Adipositaschirurgie: Operation für ein leichteres Leben
Schwer übergewichtigen Menschen bleibt als letzter Ausweg oft nur eine Verkleinerung des Magens. Der operative Eingriff geht mit starken Veränderungen einher – sowohl auf der Waage als auch im Alltag der Betroffenen.
Inhalt
- Wenn andere Therapiemaßnahmen nicht mehr helfen
- Anfangs ist die Magenoperation ein Selbstläufer
- Verdauung neu verschaltet
- Die Psyche nicht vergessen
- Essen nach der Operation
- Von Flüssigkost zu Püriertem
- Nachsorge einhalten
Allein in Deutschland werden jährlich rund 15.000 chirurgische Eingriffe bei Adipositas durchgeführt. Glaubt man den Prognosen der Wissenschaftler, dürften die Zahlen der sogenannten bariatrischen Operationen in Zukunft weiter ansteigen. Die Magenverkleinerung verändert den Lebensalltag der Betroffenen massiv: Die Operation kann Unverträglichkeiten hervorrufen und die Lebensmittelauswahl enorm einschränken. Ob zusammen mit der Familie, in der Kantine oder im Restaurant, die bisherige Ernährung wird sich nach dem Eingriff grundlegend ändern.
Rund 20 Prozent der Erwachsenen in Deutschland sind adipös – Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Nicht grundlos wird starkes Übergewicht als eine der schwerwiegendsten Zivilisationskrankheiten angesehen. Das hohe Körpergewicht geht für Betroffene mit einer Vielzahl an Folge- und Begleiterkrankungen wie Fettstoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes mellitus einher.
Adipositas zu bekämpfen, ist nicht einfach. Viele Betroffene haben die Wege der konventionellen Therapie über Ernährungsberatung, psychologische Betreuung und Bewegungstherapie bereits ausgeschöpft und trotzdem keinen langfristigen Erfolg in ihrer Gewichtsreduktion erzielen können. Für sie ist eine Magenverkleinerung häufig die letzte Hilfe.
Wenn andere Therapiemaßnahmen nicht mehr helfen
Damit der behandelnde Arzt sich zusammen mit dem Patienten für einen bariatrischen Eingriff entscheidet, muss mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt sein: Ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 40 kg/m² oder ein BMI zwischen 35-40 kg/m² zusammen mit einer adipositasassoziierten Begleiterkrankung, wie Diabetes mellitus oder Bluthochdruck. Auch der erfolglose Versuch einer medikamentös unterstützten Gewichtsreduktion zählt zu den Gründen für einen operativen Eingriff. Ab einem BMI von 50 kg/m²
stellt die bariatrische Operation nachweislich die erfolgreichste Therapiemöglichkeit dar. Betroffene mit geringeren BMI-Werten müssen vorab die konservativen Therapiemöglichkeiten erfolglos ausgeschöpft haben. Das heißt, sie müssen mindestens sechs Monate ohne signifikanten Erfolg eine Ernährungs- und Verhaltenstherapie absolviert haben.
Magenballon und Magenband gelten heute als veraltete Operationsverfahren. Als Fremdkörper im menschlichen Organismus bargen sie ein zu hohes Risiko und wurden daher größtenteils von Schlauchmagen und Magenbypass abgelöst. Beide Techniken werden laparoskopisch durchgeführt. Das heißt, der operierende Chirurg nimmt den Eingriff innerhalb der Bauchdecke vor. Dank der minimalinvasiven Verfahren bleiben statt eines großen Schnittes nach dem Eingriff nur fünf circa zwei Zentimeter lange Narben zurück.
Anfangs ist die Magenoperation ein Selbstläufer
Der Schlauchmagen zählt zu den rein restriktiven Verfahren, bei dem ein großer Teil des Magens abgetrennt und irreversibel entfernt wird. Übrig bleibt ein schlauchförmiger Restmagen, auch sleeve (englisch für Ärmel) genannt. Das nun viel geringere Magenvolumen führt dazu, dass Patienten nach dem Eingriff nur noch kleine Portionen von circa 80-120 Milliliter Volumen zu sich nehmen können. Ein positiver Nebeneffekt: Im entfernten Bereich des Magens wird normalerweise das Hungerhormon Ghrelin gebildet. Operierte Patienten verspüren in den ersten ein bis eineinhalb Jahren daher kaum Hungergefühl. Für die angestrebte Gewichtsreduktion ist das ein guter Anstoß und besonders in der ersten Zeit nach dem Eingriff verlieren die meisten viel Gewicht. Fachleute bezeichnen diese Zeit auch als Honeymoon-Phase – schließlich geht das Abnehmen ein bisschen wie von allein. Nach einiger Zeit kann der Körper Ghrelin allerdings an anderer Stelle wieder bilden, sodass die Umstellung von Verhaltensweisen und Gewohnheiten für eine langfristige Stabilisierung des Gewichts unerlässlich bleibt.
Verdauung neu verschaltet
Beim Magenbypass wird ein großer Teil der aufgenommenen Nahrung nicht verdaut, denn der Magen wird bei der Verdauung umgangen. Dazu wird er wenige Zentimeter unterhalb des Mageneingangs von der Speiseröhre abgetrennt. Übrig bleibt ein kleiner Restmagen, auch Magenpouch genannt, in dem sich zukünftig der Nahrungsbrei sammeln kann – allerdings nur rund 30-40 Milliliter. Der übrige Teil des ursprünglichen Magens wird blind verschlossen, verbleibt im Bauchraum und bildet weiterhin Verdauungsenzyme. Durch eine Dünndarmschlinge am neuen Magenausgang folgt eine ganze Passage, in der die Nahrung nicht verdaut wird. Erst später treffen die Verdauungsenzyme aus dem Magen auf den Nahrungsbrei. Aufgrund der verzögerten Verdauung spricht man beim Magenbypass – zusätzlich zu der Verkleinerung des Magens – von einem malabsorptiven Verfahren.
