Fasten nach Buchinger: Definition und Methodik
"Fasten ist so alt wie die Völker der Erde". Mit diesem Satz begann Otto Buchinger 1935 sein Buch "Das Heilfasten", mit dem er dem Fasten in der von ihm modifizierten Form zu weltweiter Verbreitung und Anerkennung verhalf. Fasten ergreift als ganzheitliche Erfahrung des Menschen in seiner Einheit aus Körper, Seele und Geist.
In früheren Zeiten wurde das Fasten als geistige-spirituelle Übung zur Stärkung der seelisch-geistigen Kräfte praktiziert, und als solches hat es auch bis heute seinen Platz in allen großen Weltreligionen. Parallel dazu wird es in der naturheilkundlichen Medizin in vorbeugender und therapeutisch- heilender Weise als intensivstes aller ausleitenden Verfahren zur Reinigung und Anregung der Selbstheilungskräfte angewandt.
Was ist Fasten?
Fasten ist der bewusste, freiwillige (im Gegensatz zum Hungern) Verzicht auf feste Nahrung und Genussmittel für eine begrenzte Zeit. Es ist eine Ernährung von innen. Fasten reinigt und regeneriert. Fasten erfordert ein individuelles Maß an körperlicher Bewegung und ausreichend Ruhe. Beim richtig durchgeführten Fasten besteht kein Hunger und die volle körperliche und geistige Leistungsfähigkeit bleibt erhalten.
Wer nicht fasten sollte
Diejenigen sollten nicht fasten, die den bewussten, freiwilligen Verzicht nicht leisten oder bewältigen können, weil sie psychisch oder geistig schwer beeinträchtigt sind. Kontraindiziert ist Fasten auch bei Menschen, die keine Reserven für die "Ernährung von innen haben", das heißt, die schwer untergewichtig sind bei zum Beispiel fortgeschrittenem Krebsleiden, oder bei Mangel- und Fehlernährung, schwerer Schilddrüsenüberfunktion oder Anorexia nervosa (Magersucht). Nicht fasten können Menschen mit fortgeschrittener Leber- oder Nierenkrankheit. Schwangere und stillende Mütter sollten nicht fasten, weil die fastenbedingten Stoffwechselveränderungen dem Kind schaden könnten. Kinder und Jugendliche sollten in der Regel auch nicht Fasten, damit in der Wachstumsperiode keine Mangelerscheinungen riskiert werden.
Wie fasten?
Gemäß der Definition sollte folgende innere Einstellung ins Fasten mitgebracht werden: die freiwillige Bereitschaft zum Verzicht, der Wunsch nach innerer Reinigung, die positive Zuversicht, dass das Fasten ein großartiges ganzheitliches Erlebnis ist (keine Angst vor Medienbeiträgen oder Äußerungen von Menschen, die nie selbst gefastet haben oder die Methodik mangelhaft kennen), die Freude auf Bewegung, Ruhe und Besinnung.
Der äußere Rahmen
Das ganzheitliche Fasten sollte im Abseits vom Alltag geschehen. Das biblische Bild des "In-die-Wüste-Gehen" bedeutet Abgeschiedenheit, Ruhe und Stille. Sehr gut wird das Fasten daher kombiniert mit Schweigetagen, Entspannungsübungen, Meditation und spiritueller Praxis. Jede Art von Stress schadet dem fastenden Organismus, den von extrovert (nach außen gerichtet) auf introvert (nach innen gerichtet) und von sympathikoton (leistungsbetont) auf parasympathikoton (regenerationsbetont) umschaltet. Mindestens das erste Fastenerlebnis sollte unter erfahrener Anleitung stattfinden, damit die Methodik fachgerecht beachtet und bei Krisen hilfreich interveniert werden kann. Sinnvoll ist es auch, das erste Fasten in einer kleinen Gruppe zu erleben.
Die Vorbereitung: der Entlastungstag
Nach innerer Einstimmung und Organisation der äußeren Bedingungen bereitet man den Organismus auf das Fasten vor durch ein oder zwei Entlastungstage. Dabei gibt es ca. 600 Kalorien, überwiegend Kohlenhydrate, kein Fett, ganz wenig Eiweiß. In der Regel macht man einen ordentlichen Vitaminstoß mit einem
- Obsttag: 1,5 - 2 kg frisches Obst auf 4-5 Mahlzeiten über den Tag verteilen.
