Tagungsbericht:

Ernährung sichern
Risiken meiden - nachhaltig handeln

Wie wir in Zeiten des Klimawandels und trotz belasteter Lebensmittel gesund und nachhaltig leben können, zeigte die diesjährige UGB-Tagung vom 04.-05. Mai 2007 in Gießen auf. Rund 250 Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, sich über Aktuelles aus der Ernährungswissenschaft zu informieren.

20 Prozent der Treibhausgase entstehen durch unsere Ernährung, berichtete Dr. Karl von
Koerber. In seiner begleitenden Ausstellung machte er deutlich, wie man durch eine
bewusste Ernährung das Klima schützen kann.

In Zukunft wird es immer mehr und immer heftigere Naturkatastrophen geben. Tobias Grimm, Wetterexperte einer großen Versicherungsgesellschaft, machte unmissverständlich klar, dass auch in Deutschland Extremsituationen wie Hitzewellen, Stürme und Dürreperioden zunehmen werden. Neben einer industriellen Revolution in Richtung Nachhaltigkeit, bei der sparsame und effiziente Technik zu fördern ist, kann jeder selbst einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, beispielsweise durch Umstieg auf Ökostrom, bessere Hausdämmung oder energiearme Haushaltsgeräte. Wie wir sofort und ohne Investitionen etwas für das Klima tun können, zeigte Ernährungsökologe Dr. Karl von Koerber aus München. Der Bereich Ernährung verursacht immerhin 20 Prozent des gesamten Ausstoßes an Treibhausgasen in Deutschland; die meisten Emissionen stammen dabei aus der Produktion tierischer Lebensmittel. Von Koerber gab den Teilnehmern einen 7-Punkteplan für klimaorientierte Ernährung mit. Viele Empfehlungen sind Vollwertköstlern vertraut, wie etwa mehr pflanzliche statt tierische Lebensmittel zu essen, ökologisch erzeugte Produkte zu bevorzugen, auf regionale und saisonale Ware zu achten, Frisches statt Tiefkühlkost einzukaufen und das möglichst zu Fuß. Eine solche klimaoptimierte Ernährung könnte den Ausstoß an Treibhausgasen in den westlichen Industrieländern um mehr als die Hälfte vermindern.

Bio-Boom - Folgen des Wachstums

In vielen europäischen Nachbarländern wächst der Öko-Landbau deutlich stärker als in Deutschland, weil die Rahmenbedingungen dort wesentlich besser sind. Für heimische Bauern lohnt sich derzeit der Anbau nachwachsender Rohstoffe mehr, als auf Bio umzustellen, kritisierte Harald Ulmer von der Landesvereinigung für ökologischen Landbau in Bayern. Da deutsche Bioware knapp ist und zunehmend ökologische Erzeugnisse importiert werden, geraten die zusätzlichen Werte des ökologischen Landbaus wie Kreislaufwirtschaft, Umwelt- oder soziale Aspekte immer mehr in den Hintergrund. In Deutschland wird Ernährung - anders als bei unseren Nachbarn - wenig wert geschätzt, dementsprechend wird dafür auch wenig ausgegeben. So kaufen die Deutschen fast 40 Prozent aller Lebensmittel im Discounter ein, ihrer beliebtesten Einkaufsstätte. Viele Verbraucher schätzen Discounter, weil das Angebot bei standardisierter Qualität sehr überschaubar ist, was den Einkauf enorm vereinfacht. Ob das Angebot von Bioware im Discounter einen Beitrag zu nachhaltiger Ernährung leistet, analysierte Dr. Doris Hayn vom Institut für sozial-ökologische Forschung. Ihr Fazit: Für viele Verbraucher - insbesondere mit geringen finanziellen Spielräumen - wird es durch das dortige Bioangebot leichter, sich für nachhaltige Ernährung zu entscheiden. Ob Billig-Bio im Discounter dazu beiträgt, die Wertschätzung für Ernährung zu erhöhen, bleibt allerdings fraglich.

Zwischen den Vorträgen blieb genügend Zeit für Diskussion
und Fragen aus dem Plenum. Hier hakt Prof. Ingrid Hoffmann
bei einem Referenten nach.

