Mit Vollwertkost gut versorgt
Wie gesund sich Vollwertköstler wirklich ernähren, untersuchten Wissenschaftler vom Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Gießen. Das Ergebnis bestätigt: Wer die Empfehlungen der Vollwertkost umsetzt, lebt gesünder als der durchschnittliche Bundesbürger.
Obwohl es Vollwertkost schon seit Jahrzehnten gibt, lagen bisher keine wissenschaftlichen Untersuchungen darüber vor, wie sich die Ernährungsform auf die Gesundheit auswirkt.
In der Gießener Vollwert-Ernährungs-Studie wurde erstmals der Gesundheits- und Ernährungsstatus einer großen Zahl Personen untersucht, die Vollwert-Ernährung praktiziert. Um eine möglichst homogene Gruppe zu erhalten, wurden ausschließlich Frauen ausgesucht. Insgesamt nahmen 418 gesunde Frauen im Alter von 25 bis 65 Jahren aus den alten Bundesländern an der Untersuchung teil, die von 1989 bis 1994 durchgeführt wurde. Davon ernährten sich 243 Frauen seit mindestens fünf Jahren nach den Empfehlungen der Vollwert-Ernährung. Sie wurden mit einer Gruppe von 175 Frauen verglichen, deren Ernährungsweise dem Bundesdurchschnitt entsprach, im folgenden Mischköstlerinnen genannt.
Vollwertkost: Fragebögen und Blutproben gaben Aufschluss
Das Ernährungsverhalten der Teilnehmerinnen wurde mit Fragebögen und einem 7-Tage-Ernährungsprotokoll erfasst. Anhand der Aufzeichnungen konnte die Nährstoffzufuhr berechnet werden. Dabei interessierte besonders, inwieweit die beiden Gruppen die Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr der Deutschen Gesellschaft für Ernährung erreichten. Zusätzlich wurden von den Teilnehmerinnen Blutproben entnommen und auf verschiedene Vitaminkonzentrationen untersucht. Um den Gesundheitsstatus zu beurteilen, wurden einige Risikofaktoren für ernährungsabhängige Krankheiten ermittelt, z. B. der Blutcholesterinspiegel.
Die Vollwertköstlerinnen praktizierten im Durchschnitt seit acht Jahren Vollwert-Ernährung. Hierfür gaben sie an erster Stelle gesundheitliche und an zweiter ökologische Gründe an. Aber auch soziale und geschmackliche Faktoren spielten eine entscheidende Rolle. Das ausgeprägte Gesundheitsbewusstsein der Vollwertköstlerinnen zeigte sich auch beim Körpergewicht und Rauchverhalten. So lag ihr durchschnittliches relatives Gewicht bezogen auf die Körpergröße im wünschenswerten Bereich. In der Vergleichsgruppe zeigten dagegen einige Frauen leichtes bis schweres Übergewicht. Nur eine Vollwertköstlerin gab an, Raucherin zu sein, während von den Mischköstlerinnen 20 Prozent rauchten.
Vollwertkost: Mehr Gemüse, weniger Fleisch
Deutliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen ergaben sich bei der Art und der Menge der verzehrten Lebensmittel. Die Vollwertköstlerinnen aßen fast 70 Prozent mehr Gemüse und Hülsenfrüchte als die Mischköstlerinnen. Allein der Anteil an unerhitztem Gemüse war bei den Vollwertköstlerinnen etwa so hoch wie der gesamte Gemüseverzehr der Mischköstlerinnen. Obst stand bei den Vollwertfrauen fast doppelt so häufig auf dem Speiseplan wie bei der Vergleichsgruppe. Dabei bezogen sie ihr Gemüse zu 90 Prozent und ihr Obst zu 85 Prozent aus ökologischem Landbau. Am stärksten unterschieden sich die Vollwert- und Mischköstlerinnen im Verzehr von Fleisch und Fleischwaren. Etwa die Hälfte der Vollwertköstlerinnen ernährte sich vegetarisch, das heißt, sie aßen weder Fleisch noch Fisch. Die andere Hälfte verzehrte durchschnittlich eine Portion Fleisch und zwei Scheiben Wurst pro Woche. Bei den Mischköstlerinnen kamen dagegen etwa fünfmal so viel Fleisch und Fleischwaren auf den Tisch.
