägt dem Rechnung, indem sie für diese Arten eine Höchstmenge von 1 Milligramm Quecksilber pro Kilogramm Fisch zulässt. Bei weniger belasteten Fischarten wie dem Seelachs liegt dieser Wert dagegen bei 0,5 mg/kg. In Fischen kommt Quecksilber zum Teil als besonders toxisches Methylquecksilber vor, das die Plazenta leicht passieren und möglicherweise zu Entwicklungsschäden beim Embryo führen kann. Prof. Stefan Halbach vom Institut für Toxikologie in Neuherberg hält dagegen, dass die Essgewohnheiten der Deutschen weit davon entfernt sind, bedenkliche Konzentrationen an Quecksilber zu erreichen. Die Vorteile durch 1-2 Fischgerichte in der Woche seien für Schwangere größer als das Risiko einer embryonalen Schädigung.