Terminator-Technologie:
Die Saat geht nicht auf
Die Pläne liegen in den Schubladen, die Patente sind bereits angemeldet: Gentechniker basteln an Pflanzen, die nach der ersten Ernte unfruchtbar werden. Damit würden Bauern gezwungen, jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen.
Will ein Bauer Weizen, Baumwolle oder Hirse anbauen, kauft er Saatgut ein. Im Preis enthalten ist eine Gebühr für den Züchter. Bisher war es dem Landwirt selbst überlassen, ob er von der Ernte einen Teil aufbewahrt und im nächsten Jahr wieder aussät. Dieser landwirtschaftliche Brauch gilt als ungeschriebenes Recht der Bauern. Rund 80 Prozent des Saatguts weltweit werden von den Bauern selbst erzeugt. Insbesondere in den Entwicklungsländern fehlt den Landwirten das Geld, jedes Jahr teures Saatgut vom Züchter zu kaufen. Doch die Möglichkeit zum Nachbau haben die Bauern eventuell bald nicht mehr. Denn Gentechniker haben mit der so genannten Terminator-Technologie (siehe Kasten) Saatgut entwickelt, das zwar auskeimt, zur Pflanze heranwächst und Samen entwickelt. Die Samen sind jedoch unfruchtbar und können nicht wieder ausgesät werden. Die Landwirte sind dann gezwungen, im nächsten Jahr wieder neues Saatgut vom Züchter zu kaufen.
Veränderungen des Erbgutes von Pflanzen, die einen Nachbau verhindern sollen, werden als GURTs bezeichnet. Ausgeschrieben bedeutet das genetic use restriction technologies. Auf deutsch lässt sich der englische Begriff etwas umständlich in "genetische Nutzungseinschränkungstechnologien" übersetzen. Eine von mehreren Möglichkeiten, die Pflanze unfruchtbar (steril) zu machen, ist die Terminator-Technologie. Mit Hilfe verschiedener genetischer Veränderungen in der Pflanze wird ein Auskeimen der Samen verhindert. Die Pflanze produziert einen Giftstoff, der die Entwicklung des Keimlings blockiert. Damit dies nicht schon bei der Saatgutproduktion passiert, wird die Erzeugung des Giftsstoffes erst durch einen bestimmten Auslöser in Gang gesetzt. Ein solcher Auslöser kann beispielsweise eine Substanz wie das Antibiotikum Tetrazyklin sein, mit der das Saatgut behandelt wird. Dieser setzt eine genetische Kettenreaktion in Gang, wodurch das Erntegut der Folgepflanzen nicht mehr keimfähig ist.
Globales Agrobusiness
Entwickelt wurde die Terminator-Technologie von dem großen amerikanischen Baumwollzuchtbetrieb Delta & Pine Land Co. in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Landwirtschaftsministerium. Bereits 1998 erhielten die Forschungspartner in den USA ein Patent für diese Art von genetischer Veränderung. Mittlerweile sind Patente in zahlreichen weiteren Ländern beantragt und teilweise schon erteilt. Auch das Europäische Patentamt hat im Herbst 2005 einem Patentantrag von Delta & Pine und dem amerikanischen Landwirtschaftsministerium zur Sterilisierung von Saatgut mittels Gentechnik zugestimmt. Die Patente gelten für die gentechnische Veränderung unabhängig von der Pflanzenart. Andere Agrarkonzerne wie Syngenta, Monsanto und BASF arbeiten ebenfalls an sterilem Saatgut. Für die Firmen wäre die Terminator-Technologie eine sichere Einnahmequelle: Saatgut, das nicht noch einmal aufgeht, müssen die Bauern jedes Jahr neu kaufen. Der unkontrollierte Nachbau von Samen ist den Agrarkonzernen schon lange ein Dorn im Auge. Für viele Landwirte in den armen Ländern des Südens würde dies jedoch den Ruin bedeuten.
