Mikrobiota: Futter für die Darmbewohner

Eine vielfältig besiedelte Darmmikrobiota sorgt für Gesundheit und Wohlbefinden. Mit einer gezielten Auswahl von Lebensmitteln und genussvollem Essen lässt sich ihre Zusammensetzung und die Aktivität der Mikroorganismen verbessern.

Unsere Nahrung dient nicht nur uns als Nährstoffquelle, sondern auch der Darmmikrobiota. Dieses hoch komplexe System aus Billionen von Mikroorganismen mit Millionen verschiedener Gene (bakterielles Woodstock) produziert tausende von Stoffwechselprodukten. Sie gelangen ins Blut, fungieren als Botenstoffe und beeinflussen Vorgänge im Körper. Immunsystem, Gehirn, Stoffwechsel – nahezu alle Organe werden durch die mikrobiellen Stoffwechselprodukte beeinflusst.

Westliche Ernährung schadet den Darmkeimen

Eine stark westlich geprägte Ernährungsweise reduziert langfristig die Vielfalt der Mikrobiota. Reichlich (Frucht-)Zucker, gesättigte Fette, tierisches Protein sowie chemische Zusätze und gleichzeitig zu wenig Ballaststoffe machen den Darm träge und lassen ungünstige Stoffwechselprodukte entstehen. So produzieren die Mikroorganismen in unserem Darm aus tierischen Proteinen verzweigtkettige Fettsäuren (Phenole, Indole, Amine), die in hoher Konzentration toxisch wirken können. Aus tierischen Fetten entstehen sekundäre Gallensäuren, die in größeren Mengen krebserregend wirken können. Emulgatoren lösen die schützende Schleimschicht der Darmbarriere auf und Konservierungsstoffe hemmen das Wachstum gesunder Darmkeime.

Dagegen lässt eine pflanzenbetonte Ernährung, die reich an Ballaststoffen aus Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen ist, unsere Darmmikrobiota im besten Sinne gedeihen. Zugleich sorgen viele sekundäre Pflanzenstoffe, Omega-3-Fettsäuren sowie fermentierte Lebensmittel für langfristige Darmgesundheit. Eine pflanzenreiche Kost wie die mediterrane oder die Vollwert-Ernährung ist dafür ideal.

Ballaststoffe: Lieblingsfutter für die Bakterien

Ballaststoffe sind das Lieblingsfutter des Darms und seiner Bewohner. Unlösliche Ballaststoffe wie (Hemi-)Cellulose und Lignine aus Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Saaten, Nüssen und holzigem Anteil von Gemüse und Obst sind unverdaulich für den Menschen und das Darmmikrobiom. Sie wirken eher mechanisch wie ein reinigender Besen, erhöhen die Stuhlmasse und festigen den Stuhl. Dadurch werden sie zu Hanteln für den Darm. Denn der Darm ist ein Muskel, der durch die Dehnung der Stuhlmasse trainiert wird.

Lösliche Ballaststoffe wirken eher gelbildend, quellend und sorgen für eine bessere Gleitfähigkeit des Stuhls. Für den Menschen sind sie unverdaulich, für unsere Darmmikrobiota sind sie ein Festmahl. Mit einem Repertoire aus Enzymen spalten die Mikroben komplexe Kohlenhydrate und produzieren aus ihnen die wertvollen kurzkettigen Fettsäuren, die für die Zellen der Darmwand als Nahrung dienen. So ist für die löslichen Ballaststoffe der Begriff mikrobiota-zugängliche Kohlenhydrate (microbiota accessible carbohydrates, kurz MAC) entstanden.

Zu den löslichen und sehr gut bekömmlichen Ballaststoffen zählen Flohsamen, hier besonders die Schalen. Sie können etwa das 40-fache ihres Eigengewichts an Wasser aufnehmen. Aber auch geschroteter und eingeweichter Leinsamen hat hervorragende quellende Eigenschaften und verbessert die Stuhlkonsistenz. Resistente Stärke ist ebenfalls sehr gut verträglich. Inulin hingegen besteht aus vielen Fruktosemolekülen, was bei empfindlichen Menschen zu Blähungen und Durchfällen führen kann. Da inulinreiche Lebensmittel aber ein regelrechtes Superfood für den Darm sind, sollten sie nicht einfach gemieden werden. Besser ist, die verträgliche Menge individuell auszutesten. Um die mikrobielle Vielfalt im Darm zu steigern, wird empfohlen, täglich mindestens 30 Gramm, besser 40 Gramm Ballaststoffe aufzunehmen (siehe Tabelle).

