Schilddrüse und Ernährung: Klein, aber unverzichtbar

Die Schilddrüse bildet Hormone, die viele Vorgänge im Körper steuern. Funktioniert sie einwandfrei, findet sie kaum Beachtung. Kommt es jedoch zu Störungen, hat das erhebliche Auswirkungen auf wichtige Körperfunktionen. Um das Organ bei seiner Arbeit zu unterstützen, braucht es die richtigen Mikronährstoffe.

Ohne die Schilddrüse läuft nichts. Das schmetterlingsförmige Organ unterhalb des Kehlkopfes wiegt nur etwa 20 bis 60 Gramm und zählt zu den lebensnotwendigen Hormondrüsen des Körpers. Sie bildet die Hormone Thyroxin (T4, Tetrajodthyronin) und Trijodthyronin (T3), die auf alle Zellen des Körpers wirken und damit den gesamten Organismus am Laufen halten. So steigern sie unter anderem den Energieumsatz und den Sauerstoffbedarf sowie die körpereigene Produktion von Kohlenhydraten und Proteinen. Zudem erhöhen sie die Körpertemperatur, bauen Fettgewebe ab und sind erforderlich für Wachstum und Reifung von Skelett, Gehirn und Muskulatur. Die Produktion und Abgabe beider Hormone ins Blut werden vom Gehirn aus gesteuert ...

Entscheidender Nährstoff für die Schilddrüse

An der vielschichtig regulierten Bildung und Steuerung von Schilddrüsenhormonen sind verschiedene Mikronährstoffe beteiligt. Eine herausragende Rolle spielt das Spurenelement Jod, da es ein zentraler Bestandteil der beiden Hormone T3 und T4 ist.

Durch Auswaschungen seit Ende der letzten Eiszeit enthalten die Böden in Deutschland nur sehr wenig oder gar kein Jod. Dadurch ist der Jodgehalt in Lebensmitteln und im Trinkwasser relativ gering. Um das Joddefizit auszugleichen, empfehlen Wissenschaftler:innen schon lange die Verwendung von jodiertem Speisesalz. Obwohl sich die Jodzufuhr seit der Einführung von Jodsalz in den letzten Jahrzehnten verbessert hat, gehen Expert:innen davon aus, dass ein Drittel der Bevölkerung nach wie vor nicht optimal mit Jod versorgt ist.

Über- und Unterfunktion stören den Stoffwechsel

Als Folge einer Unterversorgung können krankhafte Veränderungen oder Störungen der Schilddrüse auftreten. Häufig kommt es zu Überschneidungen und Mischformen. Am weitesten verbreitet ist die Jodmangel-Struma, früher als Kropf bezeichnet. Dabei vergrößert sich die Schilddrüse bei dem Versuch, mehr Jod für die Hormonproduktion aufzunehmen.

Ein chronischer Jodmangel kann auch dazu führen, dass nicht mehr ausreichend Hormone hergestellt werden. Infolge kommt es zu einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Sie ist neben Diabetes mellitus eine der häufigsten endokrinen Erkrankungen; fast immer sind Frauen betroffen. Die zu geringe Bildung von Schilddrüsenhormonen führt zu einer Verlangsamung wichtiger Stoffwechselprozesse. Dadurch treten verschiedene, zunächst unspezifische Beschwerden auf, wie Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Antriebslosigkeit, langsamerer Herzschlag, Frösteln, Verstopfung, trockener Haut oder Gewichtszunahme trotz unveränderter Essgewohnheiten. Der Hormonmangel bei einer Schilddrüsenunterfunktion kann durch Hormontabletten ausgeglichen werden.

Die mit Abstand häufigste Ursache einer Hypothyreose ist allerdings nicht Jodmangel, sondern der Verlust von ursprünglich funktionsfähigem Schilddrüsengewebe als Folge einer chronischen Schilddrüsenentzündung, medizinisch als Hashimoto-Thyreoiditis bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem aus bisher unbekannter Ursache Antikörper gegen die Schilddrüse bildet.

Bei der deutlich seltener vorkommenden Schilddrüsenüberfunktion, der Hyperthyreose, schüttet die Schilddrüse hingegen zu viele Hormone aus. Dadurch kommt es zu einer Beschleunigung verschiedener Stoffwechselprozesse. Menschen mit einer Überfunktion werden unruhig und hektisch, schlafen schlecht, überhitzen schnell und der Herzschlag beschleunigt sich. In den meisten Fällen ist für die Beschwerden auch hier eine Autoimmunerkrankung verantwortlich, die sogenannte Basedowsche Erkrankung (Morbus Basedow).

