Sauerkraut: Nur frisch ein Fitmacher
Von der Street-Food-Bewegung bis zum Sternerestaurant wird Sauerkraut gerade neu entdeckt. Es schmeckt nicht nur lecker, sondern ist auch gesund. Um den vollen Wert auszukosten, kommt es am besten unerhitzt auf den Tisch.
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Auch unser edles Sauerkraut, wir sollen‘s nicht vergessen; ein Deutscher hat‘s zuerst gebaut, drum ist‘s ein deutsches Essen“, schreibt der Dichter Ludwig Uhland (1787-1862) in seinem Metzelsuppenlied. Doch ob Sauerkraut wirklich als ein urdeutsches Gewächs bezeichnet werden kann, ist nicht sicher. Historiker vermuten, dass nomadische Tartaren das vergorene Gemüse nach Europa gebracht haben.
Was passiert im Glas?
Ob Asien oder Aachen, die Herstellung erfolgt im Prinzip immer nach der gleichen Methode. Benötigt werden: Weißkohl, Salz, eventuell Gewürze, Wasser und ein großes Gefäß. Das Gemüse wird fein gehobelt, mit Salz vermengt und kräftig gestampft. Dabei tritt Flüssigkeit aus. Diese muss den Kohl gut bedecken, damit er nicht mehr mit Luft in Berührung kommt. Denn die sich anschließende Milchsäuregärung erfolgt unter Ausschluss von Sauerstoff. Der als Fermentation bezeichnete Prozess dauert zwischen einer Woche und wenigen Monaten, je nachdem wie sauer das Kraut werden soll. Fermentation ist das Werk von Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen. Das Wort leitet sich vom Lateinischen Fermentum ab – was so viel heißt wie Gärung. Die winzig kleinen Mikroorganismen, die sich naturgemäß in und auf dem Gemüse befinden, vergären den pflanzeneigenen Zucker zu Säure. Diese schützt das Gemüse vor Verderbniserregern, so dass es monatelang haltbar bleibt.
Selbst machen im Trend
Früher wurde Gemüse vor allem vergoren, um einen Vorrat für den Winter anzulegen. In ländlichen Regionen lagerten die großen tönernen Gärtöpfe in so manchem Kellerraum. Für die moderne Sauerkrautproduktion in der Stadt werden heute meist kleine Mengen in einem Glas hergestellt. Neben Kraut lässt sich auch fast jedes andere Gemüse ins Glas packen, beispielsweise Gurken, Möhren, Fenchel oder rote Bete.
Frisch muss es sein
Milchsäurebakterien sind neben der Milchsäure die wichtigsten Gesundsubstanzen im Kraut, ob Lactobacillus mesenteroides, L. brevis oder L. plantarum. Mit dem Kraut gelangen sie teilweise in den Darm und entfalten dort ihre Wirkungen. Die Bakterien fördern eine gesunde Darmflora und bilden sogenannte Bacteriocine, eine Art Abwehrtruppe, die krank machenden Keimen Paroli bietet. Die von den Bakterien produzierte Milchsäure regt die Darmbewegung an, sorgt für einen günstigen pH-Wert und stärkt die Darmschleimhaut. Sie dient zudem der Energiegewinnung in Muskeln, Leber und roten Blutkörperchen.
Kein Wunderbrunnen für Vitamine
Anders als immer wieder behauptet wird, strotzt Sauerkraut nicht vor Vitamin C und Vitamin B12. 100 Gramm Kraut liefern gerade mal 20-30 Milligramm Vitamin C. Da können andere Gemüse mehr. Für die Versorgung mit Vitamin B12 ist es gar nicht geeignet. Heute weiß man, dass höchstens Spuren des Vitamins enthalten sind. Andere Angaben beruhen auf alten Messungen, die auch sogenannte Vitamin-B12-Analoga erfassten. Sie haben zwar eine ähnliche chemische Struktur wie das „echte“ Vitamin B12, entfalten aber keine Vitaminwirkung.
Nur unerhitztes Frischkost-Sauerkraut strotzt vor Milchsäurebakterien. Kraut aus Dose, Glas oder Beutel wird pasteurisiert oder sterilisiert, damit es möglichst lange haltbar bleibt. Doch das Erhitzen macht den gesunden Bakterien den Garaus. Frisches Sauerkraut gibt es in Naturkost-Fachgeschäften, Reformhäusern oder auf dem Wochenmarkt. Meist wird es lose oder abgepackt in kleinen Eimern im Kühlregal angeboten. Bei Bio-Sauerkraut stammen die Zutaten aus kontrolliert biologischem Anbau. Unnötige Zusätze wie Süßstoffe, Zucker und Aromen – bei konventionellem Kraut üblich – sind tabu. Achten Sie beim Einkauf auf die Angabe „frisch“.
Neu interpretiert
Frischkost-Sauerkraut kommt am besten unerhitzt auf den Teller. Wahre Fans naschen es direkt aus dem Glas. Raffinierter wird das Kraut, wenn Sie es mit anderem Gemüse oder Obst mischen und mit etwas Öl und Pfeffer marinieren. Säure und Salz bringt das Kraut schon von Haus aus mit. Abmildern können Sie die Säure durch Äpfel, Birnen oder Trauben beziehungsweise Wurzelgemüse wie Möhren oder Rote Bete. Auch etwas süße oder saure Sahne im Dressing wirken ausgleichend.
In der warmen Küche wird Sauerkraut klassisch mit Kartoffelbrei kombiniert. Dafür muss es nicht lange erhitzt und schon gar nicht in Wasser gekocht werden. Ein paar Minuten auf dem Herd reichen aus und erhalten den Biss. Moderne Köche verarbeiten das Kraut in Smoothies, auf Pizzen oder Burgern. Wer wenig Zeit hat, bringt das Sauergemüse in einer Nudelpfanne oder einem Kartoffeleintopf ruckzuck auf den Tisch. Als Gewürze eignen sich Wacholderbeeren, Kümmel, Lorbeerblätter oder auch mal Minze oder Rosmarin. Es lohnt sich, immer einen Vorrat an frischem Sauerkraut im Kühlschrank zu haben. Es riecht dann vielleicht ein bisschen strenger. Doch das ist ein gutes Zeichen, denn: hier ist noch Leben drin.
Quelle: Sabersky A. UGBforum 6/2016, S. 283-284
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