Lässt sich Weisheit löffeln?
Ob Magnesium, Lecithin oder Tryptophan: Bestimmte Nährstoffe sollen den Gehirnzellen auf die Sprünge helfen. Doch wer glaubt, sich schlau essen zu können, befindet sich auf dem Holzweg.
Obwohl das Gehirn eines Erwachsenen nur rund zwei Prozent des Körpergewichts ausmacht, benötigt es ein Fünftel des gesamten Sauerstoff- und Energiebedarfs. Dieser enorme Verbrauch ist nicht weiter verwunderlich, betrachtet man die vielfältigen Aufgaben, die unser Gehirn bewältigt. Wir können zugleich fühlen, sehen, hören, sprechen, uns bewegen und die verschiedenen Sinneseindrücke speichern - und all das wird von unserem Gehirn koordiniert und ausgeführt. Mit Hilfe von Botenstoffen - den Neurotransmittern - steuert es über ein dichtes Netz von Nervenfasern die Weiterleitung von Impulsen und Informationen. Die Schaltzentrale unseres Körpers regelt daher auch unseren Schlaf, den Appetit, unsere Stimmung und vieles mehr.
Um diese Meisterleistung zu vollbringen, sind verschiedenste Substanzen nötig. Sie müssen entweder über die Nahrung zugeführt oder aus einzelnen Nahrungsbestandteilen gebildet werden. Da bleibt es nicht aus, dass manch einer auf die Idee kommt, seine geistige Leistungsfähigkeit durch die Einnahme entsprechender Nährstoffe aufbessern zu wollen. Die schlechte Nachricht: Der Intelligenz-Quotient (IQ) kann durch die Ernährung nicht gesteigert werden. Er ist genetisch festgelegt. Die gute Nachricht aber: Durch eine abwechslungsreiche Ernährung kann der schlafende Geist geweckt werden und der IQ somit zu seiner vollen Ausprägung gelangen. Denn viele Stoffe aus unserer Nahrung fördern die Aufmerksamkeit und Konzentration und machen somit mental leistungsfähiger.
Aminosäuren braucht das Hirn
Proteine spielen als Lieferanten von Aminosäuren eine wichtige Rolle für unser Gehirn. Diese Proteinbausteine dienen nicht nur als Baumaterial von Körpergeweben, Nerven und Gehirn. Sie sind auch für die Herstellung der Neurotransmitter und die Funktion des Nervennetzwerks sehr wichtig. Daher sind die Aminosäuren unentbehrlich für eine gute Leistung unseres Gehirns. Auch unsere Stimmung hängt von bestimmten Aminosäuren ab. Tryptophan beispielsweise wird im Gehirn in das Hormon Serotonin umgewandelt. Dieses sorgt unter anderem für gute Laune und regelt unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Außerdem ist es als wichtiger Botenstoff für die Übertragung von Nervenimpulsen zuständig. Tryptophan ist in vielen Lebensmitteln enthalten, beispielsweise in Geflügel, Fisch, Milchprodukten, Nüssen und Bananen. Eine andere Aminosäure, das Isoleucin, verbessert das Denkvermögen und wirkt sich positiv auf unsere Psyche aus. Bei Personen mit Psychosen fanden Wissenschaftler vermehrt niedrige Isoleucinspiegel. Isoleucin kommt unter anderem in Fleisch, Thunfisch, Lachs, Weizenkeimen und Nüssen (vor allem Erdnüssen) vor.In der Regel nimmt der Durchschnittsdeutsche eher zu viel als zu wenig Protein auf. Ein Mangel an essenziellen Aminosäuren ist daher nur bei extrem einseitiger Ernährung zu befürchten. Dagegen kann sich zu viel Protein ungünstig auswirken: Nicht nur die Blutgefäße können in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine Überversorgung kann auch auf die Stimmung schlagen. Denn bei einem Überangebot an Eiweiß konkurrieren viele Aminosäuren mit Tryptophan um die gleichen Transportwege ins Gehirn. So kann es dort zu einer Unterversorgung und schlechter Laune kommen.