Eine weitere Ursache für eine Hyperthyreose sind autonome Areale in der Schilddrüse (heiße Knoten). Sie steuern dann statt der Hirnanhangdrüse die Hormonproduktion. Häufigster Auslöser ist auch hier ein Jodmangel.

Die Gesundheit des Darms berücksichtigen

Autoimmunerkrankungen zählen zu den häufigsten Ursachen für Schilddrüsenerkrankungen. Wissenschaftler:innen beobachten, dass sich die Erkrankungsfälle häufen. Die genauen Ursachen sind bisher unbekannt. Frauen sind wesentlich häufiger betroffen als Männer. Nicht nur eine zu niedrige, sondern auch eine zu hohe Jodzufuhr kann diese Autoimmunerkrankungen begünstigen. Neben entsprechenden Erbanlagen scheinen Hormonschwankungen wie Schwangerschaft und Stillzeit oder Wechseljahre Autoimmunerkrankungen zu befördern. Hinzu kommen die Einnahme der Antibabypille oder eine Hormonersatztherapie. Diskutiert werden außerdem andere Faktoren wie Viruserkrankungen, psycho-sozialer Stress, Vitamin-D-Mangel, Selenunterversorgung, oder übertriebene Hygiene und Sauberkeit. Seit einigen Jahren besteht der Verdacht, dass Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto auch auf eine beeinträchtigte Darmgesundheit zurückgehen könnten. Diese Überlegungen sind nicht von der Hand zu weisen, denn mehr als die Hälfte der Immunzellen liegen im Darm. Zusammen mit den darin lebenden Mikroorganismen können dort Entzündungsprozesse befeuert werden, die eine wesentliche Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Autoimmunerkrankungen spielen. Ist die Zusammensetzung der Darmmikrobiota verändert, kann auch die Aufnahme von Nährstoffen gestört sein. Nährstoffe, die für eine normale Schilddrüsenaktivität benötigt werden, stehen dem Körper dann nicht ausreichend zur Verfügung. Deshalb ist es wichtig, auch die Darmgesundheit im Blick zu haben.

Weitere Nährstoffe für das Schmetterlingsorgan

Jod wird als Grundstoff zur Produktion von Schilddrüsenhormonen benötigt. Der Bedarf liegt bei 180-200 Mikrogramm (μg) pro Tag für Jugendliche und Erwachsene. Schwangeren wird eine Aufnahme von 230 µg pro Tag empfohlen, Stillenden 260 µg. Gute Jodlieferanten sind Salzwasserfische wie Seelachs, Kabeljau, Scholle und Meeresfrüchte. Algen sind ebenfalls sehr jodhaltig. Sie sollten aufgrund des stark schwankenden und nicht ersichtlichen Jodgehalts nur in geringen Mengen verzehrt werden. Am besten verwendet man nur solche Produkte, die eindeutige Angaben zum Jodgehalt und zur maximalen Verzehrmenge enthalten. Eier und Milch können zur Jodversorgung beitragen, wenn mit Jodsalzen angereicherte Futtermittel verfüttert werden. Gekennzeichnet wird das allerdings nicht. Da pflanzliche und tierische Lebensmittel ansonsten jodarm sind, ist die Verwendung von jodiertem Speisesalz sinnvoll, um Defizite auszugleichen.

Für Patient:innen mit bestimmten Schilddrüsenerkrankungen wie einer Schilddrüsenüberfunktion oder einer Schilddrüsenentzündung vom Typ Hashimoto kann eine zusätzliche Jodaufnahme – zum Beispiel über jodhaltige Nahrungsergänzungsmittel oder jodhaltige Algen – ungünstig sein. Die übliche Zufuhr über die Ernährung und Jodsalz stellen aber kein Problem dar.