Fermentierte Lebensmittel stärken die Darmbarriere

Fermentierte Lebensmittel spielen für die Darmbarriere eine besondere Rolle. Bei der Fermentation von Gemüse und Obst bauen Milchsäurebakterien Kohlenhydrate zu Milchsäure ab. Das bekannteste Produkt ist wohl das Sauerkraut oder das asiatische Kimchi. Jedes Gemüse, aber auch Getreide (Brottrunk) und Hülsenfrüchte (Sojasoße, Miso) lassen sich fermentieren. Besonders darmgesund sind fermentierte Milchprodukte wie Kefir, Buttermilch oder Joghurt. Zu den fermentierten und somit darmgesunden Lebensmitteln gehört auch Kombucha, ein erfrischendes asiatisches Teegetränk, das mit Hilfe eines Pilzes fermentiert wird.

Lebende Milchsäurebakterien in den Lebensmitteln erreichen zum Teil intakt den Dickdarm und können sich – zumindest kurzfristig – in der Darmmikrobiota ansiedeln. Sie säuern das Darmmilieu an und sorgen so für einen günstigen pH-Wert im Darm. Milchsäurebakterien bilden bioaktive Substanzen mit antimikrobiellen und antioxidativen Effekten. Sie hemmen die Vermehrung von pathogenen Keimen und modulieren das Immunsystem. Da Milchsäurebakterien nicht hitzestabil sind, verzehrt man fermentierte Lebensmittel am besten unerhitzt, zum Beispiel einen Salat aus frischem Sauerkraut. Mittlerweile ist aber auch bekannt, dass fermentierte Lebensmittel, die zum Zeitpunkt des Verzehrs keine lebenden Mikroorganismen mehr enthalten, von gesundheitlicher Bedeutung sind. So nahm in einer 17-wöchigen Interventionsstudie die mikrobielle Diversität bereits mit sechs Portionen fermentierter Lebensmittel pro Woche deutlich zu. Gleichzeitig reduzierte sich eine Reihe von Entzündungsmarkern.

Sekundäre Pflanzenstoffe für bunte Vielfalt

Von zahlreichen sekundären Pflanzenstoffen wird angenommen, dass sie den Darm und seine Bewohner unterstützen. Da sie vom Verdauungstrakt nur zu einem geringen Teil aufgenommen werden, erreichen sie den Dickdarm in recht hohen Konzentrationen. Polyphenole aus den Randschichten von Gemüse, Obst und Getreide haben zum Beispiel antibiotische Wirkung auf krankmachende Darmkeime. Gleichzeitig sorgen sie für den Anstieg der gesundheitsförderlichen Bakterienstämme. Besonders gut untersucht sind Anthocyane, die Beeren ihre kräftige rote Farbe verleihen. Erst nach Abbau durch Darmbakterien entfalten sie ihre antioxidative und antientzündliche Wirkung. Auch für Curcuminoide in Kurkuma, Gingerol im Ingwer oder Procyanidine in Kakaobohnen wird ein positiver Effekt auf die Darmbewohner vermutet. In den nächsten Jahren ist hier mit vielen neuen Erkenntnissen zu rechnen.

Um die Vielfalt der sekundären Pflanzenstoffe zu nutzen, wird in der Beratung ein Korb voll buntem Gemüse und Obst in der Woche empfohlen. Denn jede Farbe wird durch einen anderen Pflanzenstoff hervorgerufen. Der Korb sollte mehr mit Gemüse als mit Obst gefüllt sein, da ein Zuviel an Fruchtzucker die Zusammensetzung der Mikrobiota negativ verändert und die Durchlässigkeit der Darmwand erhöht. Zu bedenken ist aber, dass der hohe Fruchtzuckerkonsum in der westlichen Ernährung weniger durch Obst, sondern eher durch Fertigprodukte und Limonaden hervorgerufen wird, die mit Fruktosesirup gesüßt sind.

