Aromen in Bioware

Wer im Bioladen einkauft, hat eine besonders hohe Erwartung an die Qualität der Lebensmittel. Natürlich und gesund soll das Angebot sein. Doch ganz ohne künstliche Zusätze und Aromastoffe kommt auch Bioware nicht aus.

Natürliche Aromen - natürliches Aroma - Aromen in Bioware - künstliche Aromen

Ganz auf Zusatzstoffe können selbst Biohersteller nicht verzichten. Denn schließlich sollen auch die ökologisch hergestellten Waren appetitlich aussehen, eine bestimmte Zeit haltbar sein und gut schmecken. Die Zahl der erlaubten Zusatzstoffe ist jedoch streng begrenzt. Während in der konventionellen Lebensmittelindustrie 297 Zusatzstoffe zugelassen sind, genehmigt die EG-Bio-Verordnung lediglich 36. Hinzu kommen natürliche Aromen und Aromaextrakte.

Von der Aromatisierung sind insbesondere zwei Produktgruppen im Naturkosthandel betroffen: Fruchtjoghurt und Tee. Aber auch Fertiggerichte, Speiseeis, Süß- und Backwaren in Bioqualität sind oft geschmacklich aufgepeppt. Im Fruchtjoghurt setzen viele Hersteller natürliche Aromastoffe ein, weil sie für den fruchtigen Geschmack sonst so große Mengen an Biofrüchten benötigen würden, dass der Joghurt zu teuer würde. Besonders einige Obstarten wie Erdbeeren oder Kirschen schmecken schon nach kurzer Zeit fade, weil die Milchsäure des Joghurts das fruchteigene Aroma abbaut. Doch die zugesetzten Aromen sind nicht ganz so natürlich, wie es vielleicht klingt. Denn der Hinweis "natürlich" bezieht sich nur darauf, dass das Aroma aus tierischen oder pflanzlichen Rohstoffen gewonnen werden muss (siehe Kasten). Dies können zum Beispiel Bakterien oder Baumrinde sein. Weitergehende Beschränkungen z. B. darüber, wie die Aromastoffe gewonnen oder welche Konservierungs- und Trägerstoffe eingesetzt werden, gibt es in der Bio-Verordnung nicht. Ausgeschlossen ist bei Bio-Produkten allerdings, dass die Zusätze aus oder durch genetisch veränderte Organismen (GVO) erzeugt werden. Selbst Reinhard Langerbein, zuständig für das Ressort Verarbeitung beim Bundesverband Bioland sieht "in der Zulassung der Aromatisierung ... ein gewisser Widerspruch zu dem Grundsatz der möglichst weitgehenden Naturbelassenheit von Öko-Lebensmitteln". Denn Aromastoffe werden ja mit dem Ziel eingesetzt, entweder den natürlichen Geschmack zu verstärken oder aber ein Aroma zu erzeugen, das natürlicherweise nicht vorhanden ist.

Aromen in Bioware: Natürlich oder künstlich?

Wenn in der Zutatenliste der Begriff "Aroma" auftaucht, kann es sich um natürliche, naturidentische oder künstliche Aromastoffe handeln. Bei Bio-Produkten sind im Gegensatz zu konventionellen Lebensmitteln aber nur natürliche Aromen zugelassen.

Natürliche Aromastoffe werden mittels physikalischer, enzymatischer oder mikrobiologischer Methoden aus Ausgangsstoffen pflanzlicher oder tierischer Herkunft gewonnen. Natürliche Aromen sind in der Regel nicht aus der Frucht (z. B. aus Erdbeeren) gewonnen, sondern stammen aus Schimmelpilz- oder Bakterienkulturen, die entsprechende Aromastoffe produzieren. Für Allergiker kann diese laxe Kennzeichnung ein echtes Problem darstellen. Ist das Aroma z. B. als natürliches Erdbeeraroma deklariert, muss es dagegen "fast ausschließlich" aus der angegebenen Zutat stammen.

Naturidentische Aromastoffe sind den in der Natur vorkommenden Aromastoffen chemisch gleich, werden jedoch im Labor synthetisiert, z. B. Vanillin.

Künstliche Aromen sind chemische Verbindungen, die in der Natur so nicht vorkommen.


