Phytoöstrogene - Pflanzenstoffe mit Hormonwirkung

Die Suche nach Alternativen für eine Hormontherapie in den Wechseljahren hat die Phytoöstrogene populär gemacht. Mit einer gezielten Auswahl pflanzlicher Lebensmittel lässt sich die Zufuhr natürlich erhöhen. Von Supplementen ist eher abzuraten.

Phytoöstrogene - östrogenhaltige Lebensmittel © photodee/123RF.com

Hitzewallungen in den Wechseljahren, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose und östrogenabhängige Krebsarten treten in asiatischen Ländern wie Japan und China im Vergleich zu westlichen Industrieländern seltener auf. Dieses Phänomen wird mit dem hohen Anteil an Phytoöstrogenen in einer traditionellen (süd-)ostasiatischen Kost in Zusammenhang gebracht. Die in diesen Ländern größere Menge an Phytoöstrogenen in der Nahrung ist insbesondere auf den reichlichen Verzehr von Soja zurückzuführen. Aufgrund dieser Beobachtungen wurden zahlreiche Studien zur Wirkung von Soja und deren Konzentraten sowie von isolierten Phytoöstrogenen durchgeführt.

Phytoöstrogene sind sekundäre Pflanzenstoffe, die weitestgehend drei Strukturklassen angehören: den Isoflavonen, den Lignanen und den Coumestanen. Diese Substanzgruppen ähneln in ihrer Struktur und Funktion dem 17-ß-Östradiol, einer der wirksamen natürlichen Form des Östrogens. Weil sie die Östrogenrezeptoren sowohl aktivieren als auch blockieren können, besitzen sie zugleich eine östrogene als auch antiöstrogene Wirkung. Zudem haben sie antioxidative und das Zellwachstum hemmende Eigenschaften. Die östrogene Wirkung der Phytoöstrogene ist zwar um den Faktor 100 bis 10.000 geringer als die des 17-ß-Östradiols. Ihre Konzentration im Körper kann jedoch, je nach Lebensmittelzufuhr und Stoffwechsel, die der endogen bedingten Östrogenkonzentration um das 100- bis 10.000-fache übersteigen.

Natürliche Quellen

Lignane und Isoflavone sind die Phytoöstrogene mit der zum derzeitigen Wissensstand größten Bedeutung für den menschlichen Stoffwechsel. Coumestane kommen in der menschlichen Ernährung nur in geringem Maße vor. Diese diphenolischen Substanzen werden erst mit der Verstoffwechslung durch Darmkeime für den Menschen verfügbar. Die Umwandlung dieser pflanzlichen Phytoöstrogene in humanbiologisch wirksame, hängt somit von einer intakten Darmflora ab. Die Gabe von Antibiotika an Versuchspersonen verschlechterte beispielsweise den enzymatischen Aufschluss im Darm. Je nach Struktur der Phytoöstrogene wird auch eine Resorption durch passive Diffusion diskutiert. Ebenso beeinflusst der mikrobielle Abbau der Nahrungsphytoöstrogene im Dickdarm, der starken interindividuellen Unterschieden unterliegt, die Konzentration der biologisch aktiven Phytoöstrogene.

Besonders reich an den Vorläufern der im menschlichen Organismus aktiven Isoflavone sind Sojabohnen und deren Produkte. Lignane finden sich vor allem im Leinsamen und in geringeren Mengen auch in anderen Samen wie Sonnenblumenkernen und Kürbiskernen. Zudem sind Phytoöstrogene in Hülsenfrüchten, Getreidekleie, Vollgetreide, Hopfen, Salbei und einigen alkoholischen Getränken wie Bier und Wein sowie in geringeren Konzentrationen in vielen Gemüse- und Obstsorten (siehe Tabelle).