Selen und Eisen bedeutsam

Neben Jod sind weitere Nährstoffe notwendig, damit die Schilddrüse gesund bleibt. Dazu gehören insbesondere Selen, Eisen und Vitamin D. Als Bestandteil eines Enzyms ist Selen notwendig, um das Schilddrüsenhormon Thyroxin in das aktivere Trijodthyronin umzuwandeln. Eine unzureichende Selenzufuhr führt zu einem Mangel dieses Enzyms, sodass nur noch ein Teil des verfügbaren T4 dejodiert werden kann. Der Bedarf liegt bei täglich 60 μg für Jugendliche und 70 μg für Erwachsene. Der Selengehalt in pflanzlichen Lebensmitteln variiert je nach Anbaugebiet stark, da er von der Selenkonzentration der Böden abhängig ist. Gute Selenlieferanten sind Nüsse (insbesondere Paranüsse), Kokosnüsse, weiße Bohnen und rote Linsen, Eier oder Meeresfische. Da Paranüsse sehr selenreich sind und häufig eine natürliche Radioaktivität aufweisen, wird geraten, maximal zwei Paranüsse am Tag zu verzehren. Manche Patient:innen mit Hashimoto-Thyreoiditis bekommen von den Ärzt:innen vorübergehend Selen, da es sich im Anfangsstadium in hohen Dosen günstig auf die körpereigenen Antikörper auswirkt.

Ein weiteres Spurenelement von Bedeutung ist Eisen. Es ist Bestandteil von Enzymen, die eine Hauptrolle beim Aufbau von Schilddrüsenhormonen aus der Aminosäure Tyrosin spielen. Gute Eisenlieferanten sind beispielsweise Leber, Linsen, Cashewkerne, Soja, Hirse, Hafer und andere Vollkornprodukte.

Vitamin D und langkettige Fettsäuren

Unter den Vitaminen ist es das Vitamin D, das eine Rolle für den Stoffwechsel der Schilddrüse spielt. Vitamin D3 beeinflusst die Expression von verschiedenen Genen, die an der Regulation von Entzündungsreaktionen und der angeborenen und erworbenen Immunität beteiligt sind. Vitamin D scheint zudem die Bildung von Autoantikörpern und die Freisetzung von entzündlichen Zytokinen zu reduzieren. Einige Studien beobachteten, dass Menschen mit einer autoimmunen Schilddrüsenerkrankung wie Hashimoto-Thyreoiditis erniedrigte Vitamin-D-Werte aufwiesen. Die zunehmende Evidenz spricht für einen Zusammenhang und weist darauf hin, dass eine Vitamin-D-Supplementation bei diesen Patient:innen eine Verbesserung bewirken könnte.

Omega-3-Fettsäuren wirken entzündungshemmend und können sich deshalb bei entzündlichen Schilddrüsenerkrankungen positiv auswirken. Gute Quellen für die Fettsäuren sind Lein-, Hanf- und Chiasamen sowie Lein-, Raps-, Weizenkeim- oder Walnussöl. Reich an den mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind außerdem fette Seefische wie Lachs, Hering und Makrele. Aus ökologischen Gründen sind jedoch Öle, die mit Mikroalgen angereichert sind, oder Nahrungsergänzungen aus Mikroalgen die bessere Wahl, um die Versorgung mit den langkettigen Omega-3-Fettsäuren sicherzustellen.

Auffälligkeiten prüfen lassen

Wer permanent müde ist, sich antriebslos fühlt, unter Kälteempfindlichkeit leidet oder auffällig blass ist, könnte Anzeichen einer Schilddrüsenunterfunktion zeigen. Auf eine Überfunktion deuten dagegen ungewöhnliche Nervosität, Schlaflosigkeit oder Schweißausbrüche hin. In beiden Fällen sollte man die Schilddrüsenwerte in der Hausarztpraxis überprüfen lassen. Denn nur bei neugeborenen Babys werden die Werte routinemäßig gecheckt. Auch Schwangeren wird eine Überprüfung angeraten.

Da es bei Schilddrüsenerkrankungen auch genetische und hormonelle Einflüsse gibt, lassen sie sich nicht sicher vorbeugen. Dennoch ist eine ausgewogene vollwertige Ernährung mit ausreichend Jod eine wichtige Basis in der Prävention.

Bild © serezniy/depositphotos.com

Stichworte: Schilddrüse, Schilddrüsenhormone, Jod, Trijodthyronin, Stoffwechsel, Erkrankungen, Hormone, Thyroxin, Jodmangel, Nährstoffversorgung


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UGBforum 3/2024
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