Fette für besseres Lernvermögen
Gehirn und Nervensystem bestehen zu über 50 Prozent aus Fett. Ungesättigte Fettsäuren beeinflussen die Größe des Gehirns und die Menge der Zellen und sind so maßgeblich am Lernvermögen eines Menschen beteiligt. Besonders bedeutsam sind die essenziellen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. So bestehen beispielsweise 20 Prozent des Fettes im Gehirn aus Docosahexaensäure, einer Omega-3-Fettsäure. Diese sorgen als Bestandteile der Zellmembranen dafür, dass die Nervenzellen in der Lage sind, elektrische Impulse zu übertragen. Omega-3-Fettsäuren schützen zudem das Nervensystem vor altersbedingten Schädigungen. Trotz der positiven Wirkungen ist die zugeführte Menge an Fettsäuren entscheidend. Denn eine zu hohe Aufnahme an Omega-6-Fettsäuren kann die Omega-3-Fettsäuren in ihrer Arbeit behindern und das Nervensystem sogar schädigen. Bei der hierzulande üblichen Ernährung nehmen wir Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren in einem Verhältnis von 20:1 auf. Ernährungswissenschaftler empfehlen jedoch eine Zusammensetzung von 5:1, damit beide Nährstoffe optimal wirken können. Daher sollten statt Sonnenblumen- und Maiskeimöl häufiger Walnuss- und Rapsöl auf den Tisch kommen und regelmäßig fetter Fisch wie Makrele und Lachs verzehrt werden.
Lecithin beflügelt die Werbeversprechen
Eine andere fettähnliche Substanz, die für die Funktion des Gehirns wichtig ist, ist das Phosphatidylcholin, besser bekannt als Lecithin. Lecithin zählt zur Gruppe der Phospholipide, die wichtiger Bestandteil der Zellmembranen sind, unter anderem von Gehirn und Nervenzellen. Phospholipde sind nicht nur zuständig für den Ionentransport durch die Zellmembranen, sondern isolieren auch die Nervenfortsätze, sorgen also für die reibungslose Weitergabe von Nervenimpulsen. Lecithin wird zudem in Nerven und Gehirn zu Acetylcholin umgewandelt, dem bedeutendsten Neurotransmitter des Nervensystems. Hohe Gehalte an Lecithin finden sich in Walnüssen, Eiern, Mais, Erbsen, Sojaprodukten, Lupinen und Buttermilch - und in zahlreichen Präparaten. Denn insbesondere Lecithin soll laut den gängigen Werbeaussagen die Hirnleistung steigern bzw. im Alter erhalten. Diese Wirkung des isolierten Stoffs ist allerdings fraglich, da der Lecithinbedarf unseres Organismus normalerweise durch die körpereigene Produktion und die Aufnahme durch die Nahrung sichergestellt ist.
Werbung hält nicht was sie verspricht
Ein weiteres wichtiges Phospholipid ist das Phophatidylserin, auch Lipamin-PS genannt. Es ist verstärkt in Nervenzellen zu finden. Wissenschaftler vermuten, dass es wesentlich für die kognitive Leistungsfähigkeit des Gehirns verantwortlich ist und die Funktion der Nervenzellen günstig beeinflusst. Die Lipamine werden vom Körper selbst gebildet oder über die Nahrung zugeführt. Unklar ist derzeit noch, ob es im Alter zu einem Mangel durch eine geringere Eigenproduktion an Lipaminen kommt und ob eine isolierte Zufuhr die Merkfähigkeit von Senioren steigern kann. Die Hersteller entsprechender Präparate versprechen dies allerdings schon heute.Vitamine schützen Hirngefäße
Alle Vitamine sind für die Gehirnfunktion von Bedeutung. So fungieren beispielsweise die Vitamine A, C und E als Antioxidanzien und machen freie Radikale unschädlich. Sie schützen somit Nerven und Gefäße und sorgen für ein gute Gehirnleistung im Alter. Vitamin E steigert außerdem die geistige Leistung, allerdings nur, wenn tatsächlich ein Mangel besteht. Eine zusätzliche Aufnahme über den Bedarf hinaus bringt nichts, sondern kann vielmehr zu Magen-Darm-Beschwerden führen und die Blutgerinnung negativ beeinflussen.Die B-Vitamine sind vor allem an der Bildung von Neurotransmittern beteiligt und spielen bei der Bereitstellung von Energie eine wichtige Rolle. Sie sind daher für die normale Funktion unseres Gehirns besonders bedeutsam, weil es wie eingangs erwähnt fast ein Fünftel unserer Körperenergie benötigt. Ein Mangel an B-Vitaminen schlägt sich demnach in einer schlechten Gedächtnisleistung und Konzentrationsschwäche nieder. Mineralstoffe sind für die Gehirnfunktion ebenfalls unentbehrlich. So ist Calcium an der Weiterleitung von Nervenimpulsen maßgeblich beteiligt. Auch Natrium und Kalium unterstützen die Funktion der Nervenzellen; Phosphor braucht das Gehirn zur Energieproduktion. Das gilt auch für Magnesium, das unverzichtbar für die Freisetzung von Energie aus ATP ist. Magnesium schützt unser Nervensystem außerdem vor Stress. Denn es unterbricht die Kettenreaktion, die zur Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin führt. Liegen keine chronischen Erkrankungen oder sehr einseitige Ernährungsweisen vor, nehmen wir all diese Mineralstoffe in ausreichenden Mengen auf. Eine zusätzliche Zufuhr über Nahrungsergänzungsmittel kann die Aufnahme einzelner Mineralstoffe beeinträchtigen und daher mehr schaden als nutzen. So stört beispielsweise eine hohe Eisenaufnahme die Magnesiumverwertung und eine hohe Zinkeinnahme kann zu Kupfermangel führen.
