Plastiktüten: Stoff und Papier nicht immer besser
Umweltbewusste Verbraucher verzichten weitestgehend auf Tüten und Verpackungen aus Plastik. Doch sind Papiertüten, Bioplastik oder Stoffbeutel wirklich nachhaltigere Alternativen?
Plastik steht schon lange in Verruf: In den Meeren schwimmen riesige Kunststoffinseln und an den Küsten sammelt sich Plastikmüll zum Teil bergeweise an. So verwundert es nicht, dass immer mehr Menschen plastiksensibel werden. Kürzlich reagierte die Politik mit einem Verbot von Plastiktüten an der Ladenkasse, das ab 2022 in Kraft tritt. Auch der Handel bietet nun mehr Papiertüten in den Supermärkten an. Bioläden setzen schon seit Jahren auf die vermeintlich ökologischere Papiervariante. Auch Alternativen aus Bioplastik klingen umweltfreundlich. Doch hilft das wirklich? Oder sollte man lieber den guten alten Stoffbeutel dabei haben?
Plastik steht schon lange in Verruf: In den Meeren schwimmen riesige Kunststoffinseln und an den Küsten sammelt sich Plastikmüll zum Teil bergeweise an. So verwundert es nicht, dass immer mehr Menschen plastiksensibel werden. Kürzlich reagierte die Politik mit einem Verbot von Plastiktüten an der Ladenkasse, das ab 2022 in Kraft tritt. Auch der Handel bietet nun mehr Papiertüten in den Supermärkten an. Bioläden setzen schon seit Jahren auf die vermeintlich ökologischere Papiervariante. Auch Alternativen aus Bioplastik klingen umweltfreundlich. Doch hilft das wirklich? Oder sollte man lieber den guten alten Stoffbeutel dabei haben?
Verwendungshäufigkeit zählt
„In erster Linie spielt es eine Rolle, wie oft eine Verpackung oder Einkaufstüte verwendet wird.“ sagt Lukas Sattlegger, Verpackungsexperte in der Forschungsgruppe PlastX am Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt am Main. „Die Mehrfachverwendung ist relevanter als das Material, wenn es um die Umweltwirkungen geht“, In Bezug auf die Ökobilanz ist ein direkter Vergleich der verschiedenen Materialien schwierig. Denn der Lebenszyklus einer Plastiktüte hat beispielsweise stärkere Auswirkungen auf den Treibhauseffekt, während die Herstellung einer Papiertüte deutlich mehr Wasser und Chemikalien benötigt. Eine Untersuchung der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Zürich zeigte, dass eine Plastiktüte aus mindestens 80 Prozent Recyclingmaterial – erkennbar am Siegel „Blauer Engel“ – den anderen Materialien in puncto Ökobilanz überlegen ist. Die Studie ergab aber auch, dass eine Papiertüte nach mehrfacher Wiederverwendung mit biobasiertem Kunststoff gleich auf ist. Insbesondere bei der Plastiktüte kommt es jedoch auf die richtige Entsorgung an: Landet sie in der Umwelt statt im Gelben Sack, kann es bis zu 500 Jahre dauern, bis sie zersetzt ist. Dieses Szenario wurde in der Empa-Untersuchung nicht berücksichtigt. Hier bietet die Papiertüte einen Vorteil: Weil sie aus biologisch abbaubarer Zellulose besteht, kann sie beispielsweise als Biomülltüte ihren Lebenszyklus beenden. Selbst wenn sie in der Umwelt verbleibt, wird sie deutlich schneller zersetzt. Damit sie möglichst reißfest sind, werden Papiertragetaschen aus frischen Holzfasern hergestellt. Anders ist das bei Lebensmittelverpackungen, die oftmals aus einem gewissen Anteil Recyclingpapier bestehen. Sie sparen Energie und Wasser ein, können allerdings unerwünschte Stoffe wie Mineralölrückstände aus Druckfarben oder Bisphenol A aus Kassenbons enthalten. Damit sind sie zwar nachhaltiger als Plastikverpackungen, unter Umständen allerdings gesundheitlich bedenklich.
Ein Stoffbeutel nimmt es laut Empa mit der Plastiktüte aus Rezyklat erst auf, wenn er 83-mal wiederverwendet wird. Das liegt an energie- und ressourcenintensiven Herstellungsprozessen. Dafür ist ein Stoffbeutel wesentlich reißfester, sodass er problemlos wiederverwendet werden kann. Wer es genau nimmt, sollte nach Beuteln aus Bio-Hanf oder Bio-Leinen Ausschau halten. Die Rohstoffe hierfür wachsen anders als Baumwolle und Jute auch in Deutschland und Umgebung. Noch umweltfreundlicher wäre eine selbstgenähte Tragetasche aus alten Kleidungsstücken.