Ein besonderes Plus durch Hülsenfrüchte

Hülsenfrüchte liefern den Darmbewohnern nicht nur wertvolle Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, sondern auch pflanzliches Protein. Bei dessen Abbau durch die Darmbakterien werden keine belastenden Stoffwechselprodukte wie beim Abbau tierischer Eiweiße erzeugt (Trimethylamin) – ein weiterer Pluspunkt für die Hülsenfrüchte. Leider sind sie wegen ihrer blähenden Wirkung nicht sehr beliebt. In kleinen Mengen raffiniert in den Speisplan eingebaut, lernt aber auch ein Hülsenfrucht-Verweigerer, sie zu lieben. Gut verträglich sind rote und gelbe Linsen, als Aufstrich, zunächst in kleinen Mengen in einer Gemüsebolognese oder in einem Eintopf. Gekeimte Hülsenfrüchte sind bekömmlicher und geben über Salate oder Suppen gestreut einen besonderen Pfiff.

Omega-3-Fettsäuren erhöhen Diversität im Darm

Omega-3-Fettsäuren hemmen entzündliche Prozesse, regulieren den Cholesterinspiegel und verbessern die Fließeigenschaften des Blutes. Darüber hinaus fördern sie die Vielfältigkeit der Darmmikrobiota. Mit steigendem Omega-3-Verzehr nimmt die Zahl der Bakterien zu, die Entzündungen eindämmen. Gute pflanzliche Quellen für Omega-3-Fettsäuren sind Leinsaat, Lein- und Hanföl. Walnüsse punkten nicht nur in Sachen Ballaststoffe, auch der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren ist nennenswert. Fettreiche Fische wie Lachs, Makrele, Hering und Thunfisch sind zwar sehr gute Omega-3-Lieferanten. Aufgrund der Überfischung der Meere und teilweise hoher Belastung mit Schadstoffen wie Antibiotika, Schwermetallen oder Mikroplastik ist der wöchentlich empfohlene Fischverzehr allerdings zu überdenken.

Schon ein bis zwei Esslöffel Leinöl am Tag versorgen uns ausreichend mit Omega-3-Fettsäuren. Auch spezielle Algenöle stellen eine gute pflanzliche Alternative zu Seefisch dar. Omega-3-reiche Fette sind sehr empfindlich. Sie sollten deshalb im Kühlschrank aufbewahrt und nur unter kalte Speisen gerührt werden, wie Salatdressings, Quark- und Joghurtspeisen, Aufstriche oder Dips.

Für viele gewöhnungsbedürftig, aber gesund sind Bitterstoffe. Sie kommen natürlicherweise in fast allen Pflanzen vor. Besonders viele Bitterstoffe liefern Chicorée, Endivie, Radicchio, Rosenkohl oder (Wild-)Kräuter wie Löwenzahn, Sauerampfer, Liebstöckel und Kerbel. Sie regen die Darmperistaltik an, bekämpfen krankmachende Mikroorganismen und reduzieren Blähungen.

Mikroben lieben genussvolles Essen

Für die Pflege unseres Darms kommt es nicht nur darauf an, was wir essen, sondern auch wie. Ein Großteil unserer Darmbeschwerden ist das Resultat eines schlechten Essverhaltens: Wir essen zu schnell, zu viel und nebenbei. Dabei lassen schon der Geruch einer Speise und der Anblick des Essens uns das Wasser im Mund zusammenlaufen und leiten so die Verdauung ein. Die Sinneseindrücke führen zur Bildung von Verdauungsenzymen und bereiten den Darm auf das vor, was da so kommt. „Gut gekaut, ist halb verdaut“ lautet ein weises Sprichwort. Für das Kauen und Zerkleinern ist unser Gebiss verantwortlich. Der Darm kann nur kleinste Partikel enzymatisch aufspalten.

Die Ernährung hat großen Einfluss auf die Zusammensetzung und die Aktivität der Darmmikrobiota. Eine abwechslungsreiche und pflanzenbetonte Ernährung, arm an hochverarbeiteten Lebensmitteln, stärkt und stützt den Darm und seine Bewohner. Sie danken es uns, indem sie für unsere Darmgesundheit und unser Wohlbefinden sorgen.

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Mikrobiom: Kleine Bakterien groß im Kommen Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 2/2023
Mikrobiom: Kleine Bakterien groß im Kommen


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