Phytoöstrogene in Lebensmitteln

LebensmittelIsoflavone mg/100g (Frischgewicht)
Sojabohnen160 -145
Tofu113,5 - 33,2
Sojamilch14,7 - 9,7
Miso160,4
Bohnen (verschiedene Sorten)2    0 - 6,3
Erbsen (verschiedene Sorten)20 - 7,3
Lignane µg/100 g (Trockengewicht)
Leinsamen3371100
Kürbiskerne21400
Roggen1112,1
Gerste158
Nüsse (verschiedene Sorten)396-257
Brokkoli1437
Oliven11254
Erdbeeren11578,1
Cranberry11054

1 Jackson/Gilani 2002, 2 USDA Database 2008, 3 Adlerkreutz/Mazur 1997

Fermentationsprozesse, wie sie zum Beispiel bei der traditionellen Herstellung von Miso oder Tempeh aus Soja ablaufen, können die Konzentration an Phytoös­trogenen in Lebensmitteln erhöhen und die Bioverfügbarkeit verbessern. Außerdem wird der Phytoöstro­gengehalt von Lebensmitteln durch Sorte, Klima, Erntezeit und Fruchtreife bestimmt. Somit ist es schwierig, standardisierte Werte für Lebensmittel anzugeben.

Hilfe bei Wechseljahren?

Isoflavone werden seit einigen Jahren als Alternative zur Hormontherapie diskutiert. Entsprechende Präparate finden sich in Apotheken und Drogerien. Die dazu durchgeführten wissenschaftlichen Studien untersuchten entweder die Wirkung von Soja als Lebensmittel, Sojaprotein­isolaten oder Sojaextrakten. Teilweise setzten die Forscher auch Rotkleepräparate ein. Der Untersuchungszeitraum lag meist zwischen zwei und sechs Monaten. Zu dem Einfluss von Lignanen liegen weit weniger Studien und vorrangig nur Fall-Kontrollstudien vor.

Die Mehrheit der bislang veröffentlichten randomisierten klinischen Studien zum Effekt von Isoflavonen auf Hitzewallungen und Schweißausbrüche in den Wechseljahren zeigt keine signifikant bessere Wirkung im Vergleich zu Scheinpräparaten (Placebo). Einige Untersuchungen konnten eine verminderte Zahl und/oder Stärke von Hitzewallungen beobachten, doch zeigte sich dies in beiden Gruppen. Auf Grundlage des derzeitigen Wissensstandes hat die Einnahme von Präparaten auf Basis von Soja oder Rotklee oder die tägliche Aufnahme von Sojaprodukten keine vergleichbare Wirkpotenz wie die klassische Hormontherapie.

Schutz vor Osteoporose?

Die aktuell vorliegenden Studien zum Einfluss von Isoflavonen in Form von Lebensmitteln, Sojaprotein oder Präparaten auf den Knochenstoffwechsel sind uneinheitlich. Manche Studien zeigen einen positiven Effekt auf die Knochendichte oder Knochenstoffwechselmarker, andere hingegen nicht. Kritisch anzumerken ist bei allen Studien, dass sie nur über einen kurzen Zeitraum von maximal einem Jahr durchgeführt wurden. Auch der uneinheitliche menopausale Status und das unterschiedliche Alter der Probandinnen aus den verschiedenen Untersuchungen sowie die teilweise nur relativ geringen Effekte, lassen eine allgemein gültige Aussage nicht zu. Soja und Isoflavonen zum derzeitigen Wissensstand eine protektive Wirkung vor Osteoporose zuzusprechen, wäre daher verfrüht.

