Tagungsbericht aus Luzern
Am 15. Juni 2019 kam die Schweizer UGB-Familie in Luzern zusammen. Auf der Fachtagung „Ernährung im Fokus“ präsentierten Referenten aus Wissenschaft und Praxis viele spannende Vorträge.
UGB-Dozentin Edith Gätjen eröffnete mit ihrem Vortrag über die systemische Ernährungsberatung die Tagung. Dieses Konzept sieht nicht den Einzelnen als alleinverantwortlich für seine Ernährungssituation an, sondern betrachtet ihn in seinem Beziehungsgeflecht – seinem System. Deshalb sei es in der Ernährungsberatung notwendig, die ganze Familie, den Partner oder Gruppen aus dem Lebensumfeld des Ratsuchenden einzubeziehen. Die Auswirkungen des Beziehungsumfeldes machte auch Prof. Christine Brombach in ihrem Referat über Essbiografie deutlich: „Das Essverhalten unserer Eltern und Großeltern prägt unser eigenes Essen“, erklärte die Dozentin der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil. So zögen sich Ernährungsgewohnheiten und Einstellungen zum Thema Essen teilweise über mehrere Generationen.
Nachhaltige Ernährung in Theorie & Praxis
Das derzeit besonders aktuelle Thema „Nachhaltigkeit im Bereich Ernährung – von Verantwortung zum Genuss“ beleuchtete der Ernährungsökologe Dr. Karl von Koerber. Wie dringlich ökologisches und verantwortliches Handeln ist, zeigte er zum Beispiel anhand der CO2-Bilanz unseres Fleischkonsums. Ein Projekt, das nachhaltige Ernährung ganz konkret in die Praxis umsetzt, schilderte Pascal Benninger (s. Foto) von der Gmüserei in Sissach. In diesem Projekt der Solidar-Landwirtschaft gehe es um die direkte Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Konsumenten. So würden sowohl die Ernte als auch die gesamten Ausgaben des Hofes unter den Abonnenten geteilt, die zudem einige Stunden mit auf dem Feld arbeiteten. Dies ermögliche eine echte und nahe Beziehung zu Ackerland und Landwirten. Jährliche Schwankungen im Ertrag und andere Schwierigkeiten der Landwirtschaft ließen sich so hautnah miterleben.
Wie die Ernte jährlichen Schwankungen unterworfen ist, so folgt auch unser Körper einem Rhythmus. UGB-Dozent Hans-Helmut Martin referierte zum Thema „Chronobiologie, Organuhr und Essverhalten“. Das tägliche Auf- und Untergehen der Sonne und der Mondzyklus begleiteten das Leben auf der Erde seit Milliarden von Jahren. Kein Wunder also, dass unser Körper sich perfekt auf diesen Rhythmus eingestellt habe und aus dem Takt gerate, wenn wir außerhalb dieses Rhythmus leben und essen.
Klein, aber nicht überflüssig
Auch die Appendix – der kleine Wurmfortsatz des Blinddarms – begleitet uns seit Anbeginn der Evolution des Menschen. Lange Zeit sei das unterschätzte Anhängsel lediglich als potenzieller Ort von Entzündungen wahrgenommen worden, bedauerte der Pathologe und emeritierte Chefarzt Prof. Jan-Olaf Gebbers. Dabei habe sie eine einmalige Funktion als Reservoir des menschlichen Mikrobioms und trage zudem als lokaler Produktionsort von Immunglobulinen zur Immunabwehr bei.
Zum Abschluss der Tagung beantwortete Dr. Bettina Wölnerhanssen die Frage: „Zucker – Gefahr für den Stoffwechsel?“ Für den hohen Zuckerkonsum machte sie einerseits die mächtige Lobby der Zuckerindustrie verantwortlich, andererseits aber auch unsere Gesellschaft. Denn Süßes sei oft die Währung für Zuneigung.
Bild © Fausta Borsani/bionetz.ch
Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 4/2019
Gut essen mit Handicap
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