Süßes aus Übersee: Ahornsirup und Agavendicksaft

Natürliche Süße aus Pflanzensäften ist eine gute Alternative zu Zucker. Für eine exotische Note an Desserts, Gebäck oder Eis sorgen Ahornsirup und Agavendicksaft.

Ahornsirup - ein Süßungsmittel mit langer Tradition

Bereits lange bevor es Zucker aus Zuckerrohr oder -rüben gab, entdeckten die Algonquin-Indianer im Osten Kanadas zufällig den Genuß von Ahornsirup. An einem sonnigen Wintertag, so will es die Legende, stellte eine Squaw ihre Schale unter einen Ahornbaum ab, während sie Feuerholz suchte. Als sie abends einen Eintopf darin zubereitete, entfaltete der hineingetropfte Saft sein süßes Aroma. Als die Indianer herausgefunden hatten, woher es stammte, nannten sie den Saft Sinzibuckwud, "dem Holze entlockt". In Kanada und Nordamerika ist Ahornsirup daher ein Süßungsmittel mit langer Tradition. Nach Deutschland kam der weitgereiste Baumsaft erst Ende der 70er Jahre und erfreut sich seitdem wachsender Beliebtheit.

Zur botanischen Familie der Ahorngewächse, der Aceraceae, gehören weltweit über 150 verschiedene Arten. Die stattlichen Laubbäume werden bis zu 40 Meter hoch und tragen große gezackte Blätter. Zur Gewinnung des Sirups ist vor allem der in Kanada und im Nordosten Amerikas vorkommende Zucker- oder Fels-Ahorn "acer saccharum" geeignet. Rund drei Viertel der Ernte werden aus seinen Stämmen abgezapft. Den Rest steuern der schwarze "acer nigrum", der rote "acer rubrum" und der weiße oder Silber-Ahorn "acer saccharinum" bei. Mehr als 90 Prozent des Ahornsirups stammen aus Kanada, das meiste davon aus Quebec. Ein geringerer Teil wird aus den USA exportiert.

Ahornsirup: Aufwendige Ernte

"Saft - da fließt er!", ruft man in Kanada, wenn der Baum gegen Ende des Winters seine Zuckerspeicher mobilisiert. Seine Ernte ist nur möglich, wenn nachts noch Minusgrade herrschen, tagsüber die Temperaturen aber bereits über 0°C klettern. Bleibt der Frost länger als 36 Stunden aus, geben die Ahornstämme keinen Saft mehr ab; die Ernte ist beendet. Nur Bäume, die einen Durchmesser von mindestens 20 cm aufweisen, also rund 30 Jahre alt sind, werden angezapft. Je nach Umfang des Stammes schlagen die Farmer bis zu vier Zapfhähne in einen Baum. Die Hähne werden jedes Jahr an anderen Stellen angebracht, damit der Baum durch die Ernte keinen Schaden nimmt.

Ein ausgewachsener Baum gibt ungefähr 40 Liter Saft pro Jahr ab. Die klebrige Flüssigkeit wird in Eimern gesammelt oder mit Hilfe von Vakuumpumpen über ein Rohrleitungssystem zur sogenannten Zuckerhütte geleitet. Dort stehen Edelstahlbehälter über offenem Feuer bereit, die den Saft bei einer Maximaltemperatur von 104 °C auf einen Wassergehalt von 33 Prozent eindicken. Verunreinigungen werden durch einen Plattenfilter mit Tonerde entfernt. Ahornsaft enthält 3-10 Prozent Saccharose. Zum Vergleich: Bei Zuckerrüben liegt der Anteil dieses Zuckers bei 26 Prozent. Um einen Liter Ahornsirup zu erhalten, benötigt man etwa 40 Liter Saft. Bei einer Temperatur von 82 °C wird der fertige Ahornsirup in Flaschen abgefüllt. Durch das Erkalten des Wasserdampfes bildet sich am oberen Rand der Gefäße ein Vakuum. Dieser Luftabschluß sorgt für eine natürliche Konservierung. Geschlossene Flaschen sind daher fast unbegrenzt haltbar. Einmal angebrochen sollte der Sirup trotz des hohen Zuckergehaltes im Kühlschrank aufbewahrt werden.

Farbe und Qualitätsabstufungen des Ahornsirups

In welche Qualitätsstufe der Sirup eingeordnet wird, hängt in erster Linie von seiner Färbung bzw. Lichtdurchlässigkeit ab. Zusätzlich wird ein Geschmackstest vorgenommen. Zu Beginn der Erntezeit ist der Sirup hell, bernsteinfarben und hat einen mildsüßen Geschmack. Je später er geerntet wird, desto dunkler und würziger ist er. Diese Veränderung wird durch Mikroorganismen verursacht, die braune Produkte aus der Saccharose bilden. Zum Ende der Ernte hin nimmt daher der Zuckergehalt des Baumsaftes ab. Beim Eindicken des Sirups kommt es zudem zu einer Reaktion zwischen Zucker- und Eiweißbausteinen, die für die goldbraune Farbe des Sirups und das typische Aroma verantwortlich ist. Folgende Qualitätsabstufungen, sogenannte Graduierungen, haben sich im Handel durchgesetzt: Von Grad AA bei einer Lichtdurchlässigkeit von 75-100 Prozent über Grad A und B bis hin zu Grad C bei einer Lichtdurchlässigkeit von wenigstens 27 Prozent.

