Zu viel Fisch auf dem Tisch?
Jod und Omega-3-Fettsäuren machen Fisch zu einem wertvollen Lebensmittel. Doch das schonungslose Ausbeuten der Fischbestände bringt die Lebensvielfalt in den Ozeanen in Gefahr.
Seebarsch (Foto), Wolfsbarsch, Dorade und andere beliebte Mittelmeerarten stammen heute meist aus Aquakulturen. Zwar sind die Bestände nicht gefährdet, doch verenden bei den Wildfängen oft viele Delfine in den Netzen der Trawler. Eingelegt und eingedost, filetiert, paniert oder mariniert - so lassen sich die meisten Konsumenten die proteinreichen Meeresbewohner schmecken. Fisch hat sich längst vom regional begrenzt angebotenen Lebensmittel zum weltweit gehandelten Rohstoff gewandelt. Möglich wurde dies durch die unkontrollierte technische Aufrüstung einer stetig wachsenden Fischereiflotte. Für die begehrten Schlemmerfilets und Fischstäbchen plündern sie die Meere inzwischen weltweit. Der Fang von Millionen Tonnen Fisch und anderer Meerestiere sowie zerstörerische Fangmethoden bedrohen die biologische Vielfalt der Ozeane. Die Welternährungsorganisation (FAO) schätzt, dass mittlerweile 75 Prozent der kommerziell genutzten Fischarten entweder überfischt sind oder am Rande der Überfischung stehen. Die Hauptursache dafür ist, dass es zu viele Schiffe und zu wenig Fische gibt.
Schwimmende Fangfabriken auf hoher See
Die Menge der Fischereifahrzeuge hat sich seit 1970 verdoppelt. Rund 3,5 Millionen Fangschiffe sind heute in den Ozeanen unterwegs. Nur ein Prozent davon sind industrielle Schiffe, die sich allerdings rund die Hälfte der Beute sichern.
Echolot und Radar orten Fischschwärme selbst in entlegensten Winkeln. Die Trawler navigieren mit Hilfe von Satelliten und bestimmen ihre Position in den Weiten der Meere auf den Punkt genau. Hubschrauber lotsen die Schiffe direkt zur Beute. Schwimmende Fangfabriken filetieren ihre Fänge auf hoher See, wo sie dann tiefgefroren werden. Seit Jahren liegt die Anlandung weltweit bei ca. 100 Mio. Tonnen. Jährlich werden außerdem ca. 30 Mio. Tonnen Fisch als Beifang, also nicht gewollte Fangbeute, tot oder sterbend über Bord geworfen. Mitverantwortlich für diese Entwicklung ist eine desaströse Subventionspolitik. Die Weltbank schätzt, dass die Subventionen 20 bis 25 Prozent vom Wert des jährlich angelandeten Fisches ausmachen. Allein die Subventionen der EU betragen ca. 1,4 Milliarden Euro pro Jahr. In Brüssel sind diese Probleme längst bekannt, aber viel getan hat sich bislang nicht. Eine Änderung der Subventionspolitik ist ab 2005 verkündet, aber ob es zu einer tatsächlichen Veränderung kommt, bleibt abzuwarten. Um so wichtiger ist es, dass wir als Konsumenten durch unser Kaufverhalten der Fischerei und auch der Politik ein Signal geben und so dazu beitragen, die Plünderung der Ozeane zu stoppen.
Viele Speisefische sind bedroht
Die Greenpeace-Broschüre "Fisch & Facts" bewertet die Bestandssituation und Fangmethoden der beliebtesten Speisefische und Meeresfrüchte. Jedes Jahr wird die Situation neu überprüft und die einzelnen Arten als "akzeptabel", "kritisch" und "katastrophal" bewertet. Die Datengrundlage liefert der Rat für Meeresforschung (ICES) und die Fakten werden von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei (BfA) geprüft. Das Resultat: Es gibt nicht viele Fische auf dem Markt, die man bedenkenlos essen kann. Lediglich Hering, Makrele, Seelachs und Karpfen können, basierend auf den Kriterien Bestandssituation und Fangmethoden, bedenkenlos für den Verzehr empfohlen werden. Bei Hering sind allerdings die Bestände der zentralen Ostsee wegen Missmanagements und natürlicher Faktoren bedroht. Empfehlenswert sind auch aus Biozucht stammende Karpfen, Forellen und Lachs. In den Öko-Aquakulturen sind beispielsweise die Herkunft des Futters, ein ausreichender Sauerstoffgehalt oder die maximale Besatzdichte im Teich vorgeschrieben.
