UGB-Tagung 2019: Spannend bis zum Schluss
Zur UGB-Tagung kamen am 10. und 11. Mai 2019 mehr als 500 Besucher nach Gießen. In eindrucksvollen Vorträgen und Diskussionen erhielten sie aufschlussreiche Einsichten in die aktuelle Ernährungs- und Gesundheitsforschung.
Erfrischend spritzig eröffnete einer der renommiertesten Speaker Deutschlands die Tagung: Markus Hofmann aus München führte die Teilnehmer humorvoll in das Gedächtnistraining ein. Ob Einkaufslisten, Weltwunder oder das Besondere an der UGB-Akademie – er demonstrierte gemeinsam mit dem ganzen Saal, wie es mit witzigen, absurden oder schmerzhaften Assoziationen gelingt, Fakten in die eigenen „mentalen Briefkästen“ zu legen. So ließe sich das Gedächtnis in jedem Alter trainieren.
Anschließend tauchte Dr. Alexandra Schek in die Ernährungsforschung ein. Sie bedauerte, dass Vitamin K nur ein Mauerblümchendasein friste. Das Besondere an dem Vitamin: Es gibt verschiedene Formen. Phyllochinon (K1) sei vor allem in grünem Gemüse enthalten. Bakteriell fermentierte Lebensmittel wie Käse seien reich an Menachinon (K2). Der Bedarf von Letzterem sei nicht bekannt, ebenso wenig, ob eines der Vitamere wirksamer sei als das andere. Schek stellte Interventionsstudien vor, die den Effekt der Vitamere auf die Prävention von Osteoporose und Atherosklerose untersucht haben. Ob eine zusätzliche Einnahme von Vitamin K einen Nutzen bringe, bleibe jedoch offen.
Säure- und Basenbildner in Balance
Dass der Säure-Basen-Haushalt für die Knochen und das Osteoporoserisiko von großer Bedeutung ist, machte Prof. Jürgen Vormann in seinem Vortrag deutlich. Bei einer Säurebelastung des Körpers komme es zur Freisetzung von Mineralstoffen aus dem Knochen. „Schon geringe pH-Änderungen sind ein on-off Signal für Knochenre-sorption“, erklärte der Münchener Wissenschaftler. Bei der Ernährung komme es auf die Balance zwischen säurebildenden Lebensmitteln wie Fleisch und Getreide und Basenbildnern wie Gemüse und Obst an.
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So lange der Vorrat reicht!
Das wenig bekannte Lymphsystem brachte die Ernährungs-wissenschaftlerin Esther Nelle den Teilnehmern näher. Nach spannenden Informationen zu Aufbau und Funktion des Transport- und Ausleitungssystems (siehe S. 113) zeigte die Referentin, die eine Weiterbildung in der Manuellen Lymphdrainage absolviert hat, wie man an sich selbst eine wohltuende Lymphdrainage anwenden kann.
Stille Entzündungen und Umwelteinflüsse
Welche Rolle die Ernährung bei stillen Entzündungen im Körper spielen kann, erfuhren die Teilnehmer von UGB-Dozent Hans-Helmut Martin. Oft blieben diese Prozesse im Verborgenen und machten sich zunächst durch verminderte Leistungsfähigkeit, Müdigkeit oder erhöhte Infektanfälligkeit bemerkbar. Schließlich könnten sie in chronischen Entzündungen münden wie Atherosklerose, Alzheimer oder Rheuma. Während Überernährung, Rauchen, und Umweltbelastungen die oxidative Balance aus dem Gleichgewicht bringe, wirkten Schutzstoffe wie Antioxidanzien, Ballaststoffe oder bestimmte Spurenelemente gegen eine Entzündung.
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Speziell über die Effekte von Umwelteinflüssen auf entzündliche Prozesse berichtet Dr. Kurt Müller. Der Umweltmediziner machte elektromagnetische Felder, Pestizide, bestimmte Metalle und andere Umweltschadstoffe für die immens gestiegenen Zahlen von Depressionen, Krebs, Autoimmun- und allergischen Erkrankungen verantwortlich. Von politischen Entscheidungsträgern würden diese Fakten schon seit Jahrzehnten ignoriert, obwohl längst fundierte wissenschaftliche Belege dazu vorlägen. Müller forderte deshalb eine intensive gesellschaftliche Diskussion und ein sofortiges politisches Handeln, was das Publikum mit lautstarkem Beifall unterstützte.
Lichtnahrung: Was ist dran?