Dieser Beitrag ist
im UGBforum,
dem Fachmagazin für nachhaltige Ernährung erschienen.
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Für mögliche Schutzwirkungen auf die Entstehung von Krebs ist die Datenlage kaum besser. Phytoöstrogene können auf vielfache Weise in die komplexen Mechanismen der Entstehung von Brust-, Gebärmutter- und Prostatakrebs eingreifen. Diese Effekte beruhen sowohl auf den leicht östrogenen und antiöstrogenen Eigenschaften als auch anderen hormonunabhängigen Wirkungen, wie etwa oxidativen Effekten. Der genaue Wirkmechanismus ist bislang jedoch noch nicht bekannt. Fall-Kontrollstudien belegen zwar eine verringerte Brustkrebsrate bei hohen Konzentrationen an Phytoöstrogenen in Plasma und Urin. In Interventionsstudien am Menschen konnte die protektive Wirkung von Phytoöstrogenen gegen Brustkrebs jedoch bislang nicht eindeutig belegt werden. Das gilt ebenso für Gebärmutter- und Prostatakrebs. Zudem ist eine negative Wirkung hoher Phytoöstrogengaben auf das Brustgewebe nicht auszuschließen.

Positiv für Blutfette

In mehreren Studien konnte belegt werden, dass die tägliche Aufnahme von mindestens 20 Gramm Sojaprotein den Serumspiegel an LDL-Cholesterin, Gesamt-Cholesterin und Triglyzeriden senkt. Teilweise ließ sich auch ein Anstieg des günstigen HDL-Cholesterins und eine Abnahme des systolischen und diastolischen Blutdrucks beobachten. Die Gabe von Isoflavonpräparaten führte jedoch in den meisten Studien nicht zu verbesserten Blutfettwerten. Möglicherweise verbessern solche Präparate die Elastizität der Blutgefäße, was jedoch in weiteren Studien noch eindeutig zu belegen ist. Die beobachteten positiven Auswirkungen auf das Risikoprofil von Herz-Kreislauf-Erkrankungen scheinen also vorrangig auf das Sojaprotein und nicht auf Isoflavone zurückzuführen zu sein.

Das Gesamte entscheidet

Die in Südostasien beobachteten Effekte einer phytoöstrogenreichen Ernährung auf die genannten Erkrankungen lässt sich nicht allein mit dem dort hohen Konsum von Sojaprodukten erklären. Im Vergleich zu Europa isst die Bevölkerung in Fernost traditionell auch weniger Fleisch, weniger Milchprodukte – und damit weniger tierische Fette –, mehr Gemüse, Algen und Fisch. Die in epidemiologischen Vergleichsstudien mit europäischen Verzehrsgewohnheiten beobachteten Unterschiede können daher durchaus mit verschiedenen Ernährungsfaktoren zusammenhängen. Zudem deuten einige Studien, zum Beispiel auf dem Gebiet der Krebsforschung, darauf hin, dass ernährungsbedingte präventive und therapeutische Effekte auf die Wirkung des Nährstoffverbundes in komplexen Lebensmitteln zurückzuführen sind und weniger auf isolierte Nährstoffe.

Die Empfehlung, den Fokus der Lebensmittelauswahl auf eine pflanzenreiche und vollwertige Kost zu legen, die bei guter Verträglichkeit auch Sojaprodukte enthalten kann, hat nicht nur den Vorteil einer vermehrten Phytoöstrogenaufnahme. So werden auch viele andere, gesundheitsfördernde Nahrungsinhaltsstoffe wie beispielsweise weitere sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe aufgenommen. Mögliche Nebenwirkungen durch die Einnahme von Phytoöstrogenpräparaten werden zudem vermieden. So ist nach einer Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) die längerfristige Einnahme von Phytoöstrogenpräparaten oder damit angereicherter Lebensmittel nicht ohne Risiko. Für die Beratungspraxis ist weiterhin empfehlenswert, immer die individuelle Verträglichkeit von Sojaprodukten wie Sojabohnen, Sojamilch und Tofu zu berücksichtigen. Denn die enthaltenen Sojalektine können in größeren Mengen schwer bekömmlich sein. Zudem geht das BfR davon aus, dass bei 0,3 bis 0,4 Prozent der Bevölkerung eine Allergie gegen Sojaeiweiß besteht.

Quelle: Danz, A.: UGBforum spezial. Gut durch die Wechseljahre, 2015, S. 20-22

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