Als kritisch bewertet Greenpeace unter anderem den Verzehr von Sardinen, Nordseekrabben, Miesmuscheln oder Tintenfisch, da die Bestandslage kritisch ist oder die Fangmethode gravierend die Umwelt beeinträchtigt. Beispielsweise schaden Schleppnetze, die mit Eisenketten den Meeresboden durchpflügen, den dort angesiedelten Lebewesen und steigern noch den ohnehin viel zu hohen Beifang. So sterben für jedes Kilogramm Seezunge, das in den Fischläden landet, bis zu neun Kilogramm anderer Meerestiere in den Netzen. Katastrophal ist die Situation nach wie vor für Nordsee-Kabeljau, Ostsee-Dorsch, Rotbarsch, Alaska-Seelachs, Heilbutt, Scholle und Tunfisch. Diese Arten gehören aus ökologischen Gründen überhaupt nicht auf den Teller.
Intensive Aquakulturen sind keine Lösung
Die konventionelle intensive Aquakultur ist keine Alternative zur Fischerei. Sie ist im Gegenteil sogar mitverantwortlich für die Fischereikrise. Weltweit operierende Fangflotten fangen gezielt Fisch, der zu Fischmehl verarbeitet und in den Aquakulturen verfüttert wird. Um zum Beispiel ein Kilogramm Lachs zu erzeugen, werden fünf Kilogramm Fischmehl benötigt. Von einer nachhaltigen Energie- und Eiweißbilanz kann hier nicht die Rede sein. Außerdem sind die direkten Umweltschäden gewaltig: So ist die Verschmutzung durch eine kleine Lachsfarm (500 Tonnen pro Jahr) vergleichbar mit den Abwässern einer Kleinstadt von 7500 Einwohnern.
Rückstände von Chemikalien und Antibiotika sind die unmittelbarsten Folgen der intensiven Schrimpszucht. Jedoch wissen viele Verbraucher nicht, welche Umwelt- und sozialen Probleme mit der Schrimpfischerei verbunden sind. So werden in Asien und Lateinamerika durch Garnelenfarmen großflächig Mangrovenwälder vernichtet. Das artenreiche Ökosystem dient vielen Fischarten als Laichplatz und schütz als natürliches Deichsystem die Küstenbewohner vor Sturmfluten und Überschwemmungen. Die Mangrovenwälder dienen der einheimischen Bevölkerung zudem oft als wichtige Lebensgrundlage, das Holz als Bau- und Brennstoff und das Laubals Viehfutter.
Gefährdung für Tiefseefische kaum absehbar
Tiefseefische leben in den kalten und nahrungsarmen Tiefen bis 1500 Meter. Sie haben sich den Lebensbedingungen dort unten angepasst und führen gleichsam ein Leben in Zeitlupe. Der Atlantische Sägebauch (Orange roughy) wird zum Beispiel erst mit etwa 25 Jahren geschlechtsreif, dafür aber bis zu 150 Jahre alt. Arten mit einem solch langen Lebenszyklus haben sehr wenig Nachwuchs und sind durch die Fischerei besonders gefährdet. Ein Bericht des ICES stellt fest, dass "die meisten der genutzten Tiefseearten derzeit außerhalb sicherer biologischer Grenzen befischt werden". Erst 2002 hat sich die EU-Fischereibürokratie zu Regeln für den Fang von Tiefseefischen wie Leng, Meerbrasse oder Grenadierfisch durchgerungen. Jedoch ist nach heutigem Wissensstand noch viel zu wenig über die Populationsgrößen und die Fortpflanzungsbiologie der meisten Tiefseearten bekannt, als dass eine Festlegung von Fangmengen das Vorsorgeprinzip erfüllen könnte.