Aromen in Bioware: Neue Aromastoffrichtlinien in Arbeit

Um diesen Widerspruch aufzulösen, hat die Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL) Anfang 2001 eine neue Verarbeitungsrichtlinie zur Verwendung von Aromastoffen erlassen. Doch die AGÖL hat sich mittlerweile aufgelöst und eine ähnlich strukturierte Organisation, die für ihre Mitglieder verbindliche Rahmenrichtlinien formuliert, ist nicht in Sicht. Zwar haben Anbauverbände, Bio-Hersteller und der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) im Sommer 2002 den Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) gegründet. Einheitliche Grundsätze oder eine abgestimmte Vorgehensweise gibt es bisher aber nicht. Ehrgeiziges Ziel der AGÖL-Initiative war es, nur noch Produkte ohne natürliche Aromastoffe zuzulassen; bereits auf von drei Jahren bekommen, um Alternativen zu entwickeln. Erlaubt bleiben sollten lediglich ökologische Aromaextrakte, einschließlich ökologisch zertifizierter ätherischer Öle, wobei die Ausgangsmaterialien aus Ökoanbau stammen müssen und eine Extraktion nur mittels Öl, Ethanol, Wasser oder Kohlendioxid erfolgen darf. Nur wenn diese nicht verfügbar sind, sollten konventionelle Aromaextrakte eingesetzt werden dürfen. Eine weitere Absicht war auch, so Ralf Alsfeld von Bioland, Druck auf die Aromaindustrie auszuüben, um die Qualität der Aromaproduktion zu verbessern. Bisher gibt es nämlich kaum Aromen, die tatsächlich aus Früchten gewonnen werden, wie beispielsweise Zitrusfruchtaroma aus Zitrusfruchtschalen.

Fruchtjoghurt gibt es schon ohne

Das Ziel, ohne natürliche Aromen auszukommen, verfolgen die meisten Anbauverbände nach wie vor. Doch von der konkreten Umsetzung sind sie noch weit entfernt. Beim Bioland-Verband ist derzeit der Einsatz von herkömmlichen natürlichen Aromen bzw. Aromaextrakten ausschließlich für Fruchtzubereitungen in Joghurt und für Dauerbackwaren gestattet. Dennoch gibt es Bemühungen, ohne Aromen auszukommen. Ein Weg sind Fruchtkombinationen, die einen intensiven Eigengeschmack haben wie Sanddorn oder Holunderbeere. Auch der Joghurt auf Frucht von der Molkerei Söbbeke, der gerade auf der BioFach 2003 zum Produkt des Jahres ausgezeichnet wurde, kommt ganz ohne aus. Noch im Frühjahr will Naturland über die weitere Vorgehensweise abstimmen. Am konsequentesten ist bislang der Demeter-Verband. Die Anbauorganisation hat für ihre Produkte eine Übergangsphase bis zum 12. Mai 2004 festgelegt. Danach dürfen in Demeter-Ware nur noch Aromaextrakte, Fruchtauszüge und Aromen der namensgebenden Pflanzen zum Einsatz kommen.

Beim Teeangebot im Bioladen gibt es zwei völlig verschiedene Ansätze, mit dem Thema umzugehen. Während beispielsweise die Firmen Lebensbaum und die gepa ganz bewusst auf aromatisierte Teesorten verzichten und dafür auch einen geringeren Absatz in Kauf nehmen, sind andere wie Oasis oder Herbaria überzeugt, nur mit Aromatisierungen den Kundenwünschen gerecht werden zu können.

Aromen in Bioware: Bio um jeden Preis?

Der Einsatz von natürlichen Aromen ermöglicht es, eine größere Auswahl an "geschmackvollen" Bio-Produkten anzubieten. Gerade für Neueinsteiger in die Bioszene, so argumentieren die Befürworter, sollten Bio-Lebensmittel vertraut, das heißt eben auch aromatisiert schmecken. Denn gekauft wird am Ende das, was schmeckt. Und leckerer Erdbeerjoghurt, bei dem das Aroma tatsächlich aus Erdbeeren stammt, ist derzeit nicht herzustellen. Hier stellt sich also einmal mehr die Frage: Geht es darum, unverfälschte Lebensmittel in optimaler Bioqualität einer begrenzten Kundenschar anzubieten oder sollte alles, was es im konventionellen Handel gibt, auch in Bioqualität erhältlich sein? Schließlich werden dann mehr Lebensmittel ökologisch angebaut und verarbeitet. Allerdings verspielen Bio-Produkte so einen wichtigen Vorteil gegenüber konventionellen Lebensmitteln, nämlich Naturbelassenheit, Glaubwürdigkeit und Transparenz. Letztendlich entscheiden die Verbraucher über das Angebot. Denn nur wenn aromatisierte Produkte im Regal stehen bleiben, werden die Biohersteller auch keine mehr produzieren.

Quelle: Becker, U.: UGB-Forum 2/03, S. 108-109