Glucose: Treibstoff für´s Gehirn
Ganz wichtig für eine gute Hirnleistung ist die Energiezufuhr. Die wesentliche Energiequelle des Gehirns ist Glucose, ein Einfachzucker. Der Glucosespiegel im Blut sollte möglichst konstant sein, damit das Gehirn kontinuierlich mit Energie versorgt wird. Schwankt der Blutzuckerspiegel zu stark, kann es zu geistiger Erschöpfung, Schwindel, Verwirrtheit oder Krämpfen kommen. Wichtig ist es daher, den Körper kontinuierlich, also mehrmals am Tag, mit Energie zu versorgen. Besonders geeignet sind Lebensmittel, die vor allem komplexe Kohlenhydrate enthalten wie Vollkornprodukte, Reis, Gemüse und Obst. Aus diesen geht die Glucose nur langsam ins Blut über und der Blutzuckerspiegel steigt allmählich an. Einfachzucker aus Traubenzuckerplättchen, Süßigkeiten oder Limomonade führen dagegen zu einem raschen Anstieg des Blutzuckers und einer schnellen, starken Ausschüttung von Insulin. Das Hormon sorgt umgehend für den Abtransport des Zuckers in die Zellen, folglich sinkt der Blutzuckerspiegel rasch wieder ab. Darunter leidet auch die Energieversorgung des Gehirns. Zur Konzentrationssteigerung mal schnell einen Traubenzucker einwerfen, um "Körper und Geist mit neuer Power" zu versorgen, wie es die Werbung verspricht, kann also eher das Gegenteil bewirken, nämlich weniger Leistung und Aufmerksamkeit.Flüssigkeit: das A und O für mentale Fitness
Flüssigkeit ist für unser Gehirn besonders wichtig. 83 Prozent des Blutes bestehen aus Wasser. Trinken wir nicht genug, wird das Blut dickflüssiger. Es fließt langsamer und kann nicht mehr so viele Stoffe transportieren. Das beeinträchtigt die Gehirnleistung; Konzentration und Aufmerksamkeit leiden. Studien ergaben, dass die geistige Leistungsfähigeit bei einem Flüssigkeitsdefizit nachlässt. Dagegen verbesserte eine ausreichend hohe Flüssigkeitszufuhr Aufmerksamkeit, Lernleistung und Schulnoten von Schülern bzw. Studenten. Offenbar spricht die kognitive und mentale Leistungsfähigkeit sensibel auf Änderungen der Flüssigkeitsversorgung an. Ausreichend Flüssigkeit nimmt man mit täglich 1,5 bis zwei Litern auf.Aber nicht alle Getränke sind gut geeignet, um das Hirn auf Trab zu halten. Am besten sind Mineralwässer, Kräuter- und Früchtetees. Kaffee und andere coffeinhaltige Getränke sind dagegen mit Vorsicht zu genießen. Sie machen nur kurzfristig wach und leistungsfähiger. Coffein wird sehr rasch aus dem Magen-Darm-Trakt ins Blut aufgenommen und passiert schnell die Blut-Hirn-Schranke. Dort erweitert es die Blutgefäße, wodurch die Großhirnrinde mit mehr Sauerstoff versorgt wird. Zudem ähnelt Coffein in seiner chemischen Struktur dem Adenosin, einem Nebenprodukt des Energiestoffwechsels im Gehirn. Die Aufgabe des Adenosins besteht unter anderem darin, das Gehirn vor Überanstrengung zu schützen. Coffein setzt sich aufgrund seiner ähnlichen Struktur nun auf dieselben Rezeptoren. So kann das Adenosin nicht mehr andocken. Die Nervenbahnen bekommen daher kein Signal mehr, langsamer zu arbeiten. Coffein verhindert somit die beruhigende Wirkung des Adenosins. Man bleibt länger wach, aufmerksam und konzentriert. Sobald die Coffeinwirkung nachlässt, tritt die Müdigkeit bei vielen dafür umso so stärker ein. Außerdem entwickeln wir relativ rasch eine Toleranz gegen Coffein, wenn wir regelmäßig mehr als drei Tassen Kaffee pro Tag trinken. Die Nervenzellen reagieren auf das fehlende Adenosin-Signal und bilden mehr Rezeptoren aus. So können die Moleküle wieder andocken und die Wirkung des Coffeins stark mindern.