Als die Pläne der Saatguthersteller bekannt wurden, löste dies weltweit Proteste aus. Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt, Bauernverbände und einzelne Regierungen haben sich vehement gegen die neue Technologie eingesetzt. Selbst die Welternährungsorganisation FAO wendet sich entschieden gegen Pflanzen, die sterile Samen bilden. Die Technik gilt als höchst unmoralisch und als ökologisch bedenklich. Aufgrund der öffentlichen Proteste versprachen Monsanto und AstraZeneca (jetzt Syngenta) im Jahr 1999, nicht weiter an sterilem Saatgut forschen zu wollen. 188 Staaten, die die Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen unterzeichnet haben - darunter auch Deutschland -, erneuerten zwar Ende März dieses Jahres ihr Versprechen, diese Technologie nicht einzusetzen. Brasilien und Indien haben sogar eine Anwendung der Terminator-Technologie per Gesetz verboten. Doch der Widerstand gegen das Selbstmordgen steht auf wackeligen Füßen. Im letzten Jahr begannen einige Länder wie Kanada, Neuseeland und die USA gute Stimmung für Pflanzen mit unfruchtbaren Samen zu machen. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass die Konzerne mit Unterstützung der US-Regierung weiter an der Entwicklung von Terminator-Pflanzen arbeiten.
Kein Schutz vor Auswilderung
Die Agrarindustrie verkauft die Terminator-Technologie als besonders sicher. Da die Samen der Pflanzen steril seien, könne sich das gentechnisch veränderte Erbgut nicht unkontrolliert ausbreiten, argumentieren die Konzerne. Würden die Samen per Pollenflug andere Pflanzen bestäuben, so blieben diese unfruchtbar und das gentechnisch veränderte Gen könne sich nicht vermehren. Doch gerade diese Möglichkeit halten Landwirte und Ökologen für ein gewaltiges Problem. Denn wer will schon, dass sein normaler Raps durch Pollenverunreinigung vom Nachbarfeld keimungsunfähig gemacht wird. Noch schlimmer wäre es, wenn sich Terminatorsamen mit Wildpflanzen kreuzten. Diese könnten sich dann nicht mehr natürlicherweise vermehren - für die Artenvielfalt wäre dies eine Katastrophe.
Zudem gilt als unwahrscheinlich, dass es mit der derzeitigen Technik gelingt, alle Samen hundertprozentig unfruchtbar zu machen. Ein Teil der Pflanzen könnte weiterhin keimfähige Samen bilden und die veränderten Gensequenzen über die Pollen verbreiten. Bekannt ist bei transgenen Pflanzen zudem das so genannte silencing. Die Pflanzen enthalten zwar das veränderte Erbgut und können es auch weitergeben, aber die Wirkung kommt nicht zum Tragen. Falls die Genveränderung mit Verzögerung dann doch irgendwann aktiv wird, können Pflanzen betroffen sein, die eigentlich gar nicht unfruchtbar werden sollen.
Nur Agrarmultis profitieren
Die Terminator-Technologie bringt keinerlei landwirtschaftlichen Nutzen mit sich. Die Pflanzen haben weder einen höheren Ertrag noch sind sie besser vor Schädlingen geschützt. Die einzigen, die davon profitieren, sind die Saatgutkonzerne. Sie sichern sich dadurch die absolute Kontrolle über das Saatgut und zwingen die Bauern, jedes Jahr neues zu kaufen. Hiesige Bauern sind zwar weniger davon betroffen, da sie in der Regel ohnehin jedes Jahr neues Saatgut beziehen. Doch besonders für kleine landwirtschaftliche Betriebe in Entwicklungsländern wäre eine sterile Ernte eine finanzielle Katastrophe. Rudolf Buntzel vom Evangelischen Entwicklungsdienst schätzt, dass der Lebensunterhalt von 1,4 Milliarden Menschen vom Nachbau eigenen Saatguts abhängt. Er hält die Terminator-Technologie daher für lebensvernichtend. Ähnlich sehen dies zahlreiche andere Organisationen aus dem Umwelt-, Entwicklungs- und Agrarbereich wie Greenpeace, Attac oder der Bund für Umwelt und Naturschutz. Sie haben sich zu einer Kampagne gegen die tote Saat zusammengeschlossen (www.freie-saat.de) und setzen sich für eine weltweite Ächtung der Terminator-Technologie ein. Von der deutschen Bundesregierung fordern sie, dieses gentechnische Verfahren im Gentechnikgesetz zu verbieten. "Pflanzensorten sollten als gemeinsames Erbe aller Menschen erhalten bleiben", mahnt Oliver Moldenhauer von Attac.
Quelle: Dittrich, K., UGB-Forum 4/06, S. 204-205