Reis: Genfood durch die Hintertür

Jetzt hat sich bestätigt, wovor Genkritiker immer warnten: Gentechnisch veränderte Lebensmittel landen längst unbemerkt auf unserem Teller. Genveränderter Reis kam in den Handel, obwohl er nicht zugelassen ist.

Das Ganze liest sich wie ein schlechter Wirtschaftskrimi. Beteiligt sind Geheimagent LL601, Mittelsmänner sind unwissende Bauern und als Strippenzieher fungiert der Agrarkonzern Bayer CropScience. Doch zunächst einmal die harten Fakten: Im Juli dieses Jahres wurde in den USA bekannt, dass konventioneller Langkornreis mit Spuren von gentechnischem Reis der Bezeichnung Liberty Link, kurz LL601, verunreinigt ist. In eigenen Untersuchungen spürte die Umweltschutzorganisation Greenpeace auch in Deutschland die gentechnisch veränderten Körner auf. Um den Verdacht zu überprüfen, untersuchte der europäische Verband der Reismühlen 162 Proben aus ganz Europa und fand in jeder fünften den nicht zugelassenen GVO-Reis LL601. Daraufhin räumten Aldi Nord und Edeka Südwest im September den verunreinigten Reis aus ihren Regalen. Auch die deutschen Lebensmitteluntersuchungsämter wurden fündig: Mit dem Genreis verunreinigte Produkte wurden im ganzen Land verkauft. Sie stammen vermutlich alle aus den USA. Da der LL601-Reis weder in Europa noch in einem anderen Land der Welt zugelassen ist, darf er nicht in den Handel kommen, auch nicht in Spuren. Nachdem der Skandal bekannt wurde, hat die Europäische Kommission Importbeschränkungen für US-Reis verhängt. Amerikanischer Reis darf nur noch eingeführt werden, wenn ein amtliches Labor belegt, dass er keine Spuren von LL601-Reis enthält. Drei große Reismühlen - Euryza, Rickmers Reismühle und Müller´s Mühle haben bis auf weiteres die Einfuhr von US-Reis ganz eingestellt.

Was verbirgt sich hinter LL601?

Der LL601-Reis verfügt über eine Resistenz gegen das Unkrautvernichtungsmittel Liberty mit dem Wirkstoff Glufosinat. Da er nie bis zur Marktreife entwickelt worden ist, wurde er auch nicht abschließend auf seine Gefahren für Mensch und Umwelt getestet. Zwei ähnliche Reislinien LL62 und LL06 sind jedoch in den USA geprüft worden und zum Anbau zugelassen. Die Firma Bayer CropScience verkauft das Herbizid resistente Saatgut Liberty Link in einem Paket mit ihrem Pestizid Liberty. Da die beiden Reisarten sich von dem nicht zugelassenen LL601-Reis genetisch nur unwesentlich unterscheiden, gehen die Behörden davon aus, dass keine Gefahr für die Gesundheit besteht. Zudem haben sich in den auffälligen Reisproben nur Spuren von LL601 gefunden, die unter 0,05 Prozent lagen.


Ermittelt wird gegen unbekannt

Das eigentlich Brisante an der ganzen Geschichte ist, dass keiner weiß, wie sich der Reis überhaupt verbreiten konnte. Denn die entsprechende Reisvariante ist nie über das Versuchsstadium hinausgekommen. Sie wurde bereits in den 1990er Jahren von dem Agrarkonzern Aventis CropScience entwickelt und nur zu Forschungszwecken in den USA angebaut. Im Jahr 2001 stellte der Konzern die Versuche ein. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Stattdessen hat die Firma zwei ähnliche Reislinien weiterverfolgt und bis zur Marktreife gebracht: LL62 und LL06. Der LL62-Reis darf in den USA bereits als Lebensmittel angebaut werden. Ein Zulassungsantrag in der EU ist gestellt. Wie ein angeblich unter kontrollierten Bedingungen angebauter Testreis sich über die ganze USA verbreiten konnte, wird wohl nie ganz geklärt werden. Manche Genkritiker verdächtigen die Konzerne, den Reis absichtlich gestreut zu haben. Verbraucher sollen so vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Wahrscheinlicher scheint jedoch, dass er bei Freisetzungsversuchen in einem Züchtungsinstitut im amerikanischen Louisiana unbeabsichtigt mit genfreiem Saatgut vermischt wurde. Denn in dem Betrieb wurden sowohl neue Reissorten gezüchtet als auch Saatgut vermehrt. So fand man in Saatgutproben aus dem Jahr 2003 Spuren von LL601-Reis. Die Verbraucher können also davon ausgehen, dass sie bereits seit einigen Jahren mit LL601 vermischten US-Langkornreis essen. Die Verunreinigung wurde nur zufällig in diesem Jahr festgestellt.

