Corona-Virus: Schützt Ernährung vor einer Infektion?

Die Suche nach Nahrungsinhaltsstoffen, die sich positiv auf eine Infektion mit dem Corona-Virus auswirken, ist zurzeit voll im Gange. Kann die richtige Lebensmittelauswahl vor einer Infektion schützen oder den Krankheitsverlauf beeinflussen?


Gurgeln mit Wasserstoffperoxid, Chlorbleiche oder Silberwasser: Die Liste mit absurden Wundermitteln zum Schutz vor einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus ist lang. Auch Nahrungsergänzungsmittel in unterschiedlichster Zusammensetzung sollen die Abwehrkräfte stärken. Zweifelsohne beeinflussen Nährstoffe aus der Nahrung den Stoffwechsel und dementsprechend auch das Immunsystem. Doch durch das komplexe Zusammenspiel im Organismus spielen letztlich alle Nährstoffe für eine schlagkräftige Abwehr eine Rolle und jeder Mangel kann sich ungünstig auswirken. Daher kommt es vor allem auf eine insgesamt ausgewogene Ernährung an. Sowohl Unter- als auch Überernährung schwächen das Immunsystem.

Tatsächlich spielen einige Nährstoffe eine besondere Rolle für die Funktionsfähigkeit der Immunzellen. Das gilt beispielsweise für die Vitamine C und D, Folat sowie B6 oder B12. Die Mineralstoffe Selen, Zink, Eisen und Kupfer sind ebenfalls bedeutsam. Findige Hersteller übertragen die Funktion der Nährstoffe auf einen Schutz vor einer Infektion mit den Corona-Virus. Sie dürfen Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel, die bestimmte Mengen dieser Mikronährstoffe enthalten, laut der Health-Claim-Verordnung mit der Aussage bewerben: „… trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“. Das suggeriert, dass größere Mengen auch besonders wirksam seien. Die Studienlage dazu zeigt allerdings etwas anderes.

Das Geschäft mit der Angst

Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln berufen sich zudem gerne auf die entzündungshemmenden, antimikrobiellen oder antiviralen Eigenschaften bestimmter sekundärer Pflanzenstoffe. Dazu zählen beispielsweise Flavonoide in Beerenobst, Carotinoide in Möhren und Paprika oder Glucosinolate in Kohlgemüse. Die Aufnahme der Pflanzenstoffe ist allerdings nur im natürlichen Verbund sinnvoll. Derzeit gibt es keinerlei Beleg, dass die isolierte Zufuhr einzelner Stoffe oder Pflanzenextrakte vor Corona oder anderen Erkrankungen schützen könnte. Da das neuartige Corona-Virus erst seit relativ kurzer Zeit bekannt ist, können zum aktuellen Zeitpunkt keine verlässlichen Studien existieren, die die Wirksamkeit von Vitaminen, Mineralstoffen oder Heilpflanzen belegen. Zitierte Studien beziehen sich oftmals auf andere Corona-Viren oder eine rein theoretische Wirksamkeit der Stoffe.

Der Klassiker zur Prävention in der Erkältungszeit ist Vitamin C. Hartnäckig hält sich die Behauptung, das Vitamin könne einer Erkältung vorbeugen. Hochdosiert soll es angeblich auch gegen das Corona-Virus schützen. Die unabhängige Cochrane-Gesellschaft kommt jedoch zu dem Schluss, dass Vitamin-C-Präparate Erkältungen weder lindern noch nennenswert vorbeugen können. Zur Wirkung auf Corona-Viren konnte bislang ebenfalls keine wissenschaftliche Studie nachweisen, dass Vitamin C vor einer Infektion oder schweren Verläufen schützen könnte. Auch eine kleinere klinische Studie aus den USA mit insgesamt 214 infizierten Patienten kommt zu dem Schluss: Eine Supplementierung hochdosierter Gaben von Vitamin C und/oder Zink zeigt keinen Einfluss auf die Dauer und Schwere der Corona-Symptome.

Unklare Wirkung von Nährstoffen

Vitamin D taucht im Zusammenhang mit der Behandlung von Corona-Patienten ebenfalls immer wieder auf. Denn schwer an Covid Erkrankte zeigen häufig einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel. Ein direkter Zusammenhang ist jedoch nicht nachgewiesen. Ein Mangel könnte auch Folge der Infektion sein. In einigen Studien stellten Wissenschaftler tatsächlich eine schützende Wirkung des Sonnenvitamins vor Atemwegsinfekten fest. Von einer Supplementation profitieren vor allem diejenigen mit geringen Vitamin-D-Spiegeln. Für eine vorbeugende Wirkung bei einer Corona-Infektion liegen bisher jedoch keine aussagekräftigen Untersuchungen vor, so die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie.

