Offener Brief an den NDR-Intendanten Lutz Marmor, Tim Mälzer und den verantwortlichen Redakteur Christian Stichler
Stellungnahme des UGB zur ARD-Sendung:
"Der Ernährungs-Check" vom 27.02.2012
Irreführende Ernährungs-Doku zur besten Sendezeit
Eigentlich ist es ganz egal, was man isst. Fast Food, gute deutsche Hausmannskost oder Mittelmeerküche – alles eins? Diesen Eindruck konnte man zumindest gewinnen, wenn man sich am Montag, den 27.02.2012 die ARD-Sendung Der Ernährungs-Check mit Tim Mälzer angesehen hat. Mit einer zweiwöchigen „Studie“ des Mediziners Prof. Peter Nawroth von der Uniklinik Heidelberg meinte er die „Ernährungsweisheiten“ über das gesunde Essen widerlegt zu haben.
Es ist schon verwunderlich, wie ein Wissenschaftler wie Prof. Nawroth glauben macht, mit den Ergebnissen dieser einen Kurzstudie unzählige wissenschaftliche Fachpublikationen widerlegen zu können. Die Untersuchungsergebnisse sind kaum überraschend: Zwischen den drei Gruppen von Testessern, die entweder Fast Food, deutsche Haumannskost oder Mittelmeerküche serviert bekamen, gab es nach nur zwei Wochen keine signifikanten Unterschiede in den Blutparametern oder in der Gewichtsveränderung. Eigentlich sollte klar sein, dass die Aussagekraft einer derart kurzen Studie gering ist.
Was in der kurzen Zeit aber schnell deutlich wurde: Die Fast-Food-Esser hatten ständig Hunger, weil die für alle Probanden auf 2400 Kilokalorien beschränkte Energiezufuhr durch Burger und Pommes einfach nicht ausreichte, um sich satt zu fühlen. Die mediterrane Gruppe fühlte sich dagegen durch die großen Salat- und Gemüseportionen bestens versorgt. Was sich also allenfalls aus der „Studie“ ableiten ließe ist, dass Menschen, die sich hauptsächlich mit Fast Food ernähren, mehr essen müssen, um satt zu werden und dadurch mehr Energie aufnehmen.
Diese Ergebnisse einem Millionenpublikum als „Wahrheit“ aufzutischen, hält der UGB für irreführend und daher unverantwortlich. Wir fragen uns, welche Interessen bei der ARD oder vielleicht bei den zitierten Wissenschaftlern hinter der Veröffentlichung solcher Fehlinformationen stecken. Tim Mälzer und die ARD schafften mit dieser abstrusen Ernährungs-Doku eine grandiose Einschaltquote von 4,2 Mio. Zuschauern. Gegen Infotainment, also Informationen in einer unterhaltsamen Verpackung, ist nichts einzuwenden. Doch dem Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender werden solche Sendungen sicher nicht gerecht.
Über den UGB
Seit über 30 Jahren macht sich der Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung e. V. (UGB) für eine gesunde, nachhaltige Ernährungsweise stark. Seine konsequente Unabhängigkeit und produktneutralen Informationen unterscheidet den UGB von anderen Ernährungsverbänden. So stecken hinter vielen vermeintlich seriösen Ernährungsinformationen wirtschaftliche Interessen. Unterstützen Sie uns bitte im Kampf gegen Verbraucherverdummung. Wir bieten der Lobbyarbeit von Ernährungs- und Pharmaindustrie die Stirn, benötigen aber Unterstützung für unsere Aufklärungsarbeit. Unter www.ugb.de/foerdern können Sie 15 €, 25 €, 50 € oder wie viel Sie aufwenden möchten spenden.
Leitlinien und Empfehlungen, die den Nutzen einer „gesunden Ernährung“ (Gemüse, Getreide, Vollkorn, fettarme Ernährung) durch Auswertung zahlreicher Studien belegen, können Sie hier nachlesen:
- Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Ernährung: Obst und Gemüse in der Prävention chronischer Krankheiten. 2007,
- Brehme U. Mediterrane Küche - Gesunde Kost für ein gesundes Herz. UGB-Forum 5, S. 258-261, 1999
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Evidenzbasierte Leitlinie: Fettkonsum und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten. 2006,
- World Cancer Research Fund: Ernährung, körperliche Aktivität und Krebsprävention: Eine globale Perspektive. 2007
- Evidenzbasierte Leitlinie: Kohlenhydratzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten. 2011