Zur Pflege der Ahornbestände werden zunehmend Düngemittel und Pestizide eingesetzt, um die Erträge zu steigern. Auch bei der Saftgewinnung, z. B. zur Reinigung der Zapfanlagen, wird immer häufiger auf chemische Hilfsmittel zurückgegriffen. Landwirte, die nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus arbeiten, kommen ohne Chemie aus. Ahornsirup aus Bio-Anbau ist von verschiedenen Naturkostfirmen meist in den Graden A und C im Handel. Pur auf Vanilleeis, frischen Waffeln oder Pfannkuchen kommt der typische Geschmack von Ahornsirup am besten zur Geltung. Desserts, Eis und Gebäck verleiht sein würziges Aroma eine charakteristische Note. Der Sirup eignet sich aber auch zum Glasieren oder um Gerichte süß-sauer abzuschmecken.

Agavendicksaft: Süßes aus dem Kaktus

Agaven sind in unseren Breiten hauptsächlich als Zierpflanzen verbreitet. Weniger bekannt ist, daß aus der Kakteenart Steroidhormone und Tequila hergestellt werden. Auch Duftstoffe für Parfüm und homöopathische Mittel gegen Blutarmut enthalten Extrakte aus der tropischen Pflanze. Ebenso wie der Ahornbaum sondern Agaven eine süße Flüssigkeit ab, die seit einigen Monaten als Agavendicksaft auf dem deutschen Markt erhältlich ist.

Agavenblätter dienten bereits vor 8000 Jahren als Nahrungsmittel. Die Azteken verwendeten die ganze Pflanze als Baumaterial, ihre Fasern dienten der Herstellung von Papier, Kleidung und Schuhen. Auch der Saft aus den mächtigen Pflanzen wird schon seit langem genutzt. Er soll die Wundheilung unterstützen und bei Entzündungen helfen. Außderdem wurde er traditionell zu Wein vergoren. Das mexikanische Nationalgetränk Pulque ist nichts anderes als Wein aus vergorenen Agavenblättern.

Perfekt angepaßt

Agaven gehören zur Familie der Agavaceae und stammen vermutlich aus Mexiko. Je nach Umweltbedingungen und Kulturmaßnahmen blühen sie nach 10 oder mehr Jahren und sterben dann ab. Die auffällig gestielten Blütenstände werden mehrere Meter hoch und sehen fast wie Bäume aus. Durch die trichterförmige Anordnung der fleischigen Blätter und deren großzelliges Gewebe kann die Pflanze den Regen gut auffangen und lange speichern. So ist es ihr möglich, an heißen und trockenen Standorten zu überleben, die für andere Kulturen kaum genutzt werden können. In Mittelamerika zählt man 300 Arten, die wie die Sisal-Agave vorwiegend der Fasergewinnung dienen.

Dort, wo die Blätter zusammenlaufen, befindet sich das sogenannte Herz der Agave. Ritzt man es an, sondert es einen süßlichen Saft ab. Der Zuckeranteil variiert bei den verschiedenen Arten; bei der Agave americana kann er bis zu 8 Prozent betragen. Um Agavensaft als Süßungsmittel zu nutzen, wird er in Edelstahlbehältern auf einen Wassergehalt von 23-25 Prozent eingekocht. Es entsteht ein Dicksaft, dessen Kohlenhydratanteil fast ausschließlich aus Fructose, das heißt Fruchtzucker, besteht. Dieser Einfachzucker besitzt eine hohe Löslichkeit, und seine Süßkraft ist 1,2mal so intensiv wie die von Haushaltszucker. Allerdings kommt es beim Genuß von Speisen, die mit Fructose gesüßt sind, häufiger zu Unverträglichkeiten wie Durchfällen. Auch der übermäßige Genuß von Agavendicksaft kann zu solchen Beschwerden führen.

Agavendicksaft: Ein weitgereister Genuß

Agavendicksaft schmeckt mildsüß und ist als Süßungsmittel für Backwaren, Getränke, Cremes, Eis, Fruchtzubereitungen und vieles mehr geeignet. In den USA wird er industriell zum Süßen von Bier, Eis und isotonischen Getränken eingesetzt. In Deutschland wird die pflanzliche Süße bisher nur von einer Firma im Naturkosthandel angeboten. Sie wirbt damit, daß dieses Süßungsmittel ein natürliches pflanzliches Produkt sei, daß in Bio-Qualität angebaut werde. Zudem habe es, wenn man die Süßkraft miteinander vergleicht, weniger Kalorien als Zucker.

Sowohl Agavendicksaft als auch Ahornsirup sind dennoch nur eingeschränkt zu empfehlen.

Im Vergleich zum Rohprodukt sind sie stark konzentriert und enthalten nur Spuren von Vitaminen und Mineralstoffen. Sie sollten daher nur gelegentlich in geringer Konzentration oder verdünnt eingesetzt werden. Gegen eine allzuhäufige Verwendung spricht außerdem ihre Herkunft. Die Süßungsmittel aus Kanada bzw. Mexiko müssen über weite Strecken mit hohem Energieaufwand nach Europa transportiert werden. Im Vergleich zu heimischen Fruchtdicksäften aus Äpfeln oder Birnen, die im Vakuum bei maximal 60 °C eingedickt werden, ist der Energieaufwand bei der Herstellung zudem relativ hoch.

Quelle: Wallner, K.: UGB-Forum 1/98, S. 27-28


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