Illegaler Reis auch aus China

Der jetzige Fund an LL601-Reis aus den USA ist bereits der zweite Skandal von illegalem Genreis in diesem Jahr. Greenpeace hatte zuvor schon in Reisnudeln aus China Spuren von nicht zugelassenem Reiskörnern gefunden. Die Nudeln wurden unter der Bezeichnung Swallow Sailing in deutschen Asia-Läden vertrieben. Bei dem illegalen Reis handelt es sich um einen so genannten Bt-Reis. Den Reiskörnern wurden Erbinformationen des Bodenbakteriums Bacillus thuringensis (Bt) eingepflanzt. Durch diese Manipulation produziert die Pflanze einen Eiweißstoff, der für bestimmte Schädlinge tödlich ist. Dieser Giftstoff steht im Verdacht, bei Menschen Allergien auszulösen. Bereits im letzten Jahr deckte Greenpeace auf, dass in China nicht genehmigter Genreis angebaut wird.Mit diesen Skandalen hat die Agrarindustrie selbst bewiesen: Es gibt keine sicheren Freisetzungsversuche von gentechnisch verändertem Saatgut. Die derzeitigen Bestimmungen und Kontrollen reichen nicht aus, um das Ausbreiten von genetisch verändertem Saatgut zu verhindern, noch nicht einmal im angeblich so gut kontrollierten Versuchsstadium. Und ist der Schaden erst einmal eingetreten, findet sich niemand der dafür haftet. Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringhof, stellvertretender Vorsitzender des Agrarausschusses des Europäischen Parlaments, kritisiert in diesem Zusammenhang die Haftungsreglungen der EU: "Hier haftet nur, wenn der Schaden eindeutig und zweifelsfrei nachweisbar ist". Wie schwer ein solcher Nachweis ist, zeigen die Verwicklungen im LL601-Skandal. Die Firma Bayer weist jede Verantwortung zurück. Schließlich sei der LL601-Reis von Aventis CropScience entwickelt worden und diese Firma existiert nicht mehr. Denn im Jahr 2003 wurde Aventis CropScience von der Bayer AG übernommen. Ganz unbeteiligt scheint sich Bayer jedoch nicht zu fühlen: Immerhin hat der Agrarmulti jetzt in den USA nachträglich eine Zulassung für den LL601-Reis beantragt. Denn eins scheint klar: Aus der Nahrungskette zu entfernen ist die Reisvariante wohl nicht mehr.

Die Opfer: Verbraucher und Bauern

Die Verlierer sind wieder einmal die Bauern. Durch den Genreis-Skandal können US-amerikanische Landwirte ihren Reis in Europa schlechter absetzen. Als Folge davon fallen die Preise. Die Verluste müssen die Bauern selbst tragen. Die ersten Klagen auf Entschädigung sind bei Bayer bereits eingegangen. Uns Verbrauchern bleibt nur die Möglichkeit, mit dem Einkaufskorb ein Zeichen zu setzen. Wer genveränderte Nahrungsmittel im Regal liegen lässt, macht deutlich, dass Gentechnik bei uns nicht erwünscht ist. Gegen illegal in Verkehr gebrachte Gennahrung helfen jedoch nur strengere Kontrollen und entsprechende Strafen.

Quelle: Dittrich, K.: UGB-FORUM 6/06 S. 308-309