- Magen- und/oder Darmempfindliche machen lieber einen Reistag: 3x50 g Naturreis in der doppelten Volumenmenge gar kochen und mit 200 g ungesüßtem Kompott oder 200 g gedünstetem Gemüse essen. Oder einen
- · Hafertag: 3x ca. 35 g Vollkornflocken kurz in Wasser garen, dazu je 100 g Obst oder Gemüse.
So einen Entlastungstag kann man auch gut außerhalb des Fastens 1x "zwischenschalten", als Ausgleich nach einem "Schlemmertag", bei Voll- oder Neumond oder aus anderen Gründen. Natürlich sollte am Entlastungstag kein Kaffee oder Alkohol getrunken, keine Süßigkeiten gegessen und nicht geraucht werden. Es sollte reichlich (mindestens 2 l) kalorienfreie Flüssigkeit (Wasser oder Tees) getrunken werden.
Der Einstieg in das Fasten - die gründliche Darmentleerung
Am nächsten Tag beginnt das Fasten mit einer gründlichen Darmentleerung, in der Regel mit 40 g (2 gehäuften Esslöffel) Glaubersalz in ¾ l warmem Wasser, zügig über etwa 15 Minuten austrinken, nach etwa ½ Stunde 1 l Wasser oder Tee nachtrinken. Dann beginnt die durchfallartige Darmentleerung, die 2-3 Stunden dauert. Magen- oder Darmempfindliche nehmen nur 20 oder 30 g Glaubersalz oder trinken statt dessen am Abend vorher einen Abführtee oder nehmen Abführtropfen oder machen anfangs tägliche Einläufe.
Der Fasten-Verlauf - Anregung aller Ausscheidungsvorgänge
Im Fasten sollten alle Ausscheidungsvorgänge gefördert werden. Dies geschieht durch
- Tägliche körperliche Bewegung; diese bewirkt:
- Steigerung der allgemeinen Durchblutung
- Verbesserung der allgemeinen Entschlackung
- Erhöhung der Atmung
- Bessere Sauerstoffaufnahme
- Bessere (Kohlen-) Säureabatmung
- Vermehrte Wärmeproduktion (Der fastende Organismus friert eher durch fehlende Wärmeproduktion aus den Verdauungsprozessen)
- Bei aktivem Schwitzen Förderung der Ausscheidung über die Haut (s.u.)
- Vermeidung oder Reduzierung des Eiweißabbaus aus der Muskulatur (s.u.)
- Stabilisierung des Blutdrucks
- Anregung der Lungen. Die Lungen sind wichtige Ausscheidungsorgane für (Kohlen-)Säure
- Anregung der Nieren
- durch eine tägliche Gesamttrinkmenge von ca. 3 l kalorienfreier Flüssigkeit. Der Urin sollte nahezu farblos sein.
- Anregung der Leber durch eine heiße Packung (in ein feuchtes Tuch eingewickelte, heiße Wärmflasche im Bereich des rechten Oberbauches). Die Leber entleert ihre Ausscheidung mit der Galle in den Darm.
- Regelmäßige Darmreinigung: Da der zu Fastenbeginn gründlich entleerte Darm bei fehlender Nahrungszufuhr im Fasten sich kaum bewegt, ist zur Entsorgung der Galle und zur Ausscheidung von täglich abgeschilferten Darmschleimhautzellen und abgestorbenen Darmbakterien eine regelmäßige Darmentleerung erforderlich, in der Regel durch einen Einlauf mit einem Liter körperwarmem Kamillewasser jeden zweiten Tag; Alternativmethoden sind Abführtee, Abführtropfen oder 2 Teelöffel Bittersalz auf ein Glas warmes Wasser.
- Anregung der Ausscheidung über die Haut: Die Ausscheidung über die Haut wird durch aktives Schwitzen bei der körperlichen Bewegung oder auch passiv in der Sauna und durch regelmäßige Hautreinigung und -pflege gefördert.
