Influencer-Marketing: Werbung auf subtile Art

Mega-Influencer* verdienen in den sozialen Medien mit subtiler Werbung Millionen. Gerade im Bereich Fitness und Ernährung profitieren Unternehmen von dem Einfluss der Internetstars. Fachkräfte und Organisationen nutzen die Möglichkeiten der Social-Media-Kanäle für gesundheitsfördernde Inhalte bislang kaum.

Anzeigenbanner auf Webseiten und Social-Media-Plattformen sind allen Internetnutzern geläufig. Die Banner und Push-Up-Fenster lassen sich leicht als Werbung identifizieren. Weniger offenkundig ist das Influencer-Marketing. Hier werben Unternehmen und Einzelpersonen auf ihren Kanälen mit regulären Posts, also Texten, Fotos oder Videos, die nicht auf den ersten Blick als Werbung erkennbar sind. Unternehmen suchen dafür gezielt nach Personen, die eine große Reichweite in den sozialen Medien besitzen. In der Regel können sie dadurch spezifische Zielgruppen ansprechen, die zum jeweiligen Produkt passen. Professionelle Influencer werden meist von spezialisierten Werbeagenturen vertreten, die sie an interessierte Unternehmen vermitteln. Häufig werden sie aber auch direkt von Unternehmen angesprochen. Für Influencer ist Werbung eine der Haupteinnahmequellen. Gegen Bezahlung oder Gratisproben testen und empfehlen sie dann die Produkte der Unternehmen.

Ein lukratives Geschäft für beide Seiten

In Deutschland verdienen Micro-Influencer mit 5000 bis 20.000 Followern, also Fans, die ihren Kanal abonniert haben, nach Angaben des Statistik-Portals Statista zwischen 30 und 250 Euro pro Post. Mega-Influencer mit über einer Million Followern erhalten 14.000 Euro und mehr für eine Produktempfehlung. Unternehmen sehen in dieser Form des Marketings Vorteile wie die Generierung von Inhalten (Content), einen besseren Zugang zur Zielgruppe sowie mehr Authentizität im Gegensatz zu traditionellem Marketing und Werbung. Dafür sind sie bereit, immer mehr in Influencer-Marketing zu investieren.

Influencer lassen ihre Follower nicht nur an ihrem Leben teilhaben, indem sie beispielsweise Fotos von ihren Mahlzeiten oder Aktivitäten posten, sie machen ihren Lebensstil zum Geschäftsmodell. Insbesondere im Bereich Fitness und Ernährung posten sie Bilder ihres schlanken und trainierten Körpers in Verbindung mit einem attraktiven Lebensstil wie schönen Reisen und tollen Erlebnissen. Bei ihren Followern genießen Influencer großes Ansehen und Vertrauen.

Lebensstil wird zum Geschäftsmodell

Die Gesundheitsökonominnen Prof. Sabine Bohnet-Joschko und Dr. Katharina Pilgrim von der Universität Witten/Herdecke beschreiben, dass bei Fitness- und Ernährungsinfluencern ein magisches Dreieck entstehe. Zunächst werde über Fotos der Wunsch nach einem attraktiven Aussehen bei den Followern geweckt. Dieses Aussehen stehe in Verbindung mit einem aufregenden und interessanten Lebensstil. Als Mittel, um dieses Aussehen zu erreichen, präsentierten Influencer als nächstes eine spezifische Ernährungsweise oft gepaart mit bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln. Als drittes würden schließlich als schneller Weg zum Glück bestimmte Produkte zum Kauf angeboten, mit denen es den Followern leichter falle, die angepriesene Ernährungsweise umzusetzen, zum Beispiel Nahrungsergänzungsmittel, spezifische Lebensmittel oder Abnehmprogramme. Durch das Vertrauensverhältnis, das oft zwischen Influencern und Followern besteht, würden Produktempfehlungen von den Nutzern als authentischer wahrgenommen und weniger als Werbung identifiziert. Als prominentestes Beispiel in Deutschland gilt Pamela Reif.

Die Influencerin hat derzeit über acht Millionen Follower auf Instagram. Sie veröffentlicht Fitness- und Ernährungsvideos und hat daraus eine Vielzahl von Geschäftsmodellen entwickelt: eigene Kochbücher, eine Rezepte- und Workout-App, Fitness-Programme, eine Food-Abonnement-Box, eigene Proteinriegel und zahlreiche andere Produkte. Die Bandbreite an Influencern im Ernährungsbereich ist jedoch sehr groß, sowohl was die Ernährungsthemen als auch die Anzahl der Follower angeht.