Nachhaltige Schulverpflegung

Die Grundzüge einer gesunden Ernährung sind eigentlich jedem bekannt. Daher kommt es bei Kindern darauf an, die Inhalte spielerisch zu vermitteln. Denn: Gelernt wird, was Spaß macht, so Dr. Ulla Simshäuser. Die Soziologin forderte, die Schule als echten Lebensraum für die Kinder zu gestalten. Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, alle Beteiligten wie Lehrer, Schüler und Eltern einbezogen werden, Zeit zum Essen eingeplant und das passende Verpflegungskonzept ausgewählt wird, kann gesundes Essen in der Schule gelingen. Die Umsetzung verlangt allerdings viel Durchhaltevermögen, merkte Carmen Hübner an. Die Ernährungswissenschaftlerin zeigte Wege auf, wie sich Schüler für die Herkunft und die Qualität ihres Essens sensibilisieren lassen.

Lebensmittel mit Gesundheitsplus

Auf der Packung von Gummibärchen "ohne Fett" muss künftig der Zuckergehalt angegeben werden. Denn die Werbung mit Nährstoffen und gesundheitsbezogenen Aussagen ist neu geregelt, berichtete Agrarwissenschaftlerin Jessica Aschemann. Bis allerdings die Verbraucher verbindliche, wissenschaftlich geprüfte Aussagen auf Lebensmitteln finden, werden wegen ausstehender Details und Übergangsregelungen noch einige Jahre vergehen. Ob die Informationen aber bei den Verbrauchern tatsächlich ankommen, stellte Angela Clausen von der Verbraucherzentrale NRW in Frage. Lebensmittel mit Phytosterinen sollen den Cholesterinspiegel senken. Sie tragen deshalb bereits Hinweise über ihre Gesundheitswirkung. Gleichzeitig müssen die Hersteller angeben, dass die Produkte nur von betroffenen Personen und nur in bestimmten Mengen konsumiert werden sollen. Doch die Warnhinweise werden von den meisten Verbrauchern nicht wahrgenommen, sondern nur die vermeintlich positiven Effekte. Das ist problematisch, denn phytosterinhaltige Produkte im Übermaß beeinträchtigen zum Beispiel die Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen.

Rückstände von Antibiotika in tierischen Lebensmitteln sind zwar rückläufig. Dennoch besteht noch immer die Gefahr, dass sich resistente Krankheitserreger entwickeln, die auch für den Menschen schädlich sind. Das gab Prof. Manfred Kietzmann, Tiermediziner an der Hochschule Hannover, zu bedenken. Forschungsbedarf besteht derzeit vor allem darin, wie sich kleinste Rückstandsmengen, die nach wie vor gefunden werden, auf die menschliche Gesundheit auswirken. Dass Pestizide der Gesundheit eindeutig schaden, zeigt die Zahl von 200.000 Toten weltweit durch den Einsatz der giftigen Chemikalien. In Deutschland gekauftes konventionelles Obst und Gemüse war 2004 zu 60 Prozent mit Pestiziden belastet. Nur Bioprodukte weisen in der Regel keine Pestizidrückstände auf. Katja Vaupel von Greenpeace forderte sowohl die Bundesregierung als auch die Lebensmittelüberwachung und die Handelsketten auf, sich stärker für pestizidfreie Lebensmittel einzusetzen.

Gentechnik unerwünscht

Die Bauern hierzulande haben die große Chance, noch Lebensmittel ohne Gentechnik zu erzeugen. Die Konkurrenten aus Übersee können das nicht mehr, betonte Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstand des Bund Ökologische Landwirtschaft (BÖLW). Der Kritiker der Gentechnik machte deutlich, dass es für gentechnische Veränderungen keinen Rückholplan gibt und die Folgen für die Natur nicht abzusehen sind. Dass Verbraucher ihre Ablehnung immer wieder deutlich machen, ist enorm wichtig. Ohne die Kritik wäre auch in Deutschland Gentechnik längst vorhanden und es gäbe auch keine entsprechende Kennzeichnung.
Die gut besuchte UGB-Tagung zeigte einmal mehr, dass wir Verbraucher mit unseren Kaufentscheidungen viel bewirken können. Mit einer vollwertigen Bioernährung kann jeder zum Klimaschutz beitragen und die Produktion von gentechnik- und pestizidfreien Lebensmitteln unterstützen.

Ulrike Becker/Hans-Helmut Martin