Biokunststoff verbraucht Ackerfläche
Die Anzahl verschiedener Biokunststoffe ist kaum zu überblicken. Bioplastik kann aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, kompostierbar sein oder beide Eigenschaften vereinen. Daher unterscheiden sich die Umweltwirkungen. Als Ausgangsmaterial dienen in der Regel Mais, Zuckerrohr sowie Zellulose aus Baumwollfasern oder Holz. Das Tückische ist jedoch: Der biobasierte Anteil liegt nicht zwingend bei 100 Prozent. In diesem Fall besteht der Rest aus Mineralölbestandteilen. Hinzu kommt, dass die Verwendung von Mais und Zuckerrohr wegen der Nutzung von Ackerflächen in Konkurrenz zur Lebensmittelherstellung steht. Da ihr Anbau die Ernährungssituation in den herstellenden Ländern beeinflussen kann, stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit von Bioplastik. Zudem geht die konventionelle Produktion der Pflanzen in der Regel mit dem intensiven Einsatz von Wasser, Dünger und Pestiziden einher.
Was die Ökobilanzen angeht, schneiden biobasierte Kunststoffe in den Kategorien Klimawandel und Energieverbrauch besser ab als fossile Kunststoffe. In den meisten anderen Kategorien wie Landnutzung, Wasserverbrauch sowie der Belastung von Böden und Wasser in der Regel schlechter, wie eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Landwirtschaft aufzeigt. Biobasierte Kunststoffe machen dann Sinn, wenn sie aus Rest- und Nebenstoffen der Agrarwirtschaft hergestellt werden. Da sie biologisch abbaubar sind, sollten sie vor allem dort eingesetzt werden, wo die Zersetzung erwünscht ist, beispielsweise bei Folien in der Landwirtschaft. Werden sie als Verpackungsmaterialien verwendet, können sie im Gelben Sack entsorgt die Recyclingprozesse herkömmlicher Kunststoffe beeinträchtigen.
Zwar gut gemeint, aber nicht zielführend ist die Tüte aus Bioplastik für den Komposteimer. Sie wird – weil zu dem Zeitpunkt noch nicht zersetzt – im Kompostierwerk genauso aussortiert wie nicht-kompostierbare Tüten und landet am Ende in der Müllverbrennung. Und wer denkt, Biokunststoffe bestünden ausschließlich aus unbedenklichen Inhaltsstoffen, der irrt: So zeigt eine aktuelle Studie der PlastX-Gruppe, dass Gegenstände aus Biokunststoff ebenfalls toxische Inhaltsstoffe enthalten. Denn auch hier werden genauso wie bei fossilen Kunststoffen Zusätze wie Weichmacher und Stabilisatoren eingesetzt. Bezogen auf Lebensmittelverpackungen gilt daher: Am besten zu loser Ware greifen und eine eigene Mehrwegtasche oder ein Aufbewahrungsbehältnis zum Beispiel für die Käsetheke dabei haben.
Plastikbeutel besser als Packware
Selbst der Griff zum sogenannten dünnen Hemdchenbeutel in der Gemüse- und Obstabteilung ist weniger problematisch als der zu vorverpackter Ware. Das zeigt eine Studie des Naturschutzbundes (NABU). „Für eine 500 Gramm Schale Trauben mit Deckel braucht man durchschnittlich etwa sieben Mal so viel Kunststoff wie für einen Knotenbeutel aus Kunststoff“, sagt Katharina Istel, Referentin für Ressourcenpolitik beim NABU. Eine aktuelle Marktuntersuchung der Verbraucherzentralen zeigt, dass das Verpackungsaufkommen in Supermärkten eher zugenommen hat und unverpacktes Obst und Gemüse häufig teurer ist als verpacktes. Würde sich das ändern, könnte sich das auch auf das Verhalten der Verbraucher auswirken. Denn die meisten wünschen sich mehr unverpackte Lebensmittel.
Nicht nur Plastiktüten, auch andere Verpackungsgegenstände wie Dosen, Schraubgläser oder Pappverpackungen lassen sich kreativ mehrmals verwenden. Ganz im Sinne der Abfallhierarchie: An erster Stelle steht die Vermeidung und an zweiter die Wiederverwendung. Erst dann folgt das Recycling. So sagt auch Plastikexperte Sattlegger: „Es gibt nicht die eine ökologische Verpackung. Jedes Material erfordert zur Herstellung Energie und Ressourcen und bringt Umweltwirkungen mit sich.“
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Stichworte: Plastiktüte, Papiertüte, Umwelt, Bioplastik, Plastik
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