Versteckte Werbung in rechtlicher Grauzone

Werbung ist heute fester Bestandteil der Accounts professioneller Influencer. Unter den von Bohnet-Joschko und Pilgrim untersuchten 1000 Posts der Top-50-Fitness-Influencer in Deutschland wurde in 39,6 Prozent Werbung positioniert. Nach einem Urteil des Landgerichts Köln von 2020 müssen diese Posts jedoch als Werbung gekennzeichnet werden, unabhängig davon, ob die Influencer dafür einen Gegenwert erhalten oder nicht. Ob das jedoch dazu führt, dass die Nutzer diese Inhalte kritischer betrachten, ist unklar. Zumal nach dieser Regelung sehr viele Posts als Werbung gekennzeichnet werden müssen und die Hinweise darauf gar nicht mehr bewusst wahrgenommen werden.

Verschiedene Gerichtsurteile zur Kennzeichnung von Werbung in sozialen Medien haben gezeigt, dass es in Deutschland bisher an eindeutigen rechtlichen Rahmenbedingungen mangelt, was genau und wie gekennzeichnet werden muss. Ein Gesetzgebungsverfahren ist daher in Planung.

Die Kennzeichnung erfolgt derzeit beispielsweise mit dem Hinweis „gesponsert“, „bezahlte Werbepartnerschaft“, „Werbung“ oder ähnliches in kleiner Schriftgröße über oder unter dem Post. Bei der Videoplattform YouTube erscheint beispielsweise ein kleines Pop-Up-Fenster in den ersten Sekunden des Videos. Das Layout von Posts mit Werbeinhalten unterscheidet sich jedoch nicht von anderen Videos, Bildern und Textbotschaften. Daher ist es für die Nutzer grundsätzlich schwer erkennbar, ob ein Post interessensgesteuert ist oder auf unabhängigen Bewertungen beruht.

Die Kennzeichnung von Werbeinhalten in sozialen Netzwerken ist nicht vergleichbar mit den Standards, die in den Printmedien oder im Fernsehen gelten. Hier müssen nach Ziffer 7 des Pressekodex Werbung und redaktionelle Inhalte so voneinander getrennt sein, dass dies für die Leser und Zuschauer klar erkennbar ist, etwa durch den Hinweis im Fernsehen, dass jetzt der Werbeblock kommt. Dies gebiete die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit und sichere die Unabhängigkeit, so die Begründung des Deutschen Presserats. In der Form, wie Werbung mit redaktionellen Inhalten im Online-Bereich vermischt werde, sieht der Deutsche Presserat „eine schwerwiegende Irreführung der Leserinnen und Leser“.

Ernährung Top-Branche im Influencer-Marketing

Lebensmittel, Kochen und Ernährung gehören im Influencer-Marketing zu den beliebtesten Inhalten. In diesen Themenbereichen suchen Nutzer am häufigsten Informationen in den sozialen Medien. Aber auch auf Seiten der Influencer gehört Food zu den Top-Themen, insbesondere bei den weiblichen Influencern. Doch haben Influencer tatsächlich Einfluss auf das Ernährungsverhalten der Nutzer? Laut dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) kauften bereits 21,6 Prozent der Deutschen ein Produkt, weil es ein Influencer empfohlen oder genutzt hat. Unter den 16- bis 24-Jährigen haben sogar 52,6 Prozent ein Produkt aufgrund eines Influencers erworben. In dieser Altersgruppe bewerten mehr als die Hälfte Werbung von Influencern als glaubwürdiger im Vergleich zu traditioneller Werbung. Ältere Personen sind hier eher skeptisch.

Verschiedene Studien konstatieren bereits einen negativen Einfluss von Online-Werbung auf das Ernährungsverhalten. So nahm eine Übersichtsarbeit (Review) australischer Wissenschaftler 28 Studien zu Einflüssen von Online-Marketing für ungesunde Produkte auf junge Menschen zwischen 12 und 30 Jahren unter die Lupe. In der Mehrzahl der Studien konnten die Forschenden schädliche Effekte nachweisen. Die Kernaussage dieses Reviews war zwar, dass junge Menschen gegenüber den Anzeigebannern auf Facebook skeptisch waren. Interaktionen (liken oder teilen) mit Werbung enthaltenden Posts nahmen sie jedoch nicht als Werbung wahr, insbesondere wenn diese Inhalte bei Nutzern ihrer Peergroup angezeigt wurden.

Forderungen nach mehr staatlicher Regulierung

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) machte bereits mehrmals darauf aufmerksam, dass in den sozialen Medien insbesondere ungesunde Produkte beworben werden, die reich an gesättigten Fetten, Salz und Zucker sind. Dies beeinflusse das Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen negativ. Die WHO fordert daher eine stärkere staatliche Regulierung.

