MCT-Fette: Wundermittel gegen Übergewicht?
Seit einiger Zeit preisen die Medien mittelkettige Fette, kurz MCTs, als die Sensation an: Ein Fett, das nicht dick macht! Aber nicht nur Übergewichtige, sondern auch Sportler sollen von den neuen Produkten profitieren.
Jedes Jahr das gleiche Spiel: Naht die Bikini-Saison, versprechen neue Crash-Diäten und fettschmelzende Wundermittel den schnellen Weg zur Traumfigur. Ganz vorne dabei sind dieses Jahr die so genannten MCTs: Medium Chain Triglycerides - mittelkettige Triglyceride. Als Bestandteil von Diät-Margarine, -Öl, -Schokocreme oder -Brotaufstrich sollen diese Fette helfen, die Kalorienzufuhr und den Appetit zu senken. Und Ausdauersportler sollen mit MCT-haltigen Energieriegeln noch länger durchhalten können. Interessante Versprechungen, doch bei näherer Betrachtung wird klar, dass auch hier vieles nicht ganz den Tatsachen entspricht.
MCTs kommen in der Natur kaum vor. Nur Kokosfett, Palmkernöl sowie in geringen Mengen Milchfett enthalten die gesättigten Fettsäuren mittlerer Kettenlänge. Die tägliche Aufnahme aus natürlichen Quellen liegt durchschnittlich bei etwa zwei Gramm. Um sie in den Spezialprodukten in größeren Mengen einsetzen zu können, werden mittelkettige Fette vorwiegend synthetisch aus Kokosfett hergestellt. In der Diätetik sind diese Fette nichts Neues. Bei der Behandlung von Fettverwertungsstörungen haben sie bereits eine lange Tradition. Denn im Gegensatz zu den in der Nahrung überwiegend vorkommenden langkettigen Triglyceriden (LCT) werden MCTs leichter verdaut. Der Körper kann sie ohne Gallensäuren und fettspaltende Enzyme (Lipasen) der Bauchspeicheldrüse aufschließen. Die Fettsäuren mit sechs bis zehn Kohlenstoffatomen sind wasserlöslich, werden direkt ins Blut aufgenommen und gelangen im Gegensatz zu langkettigen Fettsäuren ohne Transporthelfer über das Pfortaderblut zur Leber. Daher eignen sich MCTs bei allen Erkrankungen, die mit einem Mangel an Gallensäuren oder Lipasen einhergehen. Dazu zählen beispielsweise Erkrankungen der Gallenwege, Leber, Bauchspeicheldrüse oder die zystische Fibrose (Mucoviszidose). Aber auch, wenn ein Teil des Dünndarms entfernt wurde, bei Morbus Crohn oder bei einer Blockade des Lymphabflusses aus dem Darm helfen MCTs, Fettstühle sowie die damit verbundenen Unverträglichkeitsreaktionen zu vermindern und die Energiezufuhr zu erhöhen.
MCT-Fette mindern Hungergefühl
Auch im Stoffwechsel bieten mittelkettige Fette einige Vorteile. So erfolgt der Transport in die Mitochondrien - die Kraftwerke der Zellen - ebenfalls ohne Hilfsmittel und ist somit schneller als bei langkettigen Triglyceriden. Dort werden MCTs rasch zu kleinen Ketten aus zwei Kohlenstoffatomen abgebaut, die direkt der Energiegewinnung dienen oder zum Aufbau anderer Substanzen wie Cholesterin oder Ketonkörper zur Verfügung stehen. Eine erhöhte Konzentration an Ketonkörpern im Blut wird unter anderem für ein vermindertes Hungergefühl verantwortlich gemacht. Außerdem können sie dem Gehirn als Energielieferant dienen, wenn dem Körper mit der Nahrung weniger Kalorien zugeführt werden, als er braucht. Ansonsten würde der Organismus Muskeleiweiß abbauen, um daraus Glucose als Energielieferant bilden zu können. Positiv an den mittelkettigen Fetten ist außerdem, dass sie im Gegensatz zu langkettigen gesättigten Fettsäuren den Cholesterinspiegel im Blut nicht erhöhen. Auch bevorzugt der Organismus sie bei der Energiegewinnung, so dass die mittelkettigen Fette nicht ins Fettgewebe eingelagert und zu ungeliebten Fettpolstern werden.