Aktuell untersucht eine Studie aus Kiel, wie sich Vitamin B3 (Niacin) auf eine Infektion auswirkt. Die Forscher fanden in einer Pilotstudie Hinweise darauf, dass eine Supplementierung mit diesem Vitamin bei leichten bis mittelschweren Corona-Symp­tomen einen schweren Verlauf verhindern könnte. Ergebnisse stehen jedoch noch aus, ebenso von Forschern aus Dänemark, wo eine ähnliche Studie mit älteren Patienten läuft. Ein Mangel an dem Vitamin ist in industrialisierten Ländern jedoch selten und geht dann meist einher mit anderen Erkrankungen.

Immunsystem dauerhaft stärken

Jeder kann selbst dazu beitragen, die natürlichen Abwehrmechanismen seines Körpers zu fördern. So hat die in Deutschland übliche kalorien-, fett- und zuckerreiche Ernährung mit ihrem hohen Anteil tierischer Lebensmittel eine eher entzündungsfördernde Wirkung und verschlechtert damit die Schlagkraft des Immunsystems. Sie begünstigt zudem die Entstehung von Übergewicht mit all seinen Folgeerkrankungen. So haben schwer Übergewichtige mit einem BMI über 30 ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion. Daten aus den USA deuten darauf hin, dass 64 Prozent aller stationären Corona-Patienten starkes Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz hatten. Das weist auf den großen Einfluss eines gesunden Ernährungs- und Lebensstils hin.

Für Ausgleich sorgen

Jeden Tag gibt es neue Meldungen zu Infektionszahlen und Todesfällen, alle schränken ihr Sozialleben ein, halten Abstand und tragen Mund-Nasen-Schutzmasken. Die sinnvollen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie haben allerdings auch ungünstige Folgen: Bewegungsmangel, Vereinsamung, Angst, Depression und Stress. Diese Faktoren können die Abwehrkräfte schwächen. Daher kommt es für ein gesundes Immunsystem auch darauf an, für einen mentalen Ausgleich und ausreichend Entspannung zu sorgen. Schlaf und regelmäßige Bewegung, am besten im Freien, spielen für die Abwehrkräfte ebenfalls eine Rolle. So wiesen Wissenschaftler nach ausgedehnten Waldspaziergängen eine erhöhte Zahl von Immunzellen nach. Tägliche Entspannungsübungen mit autogenem Training, progressiver Muskelentspannung oder Yoga helfen, für die nötige innere Ruhe in diesen herausfordernden Zeiten zu sorgen.


Mit einer pflanzenbasierte Kost lassen sich die Abwehrkräfte unterstützen. Eine aktuelle Studie der Universität Bonn wies beispielsweise nach, dass sich bei einer Kost mit reichlich Vollkorn, Ballaststoffen, Gemüse und Obst höhere Werte an Flavonoiden und anderen entzündungshemmenden Substanzen im Blut nachweisen lassen. An erster Stelle steht daher ein abwechslungsreicher Speiseplan mit frisch zubereiteten Mahlzeiten, bei denen pflanzliche Lebensmittel in ihrer ganzen Bandbreite dominieren. Wer mag, kann mäßige Mengen Milchprodukte oder Fleisch ergänzen. Diese Vielfalt liefert all die Vitamine und Mineralstoffe, die für die Abwehrkräfte eine Rolle spielen, und ist zudem reich an sekundären Pflanzenstoffen. Jedoch kann auch eine pflanzenbetonte Vollwert-Ernährung keinen Schutz vor Viren garantieren. Es ist aber davon auszugehen, dass ein optimal versorgter Organismus auch ein schlagkräftigeres Immunsystem aufweist. Zudem sinkt das Risiko für Übergewicht. Ziel sollte daher auch von politischer Seite sein, allen eine gesundheitsförderliche Lebensweise zu ermöglichen, auch um schwere Verläufe bei Infektionen zu vermeiden. Gesunde Lebensmittel zu einem günstigeren Preis und eine Zuckersteuer sind nur zwei überfällige Maßnahmen dafür.

Literaturangaben

Bild © Dmitry Kalinovsky/123RF.com

Stichworte: Coronavirus, COVID-19, Ernährung, Immunsystem, Vitamin C, Vitamin D, Vollwertkost, Vollwerternährung


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