Die genannten Studienergebnisse bestätigen auch die Einschätzung des Presserats, dass Werbeinhalte in Online-Medien deutlicher von anderen Inhalten getrennt werden müssen. Zudem ist davon auszugehen, dass selbst bei einer Kennzeichnung bezahlter Influencer-Posts diese weniger kritisch als klar abgegrenzte Werbung aufgefasst werden. Zu ähnlichen Ergebnissen kam ein weiteres Review von US-Forschenden, das 25 Studien untersuchte. Gesteigerter Alkoholkonsum werde hier besonders dann beobachtet, wenn die Adressaten mit der Werbung für alkoholische Getränke in den sozialen Netzwerken interagierten, also auf eine Anzeige klickten, Beiträge likten und teilten oder Inhalte herunterluden. Wurde die Anzeige nur gesehen, lag keine Evidenz für einen höheren Konsum vor.

Milliardenumsätze mit Werbung

Zielgruppengenaue Platzierung der Produkte, sei es über die Empfehlung von Influencer oder direkt als Anzeige, machen Social-Media-Plattformen besonders attraktiv für Unternehmen. So ist Werbung für soziale Medien die Haupteinnahmequelle. Facebook beispielsweise erwirtschaftet 98 Prozent seines Gesamtumsatzes mit Werbung. Diese Einnahmen stiegen in den letzten Jahren enorm: Zwischen 2010 und 2021 vervielfachte der Meta-Konzern, zu dem neben Facebook auch Instagram und WhatsApp gehören, seine Werbeumsätze von 1,8 Milliarden US-Dollar auf rund 115 Milliarden US-Dollar.

Influencer-Empfehlungen wichtiger als Fachwissen

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Interaktionsmöglichkeiten in sozialen Medien den Erfolg von Werbung steigern können. Die persönliche Bindung zu den Influencern wirkt dabei zusätzlich überzeugend. Insgesamt geht es in sozialen Netzwerken derzeit weniger um die Verbreitung und das Suchen fundierter Informationen, sondern viel mehr um Identitäts- und Beziehungsmanagement. Insbesondere jüngere Menschen nutzen soziale Medien als Identitätsplattform und sehen Influencer als wichtige Vorbilder (Role Models) an. Alltagsnahe, persönliche und authentisch präsentierte Informationen besitzen daher einen höheren Stellenwert als kognitives Fachwissen. Dies ist auch im persönlichen Alltag zu beobachten: Wenn ein Produkt von der besten Freundin wärmstens empfohlen wird, wirkt das überzeugender als eine wissenschaftliche Studie – obwohl die Empfehlung offensichtlich nicht objektiv ist.

Ob das Ernährungsverhalten positiv oder negativ beeinflusst wird, hängt jedoch letztlich von den kommunizierten Inhalten ab. Online-Marketing kann somit auch zur Steigerung eines gesunden Ernährungsverhaltens genutzt werden. So gibt es beispielsweise zahlreiche Social-Media-Kampagnen gegen Softdrinks, die in einem Review von Forschenden der University of Queensland (USA) zusammengefasst wurden. Die Autoren schlussfolgern, dass Social-Media-Marketing ein kostengünstiger und effektiver Weg sein kann, um eine gesündere Ernährung zu propagieren.

Chance für Organisationen und Fachkräfte

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass in den sozialen Medien keine ethischen Standards existieren, wie dies beispielsweise mit dem Pressekodex im Journalismus der Fall ist. Auch rechtlich ist Influencer-Marketing aktuell noch eine Grauzone und kann daher von vielen Nutzern nur schwer von unabhängigen Inhalten getrennt werden. Da Authentizität und Transparenz jedoch wichtige Erfolgsfaktoren für Influencer-Marketing sind, etablieren sich im Zuge der zunehmenden Professionalisierung im Influencer-Bereich möglicherweise auch bessere Standards. Auch wenn das Influencer-Marketing im Moment eher negative Einflüsse auf das Ernährungsverhalten der Nutzer ausübt, bieten Kooperationen von Ernährungsorganisationen und -fachkräften mit Influencern eine gute Möglichkeit, fundierte und gesundheitsförderliche Ernährungsinformationen in den sozialen Netzwerken mehr Reichweite zu verschaffen. Bisher wird diese Chance leider kaum genutzt.

*In diesem Beitrag haben wir aus Gründen des Leseflusses auf das Gendern verzichtet. Mit dem generischen Maskulinum sind in diesem Beitrag alle Menschen gemeint, gleich welchen Geschlechts.

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Stichworte: Social Media, Influencer, Marketing, Werbung, Transparenz, Follower, Ernährung, Fitness, Lifestyle, Ernährungsfachkräfte


Ernährungskommunikation: Fake oder Fakten Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 4/2022
Ernährungskommunikation: Fake oder Fakten


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