Die klassischen Fastengetränke beim Buchinger Heilfasten sind:
- Morgens und nachmittags je ¼ l Tee mit etwas Honig, bei niedrigem Blutdruck auch Schwarztee, Grüntee oder Ingwertee
- Mittags ¼ l Fruchtsaft, möglichst frisch gepresst
- Abends ¼ l heiße Gemüsebrühe (verschiedene Gemüse waschen, zerkleinern und 10-20 Minuten in ¼ l Wasser kochen, durchseihen und mit Kräutern und Gewürzen abschmecken. Bei niedrigem Blutdruck etwas mehr Salz zufügen.
- Zusätzlich mindestens 2 l kalorienfreie Flüssigkeit mit Mineralwasser oder Tees. Vor und nach körperlicher Bewegung sind zwei bis drei Teelöffel Honig zum Tee für den Blutzucker hilfreich; Zitronenschnitze helfen bei pappigem Mundgeschmack. Bei empfindlichem Magen Honig, Fruchtsäfte und saure Tees meiden und statt dessen Kamille/Fencheltee trinken und/oder etwas Hafer- oder Reisschleim, Butter- oder Magermilch.
Die seelisch-geistige Dimension
Der Mensch ist in ganzheitlichem Sinne eine Einheit aus Körper, Seele und Geist. Neben den körperlich grobstofflichen Wirkungen hat das Fasten gerade im seelisch-geistigen , feinstofflichen Bereich seine eigentlichen Wurzeln und seine hilfreichen Wirkungen. Im Fasten wird der Mensch im Verzicht auf die materielle Nahrung von außen nach innen hin sensibler für psychische emotionale Wahrnehmungen und geistige spirituelle Erfahrungen. So soll neben dem Körper und dem Stoffwechsel auch der innere Mensch in Bewegung kommen, dies aber gerade in Zeiten der Ruhe und Introversion. Deshalb wird idealerweise ein ganzheitliches Heilfasten kombiniert mit Entspannungsübungen, Wendung nach Innen, Meditation und eventuell spiritueller Praxis. So können neben Reinigung und Klärung im Stoffwechsel auch klärende Prozesse im seelischen Bereich und spirituelle Erkenntnisse im geistigen Bereich beim Heilfasten möglich werden.
Ausklang und Übergang in den Alltag - "Fastenbrechen" und "Aufbauzeit"
Fastenbrechen ist das Ende des Fastens. Am letzten Fastentag wird mittags ein Apfel (wie beim Verlassen des Paradieses) langsam und bewusst und dankbar gegessen (evtl. auch gedünstetes Apfelkompott). Am besten jeden Bissen 25-30x kauen. Dieses langsame bewusste Essen sollte möglichst lange beibehalten werden. Am Abend des Fastenbrech-Tages gibt es statt einer Gemüsebrühe eine dicke nicht durchgeseihte Kartoffel-Gemüse-Suppe. An den ersten Aufbautagen wird der im Fasten abgesunkene Stoffwechsel langsam schrittweise wieder angehoben. Der 1. Aufbautag sollte ca. 800, der 2. ca. 1000, der 3. ca. 1200 Kalorien haben, dann 1500, dann 1800 Kalorien. Wenn die Kalorienmengen schneller gesteigert werden, resultiert eine zu schnelle Gewichtszunahme. Der sogen. Jo-Jo-Effekt ist ein Disziplinmangel!. Um das zu vermeiden, sollten in den ersten Tagen weiter genügend Zeit und Ruhe vorhanden sein und Stress vermieden werden. Wegen des hohen Kaloriengehaltes sollten Fett und Alkohol in den ersten Tagen gemieden werden. Auch tierisches Eiweiß sollte nur langsam und vorsichtig gesteigert werden, Joghurt und Quark gehen, viel Obst und Gemüse. Im Aufbau sollte spätestens am 3. Tag eine spontane Darmentleerung stattfinden. Dazu braucht es genügend Faserstoffe in der Nahrung, also Vollkornprodukte als Müsli und/oder Vollkornbrot, Trockenpflaumen und Feigen und weiterhin eine reichliche Trinkmenge. Nach 5-7 Tagen ist man dann wieder im Alltag angekommen, aber hoffentlich nachhaltig bewusster und achtsamer für einen gesünderen Lebensstil, für gute Ernährung, Bewegung und Gleichgewicht an Körper, Seele und Geist.
Foto: Maren Beßler / pixelio.de