Unbelastete Arten bevorzugen
Die meisten Speisefische sind nur relativ gering mit Umweltchemikalien belastet. Manche Arten überschreiten jedoch die gesetzlichen Grenzwerte immer wieder. Es sind insbesondere fettreiche Fische, bei denen sich Umweltchemikalien wie Quecksilber, Dioxine, TBT (Tributylzinn) oder bromierte Flammschutzmittel im Fett anreichern. Besonders betroffen sind langlebige Arten und Raubfische, die am Ende der Nahrungskette stehen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt deshalb schwangeren und stillenden Frauen den Verzehr von Fischen einzuschränken, die für ihre hohe Belastung mit Quecksilber bekannt sind. Dazu zählen Hai, Schwertfisch, Heilbutt und Tunfisch.
Fische aus küstennahen und von Land umschlossenen Meeren wie Ostsee, Nordsee oder Mittelmeer enthalten mehr Schadstoffe als Fische aus Hochsee-Fanggebieten. So sind die fettreichen Heringe und Makrelen aus der Nordsee rund viermal stärker mit Dioxinen belastet als Magerfische wie etwa der Seelachs. Auch in Ostseefischen wurden in den letzten Jahren teils sehr hohe Dioxinkonzentrationen gefunden. Neueste Untersuchungen haben ergeben, dass auch Zuchtlachse, insbesondere aus europäischen konventionellen Farmen stark belastet sind. Ursache ist das Futter aus Fischmehl und Fischöl, in dem sich die schädlichen Substanzen anreichern. Um Gesundheitsschäden vorzubeugen, sollten vor allem Schwangere und Kleinkinder diese Arten meiden. Auf Fisch als wertvolles Lebensmittel müssen Verbraucher deshalb aber nicht verzichten, wenn sie beim Kauf auf die problematischen Arten achten.
Fischstäbchen bleiben in der Grauzone
Damit Verbraucher unbelastete Ware erkennen können, ist eine entsprechende Kennzeichnung erforderlich. Seit 2002 gilt hierzu eine neue EU-Verordnung. Frische, gefrorene, geräucherte und getrocknete Fischereiprodukte dürfen nur verkauft werden, wenn sie mit Handelsbezeichnung (Art), Produktionsmethode (Meeres-, Binnenfischerei oder Aquakultur/Zucht) sowie Fanggebiet (z. B. Nordostatlantik, Ostsee) oder Aufzuchtgebiet (z. B. Norwegen) gekennzeichnet sind. Die Kennzeichnung verrät jedoch nichts darüber, wie es um den Zustand der Fischbestände steht. Zudem ist unbegreiflich, dass Verarbeitungsprodukte wie Fischstäbchen und Konserven nicht von der Regelung betroffen sind.
Umwelt- und gesundheitsbewusste Verbraucher finden inzwischen auch bei Fischprodukten Bio-Angebote. Weltweit gibt es bereits eine Vielzahl von Öko-Labels für Fischprodukte. Nicht alle sind unumstritten. Sinnvoll sind etwa die Kriterien des Öko-Verbands "Naturland" für eine art- und umweltgerechte Fischzucht, die für heimischen Lachs und Meerforellen zu empfehlen sind. Andere Organisationen haben Richtlinien für eine verantwortungsbewusste Meeresfischerei aufgestellt. Hier gibt es Siegel, die sich leider nur auf eine Komponente der Fischerei beziehen. Ein Label für Tunfisch garantiert beispielsweise, dass die Fische ohne Beifang von Delfinen gefischt wurden. Dass es bei dieser Fischerei jedoch auch zu Beifang von anderen Fischarten, Schildkröten oder Vögeln kommt, schließt das Siegel nicht aus. Es gibt jedoch ein Label von AIDCP (The Agreement on the International Dolphin Conservation Program), für Tunfisch aus dem tropischen Ostpazifik. Dieses Label garantiert, dass keine Delfine mitgefangen sind. In Deutschland sind Fische mit diesem Siegel allerdings nicht erhältlich. Der Ansatz ganze Fischereien zu zertifizieren, ist die einzige Möglichkeit eine nachhaltige Fischerei zu gewährleisten.
Foto: Greenpeace