Psyche nicht vergessen
Nach der Operation kommt es unausweichlich zum Gewichtsverlust. Damit verbessern sich in fast allen Fällen auch andere Gesundheitsfaktoren, wie das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Blutwerte oder Gelenkschmerzen. Oft hellt sich auch die psychische Verfassung der Operierten auf. Für die Patienten sind diese sehr positiven Entwicklungen allerdings auch mit Veränderungen und Einschränkungen verbunden. Die ersten eineinhalb Jahre nach dem Eingriff müssen sie dazu nutzen, ihre Lebensgewohnheiten umzustellen. Das bedeutet ein angepasstes Essverhalten und auch mehr Bewegung im Alltag. Mit dem Verlust an Körpergewicht erfährt die Bewegung meist ganz von allein einen höheren Stellenwert. Verbesserte Beweglichkeit, Ausdauer und Stabilität lassen die Motivation schnell ansteigen. Viele gewinnen sogar langfristig den Spaß am Sport zurück.
Essen nach der Operation
Vor allem das Ernährungsverhalten sollte sich von Beginn an zu Gunsten der eigenen Gesundheit und der langfristigen Gewichtsstabilisierung verändern. Wer schon nach kurzer Zeit ein ähnliches Ernährungsverhalten wie vor dem Eingriff an den Tag legt, wird auf lange Sicht sein Gewicht nicht halten können. Der Weg zu einer normalisierten Ernährung nach einem bariatrischen Eingriff ist lang. Deutlich kleinere Portionsgrößen, veränderte Vorlieben und besonders beim Bypass neu auftretende Unverträglichkeiten, beispielsweise bei fett- oder proteinreichen Mahlzeiten, bedeuten Einschränkungen. Während des meist drei- bis viertägigen Krankenhausaufenthalts erhalten die Patienten umfangreiche Informationen zur zukünftigen Ernährung. Wichtig ist, dass sie einige Grundregeln beachten: Zwischen Essen und Trinken mindestens eine halbe Stunde Zeit lassen, um sich wirklich satt essen zu können. Einen Mahlzeitenrhythmus von täglich drei bis vier Mahlzeiten mit ähnlichen Zeitabständen schaffen, sodass eine ausreichende Nährstoffzufuhr über den Tag verteilt gewährleistet ist. Das Essen sehr gut kauen und für jede Mahlzeit ungefähr 20-30 Minuten Zeit nehmen. Nicht ablenken lassen und auf die Mahlzeit konzentrieren, ist ebenfalls hilfreich.
Noch während des Krankenhausaufenthalts beginnt der postoperative Kostaufbau. Trinken dürfen die Patienten bereits ab dem Tag der Operation. Ab dem zweiten Tag startet die über zwei Wochen andauernde Flüssigphase. Erlaubt sind Brühen, stark pürierte Suppen, Joghurt- und Quarkprodukte sowie zuckerarme Fruchtpürees. In den ersten Wochen nach der Operation sind Portionsgrößen von zwei bis drei Esslöffeln normal. Bei guter Verträglichkeit der Flüssigkost können Patienten ab der dritten Woche nach der OP etwas festere Kost zu sich nehmen. Die Lebensmittelauswahl sollte grundsätzlich proteinreich sowie arm an Kohlenhydraten und Fetten sein, um den Muskelerhalt zu fördern und gleichzeitig eine Überversorgung an Kalorien zu vermeiden. Ab Woche fünf beginnt die langfristige Ernährung. Die Lebensmittel werden zunehmend fester und die Patienten können die Auswahl erweitern.
Durch die Veränderungen am Magen werden wichtige Nährstoffe wie Proteine, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente nicht mehr in ausreichender Menge vom Körper aufgenommen. Sinnvoll ist daher die tägliche Einnahme hochdosierter Multivitaminpräparate. Eine zusätzliche Einnahme von Eisen, Calcium und Magnesium kann unter Umständen sinnvoll sein. Um einen Abbau der Muskelmasse zu verhindern, gilt eine Zufuhr von mindestens 60 Gramm Protein pro Tag als empfehlenswert. empfehlen Experten, täglich ein Proteinpräparat einzunehmen. Zur Vermeidung einer zu hohen Aufnahme leerer Kalorien sollte vor allem auf zu fett- oder zuckerhaltige sowie stark verarbeitete Produkte verzichtet werden. Mithilfe der bioelektrischen Impedanz Analyse (BIA) wird die Körperzusammensetzung in regelmäßigen Abständen überprüft. So bleiben Körpergewicht, Körperfettanteil, Muskelmasse und Wasserhaushalt im Blick.
Nachsorge einhalten
Gerade die Nachsorge ist wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Therapie. Oft kommt sie jedoch zu kurz, sodass nicht alle Operierten eine wünschenswerte Betreuung erhalten. Im Idealfall stellen sich Patienten im ersten Jahr alle drei Monate bei den Fachkräften vor, im zweiten Jahr halbjährlich und ab dem dritten Jahr jährlich. So kann eine lebenslange Anbindung und Unterstützung im Adipositaszentrum gewährleistet werden.
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Stichworte: Magenverkleinerung, Adipositaschirurgie, Schlauchmagen, Magenbypass, bariatrische Chirurgie, Operation, Adipositas, Ernährung, Diät, Ernährungstherapie, Ernährungsverhalten
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UGBforum 5/2021
Der Magen: ein reizendes Organ
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