Gleich zu Beginn seines Vortrags stellte Prof. Claus Leitzmann über den dauerhaften Nahrungsverzicht klar: „Langfristig führt Lichtnahrung zum Tod.“ Normalgewichtige könnten maximal 60 Tage einen kompletten Nahrungsverzicht überstehen. Dennoch liefen bei sehr geringer Aufnahme von Kalorien physiologische Prozesse im Körper ab, die positive gesundheitliche Wirkungen hätten. So stellte er zwei Senioren im Alter von 72 und 102 Jahren vor, die im Ernährungsalltag dauerhaft mit nur einem Drittel der empfohlenen Kalorienaufnahme auskommen. Beide berichteten, dass sie mit der asketischen, rein pflanzlichen Nahrungszufuhr sehr gut zurechtkämen und diese als Basis ihres guten gesundheitlichen Zustands ansähen. Bei erhöhter Energieaufnahme, berichtet der Jüngere sogar von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die seine Altersbeschwerden wie Arthroseschmerzen, Sehschwäche und Reizhusten deutlich verschlechtern würden. Eine Erklärung konnte auch Prof. Leitzmann nicht liefern. Er sieht jedoch in der Autophagie, also dem effektiven Recycling von abgebautem Zellmaterial, zusammen mit der sparsamen Ausscheidung von Nährstoffen eine mögliche Erklärung.
Prof. Markus Keller fasste die aktuelle Studienlage über die Zusammenhänge von Ernährung und Demenzerkrankungen zusammen. „Bislang ist diesbezüglich einzig die mediterrane Ernährung näher untersucht“, bekannte der Ernährungsforscher. So zeigten einzelne Studien ein verringertes Demenzrisiko von bis zu 65 Prozent bei mediterranem Verzehrsmuster. Vor allem Antioxidanzien, Omega-3-Fettsäuren und B-Vitamine spielten eine wesentliche Rolle. Wichtiger als einzelne Nährstoffe sei allerdings das Zusammenwirken einer abwechslungs- und pflanzenreichen Kost.
Essen nach der inneren Uhr
Essen und Trinken sollten auch bei Patienten mit Kau- und Schluckbeschwerden nicht nur der Nahrungsaufnahme dienen, sondern gesund sein und vor allem Freude bereiten. Dafür sensibilisierte der Küchenleiter eines Alten-, Wohn- und Pflegeheims Herbert Till die Zuhörer. Statt Einheitsbrei sollte Gemüse Gemüse bleiben und Fleisch nach dem Pürieren wieder in Form gebracht werden. Der UGB-Dozent stellte den Teilnehmern weitere Maßnahmen und Hilfsmittel vor, um Patienten mit Einschränkungen das Essen zu erleichtern und ihre Selbstbestimmtheit zu fördern.
Inwiefern Körperfunktionen wie Blutdruck, Verdauungs-aktivität oder Leistung einem 24-stündigen Rhythmus unterliegen, erläuterte UGB-Dozent Hans-Helmut Martin in seinem zweiten Vortrag. Werde der normale Rhythmus missachtet, wie zum Beispiel bei Schichtarbeitern, sei das Risiko für Erkrankungen wie Übergewicht, Krebs oder Typ-2-Diabetes erhöht. Wie man sich im Schichtdienst gut versorgt, demonstrierte die UGB-Präsidentin Edith Gätjen. Organisation, Vorausdenken und gute Vorbereitung seien hier das A und O.
In einem weiteren Vortrag widmete sich die Präsidentin des UGB-Deutschland neuen Ansätzen für eine körperorientierte Ernährungsberatung, die sie gemeinsam mit Dr. Stephanie Hoy entwickelt hat. Viele Klienten verfügten nur über ein geringes Selbstwertgefühl. Mit dem Sammeln von Aussagen zur eigenen Wertschätzung in einem „Selbstwerttopf“ bekämen sie eine andere Einstellung zu sich. Das sei wichtig, denn eine gesunde Einstellung zu gesunden Lebensmitteln sei mit einem positiven Selbstbild assoziiert. Dr. Hoy sensibilisierte die Zuhörer anschließend, mehr hinzuhören, was der Körper erzähle. Nach wie vor würden Verhaltensänderungen nur über den Intellekt angestrebt. Doch der Körper gebe viele Signale, die ein Berater auch spüren könne. Beide Referentinnen wünschten sich, dass der Körper in der Beratung noch viel mehr als Ressource genutzt würde.
Im nächsten Jahr findet die UGB-Tagung in Gießen am 08./09.05.2020 statt.
Bild © S. Weigt/UGB
Stichworte: Säure-Basen-Haushalt, Lymphe, Entzündungen, Oxidativer Stress, Lichtnahrung, Autophagie, Demenz, Chronobiologie, Schluckstörungen, Vitamin K, körperorientierte Ernährungsberatung, UGB-Tagung, Kongress, Gießen, Gedächtnis
Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 3/2019
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