Für den Einsatz von MCTs in Reduktionsdiäten spricht auch, dass sie mit durchschnittlich etwa acht Kilokalorien pro Gramm etwas weniger Energie enthalten als langkettige Fette (9 kcal/g). Noch dazu werden bei ihrer Verstoffwechselung neun Prozent der Energie als Wärme frei, bei langkettigen Fetten nur drei. Da der so genannte thermogene Effekt bei MCTs also größer ist, steht weniger Energie zur Bildung von überflüssigen Pfunden zur Verfügung. Studien mit Übergewichtigen haben in der Tat gezeigt, dass bei energiereduzierter Kost die Versuchsgruppe mit MCT mehr Gewicht verlor und länger satt war als die Gruppe, die normale Fette verzehrte. Der proteinsparende Effekt durch die vermehrte Bildung von Ketonkörpern wurde ebenfalls bestätigt. Der Anteil des Körperfetts am Gewichtsverlust war bei MCT-Gabe größer und die Verluste an Muskeleiweiß geringer. Allerdings bestanden die Vorteile nur in den ersten zwei Wochen des Untersuchungszeitraums. Danach ließen die Wirkungen langsam, aber deutlich nach. Als Ursache dafür vermuten die Forscher, dass sich der Stoffwechsel an die veränderten Bedingungen anpasst.
MCTs: Praktische Bedeutung fürs Abnehmen gering
Ersetzt man am Tag 50 Gramm langkettige Fette gegen MCTs, bringt das eine Einsparung von 50 Kilokalorien. Beachtet man zusätzlich die größere thermogene Wirkung der MCTs und berechnet sie großzügig mit ein, kommt man auf etwa 80 Kilokalorien täglich. Eine Aufnahme von deutlich mehr als 50 Gramm MCTs ist nicht realistisch. Denn zum einen ist generell eine fettarme Kost zu empfehlen. Und werden insgesamt zu viele Kalorien aufgenommen, tragen auch MCTs zur Entstehung von Übergewicht bei. Zum anderen gibt es bisher nur Öl, Margarine, Mayonnaise, Schmelzkäse, süße und herzhafte Brotaufstriche sowie Energieriegel mit MCTs.
Zur täglichen Fettaufnahme tragen jedoch noch viele weitere Lebensmittel bei wie Milchprodukte, Fleisch- und Wurstwaren, Nüsse, Backwaren oder Süßigkeiten. MCT-Margarine und -Öl eignen sich zudem nicht für alle Einsatzbereiche: Das Öl ist nur bis 150 °C hitzestabil, so dass Zubereitungsarten mit höheren Temperaturen wie Braten und Frittieren damit nicht möglich sind. Und die Margarine empfehlen die Hersteller ausschließlich als Aufstrich und zum Backen. MCT-Öl und -Margarine sind relativ geschmacksneutral. Gerade der charakteristische Geschmack natürlicher Öle hilft aber dabei, Fett zu sparen. Denn je intensiver der Geschmack, desto weniger wird davon benötigt.
MCTs als Sensation zur Gewichtsreduktion anzupreisen, ist demnach stark übertrieben. Eine langfristig erfolgreiche Gewichtsabnahme ist nach wie vor nur durch eine Ernährungsumstellung möglich: Eine energiereduzierte, vollwertige Mischkost, kombiniert mit regelmäßiger körperlicher Aktivität und einem gesunden Lebensstil ist immer noch am effektivsten - wenn auch keine Sensation in Sachen Abnehmen.
Längere Ausdauer mit MCT-Fette?
Während sportlicher Belastungen über mehrere Stunden sind Ausdauersportler auf die Zufuhr von Nahrungsenergie angewiesen. Normalerweise nehmen sie viele Kohlenhydrate auf, um den Blutzuckerspiegel aufrecht zu erhalten und die Ausdauer zu verbessern. Der Beitrag zur Energiegewinnung ist jedoch begrenzt. Mehr als 1,1 Gramm der zugeführten Kohlenhydrate kann der Körper pro Minute nicht zur Energiegewinnung heranziehen. Um die Energiereserven in den Muskeln (Glykogenspeicher) zu schonen, sind Wissenschaftler daher auf der Suche nach anderen Nahrungsinhaltsstoffen, die als zusätzliche Energiequelle für Sportler geeignet sind. Eiweiße kommen dafür nicht in Frage, da bei ihrer Verbrennung Ammoniak anfällt, das vermutlich den Körper schneller ermüden lässt. Fette mit langkettigen Fettsäuren, wie sie in den meisten Lebensmitteln vorkommen, hemmen die Magenentleerung und verzögern damit die Aufnahme in den Körper. MCTs scheinen hingegen ideal, um bei langen Belastungen mit mittlerer Intensität größere Mengen an Energie zu liefern, die Glykogenspeicher dadurch zu schonen und den Abbau von Muskeleiweiß zur Energiegewinnung zu verhindern - zumindest theoretisch.
Untersuchungen mit Ausdauersportlern zeigten, dass MCTs aus Getränken gut verfügbar und nutzbar sind, insbesondere wenn sie mit Kohlenhydraten gemeinsam verabreicht werden. Problematisch ist jedoch die schlechte Verträglichkeit der mittelkettigen Fette. Unter Belastung verursachen häufig bereits Mengen von etwa 30 Gramm Magen-Darm-Beschwerden bis hin zu schweren Darmkrämpfen. Außerdem hatte die Zufuhr von MCTs in verschiedenen Studien trotz hoher Verbrennungsrate keinen Effekt auf die insgesamt verstoffwechselte Kohlenhydrat- und Fettmenge. Verträgliche Mengen MCTs schonen also nicht die Glykogenreserven, sondern sparen eher Speicherfette ein. Bei Athleten, deren Glykogenspeicher völlig entleert waren, kam es zwar zu einem Anstieg der Gesamtfettverbrennung. Der Anteil der MCTs blieb mit sechs bis acht Prozent aber gering. Die einzigen Möglichkeiten, um eine optimale Leistung bei mehrstündigen Ausdauerbelastungen zu gewährleisten, sind also nach wie vor ein durch lange Belastungen niedriger Instensität gut trainierter Fettstoffwechsel, maximal gefüllte Glykogenspeicher und eine regelmäßige Zufuhr gut verfügbarer Kohlenhydrate während der Belastung.
MCTs: Durchfall durch mittelkettige Fette
Da MCTs in natürlichen Lebensmitteln kaum vorkommen, ist der menschliche Verdauungstrakt nicht an die Verwertung größerer Mengen mittelkettiger Fette gewöhnt. Er reagiert schnell mit Unverträglichkeitsreaktionen wie Bauchschmerzen, Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Wird die MCT-Zufuhr über mehrere Tage langsam gesteigert, kann sich der Organismus jedoch an verzehrsübliche Fettmengen in Form von MCTs gewöhnen. Allerdings leisten reine MCT-Produkte keinen Beitrag zur Versorgung mit essenziellen Fettsäuren und fettlöslichen Vitaminen. Einige Hersteller bieten deshalb inzwischen MCT-Produkte an, die mit fettlöslichen Vitaminen und Linol- sowie Alpha-Linolensäure angereichert sind und damit eine bessere ernährungsphysiologische Qualität aufweisen.
Fazit: MCTs bringen in der Ernährungstherapie von Fettstoffwechselstörungen mit Sicherheit viele Vorteile. Abnehmwillige und Ausdauersportler sollten sich von den mittelkettigen Fetten allerdings nicht zu viel erhoffen.
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Franz, W.: UGB-Forum 4/02, S. 187-189