Vollkornbrot oft selbst gebacken
Brot und Backwaren verzehrten beide Gruppen etwa in den gleichen Mengen. Erwartungsgemäß wählten die Vollwertköstlerinnen überwiegend Produkte aus Vollkornmehl, während die Mischköstlerinnen Backwaren aus Auszugsmehlen bevorzugten. Fast alle Mischköstlerinnen kauften ihr Brot, wohingegen etwa jede zweite Vollwertköstlerin ihr Brot selbst backte. Dafür verwendeten sie überwiegend Getreide aus ökologischem Landbau. Die andere Hälfte der Vollwertköstlerinnen kaufte ihr Brot hauptsächlich in Naturkostläden, die in der Regel ebenfalls Vollkornbrot aus ökologisch angebautem Getreideanbieten.
Milch und Milchprodukte einschließlich Käse und Quark standen bei beiden Gruppen etwa in den gleichen Mengen auf dem Speiseplan. Die Vollwertköstlerinnen tranken zwar weniger Milch als die Mischköstlerinnen, aßen aber mehr Käse und Quark. Etwa 90 Prozent der Vollwertfrauen, aber nur 40 Prozent der Mischköstlerinnen kauften ihre Milch umweltbewusst im eigenen Gefäß oder in Pfandflaschen. Sichtbares Speisefett und -öl kam bei den Vollwertköstlerinnen häufiger auf den Tisch als bei den Mischköstlerinnen. Die Vollwerthaushalte verwendeten häufiger Butter, ungehärtete Margarine und kaltgepresste, nicht raffinierte Öle, während die Vergleichsgruppe öfter zu raffiniertem Speiseöl, Schmalz und Speck griff. Süßungsmittel wurden von beiden Gruppen in ähnlichen Mengen verzehrt. Während die Vollwerthaushalte Honig, Rohzucker, Ahornsirup und Dicksäfte bevorzugten, überwogen bei den Mischköstlerinnen Haushaltszucker und Süßstoff. Bei Süßigkeiten und Süßspeisen langten die Mischköstlerinnen etwa doppelt so häufig zu. Die Trinkmenge beider Gruppen war etwa gleich, die Art der Getränke unterschied sich jedoch deutlich voneinander: Vollwertköstlerinnen löschten ihren Durst bevorzugt mit Mineralwasser sowie Früchte- und Kräutertees; Mischköstlerinnen tranken mehr Kaffee bzw. schwarzen Tee und Erfrischungsgetränke.
Vollwertkost: Günstige Nährstoffverhältnisse
Bei der Berechnung der Nährstoffzufuhr zeigte sich, dass die Vollwertköstlerinnen günstigere Nährstoffrelationen erreichten. Ihre Kost enthielt mehr Kohlenhydrate sowie weniger Fett und Proteine als die der Mischköstlerinnen. Damit kamen sie den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung recht nahe, lediglich der Fettanteil von 37 Prozent könnte noch etwas geringer sein. Diejenigen Vollwertköstlerinnen, die sich vegetarisch ernährten, erreichten ein noch günstigeres Verhältnis von Kohlenhydraten zu Fetten und Proteinen. Die Vollwertköstler bezogen etwa 60 Prozent ihres Proteins aus pflanzlichen Lebensmitteln, der Rest stammt aus tierischen Produkten. Bei den Mischköstlerinnen war das Verhältnis nahezu umgekehrt (35/65 Prozent). Brot und Backwaren waren die hauptsächlichen Proteinquellen in der Vollwert-Ernährung, gefolgt von Käse, Quark und Eiern. Bei den Mischköstlerinnen waren dagegen Fleisch und Fleischwaren die wichtigsten Proteinlieferanten.
Die Vitaminzufuhr der Vollwertköstlerinnen war in den meisten Fällen höher als die der Vergleichsgruppe, was insbesondere auf den hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel zurückzuführen ist. Lediglich die Vitamine D, B2 und B12, die in erster Linie in tierischen Lebensmitteln vorkommen, wurden etwas weniger aufgenommen. Die Aufnahme der Vitamine D und B12 lag dabei insbesondere bei den vegetarischen Vollwertköstlerinnen unter den DGE-Empfehlungen. Vegetarierinnen, die im Durchschnitt täglich 320 Gramm Milchprodukte plus 100 Gramm Quark und Käse sowie ein Ei pro Woche aßen, kamen jedoch auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B12. Von allen anderen Vitaminen nahmen die Vollwertköstlerinnen mehr auf, als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Ähnlich günstig sah die Mineralstoffzufuhr aus: Vollwertköstlerinnen verzehrten mehr Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen als die Mischköstlerinnen und überschritten die DGE-Empfehlungen. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass die Mineralstoffe bei den Vollwertköstlerinnen größtenteils aus pflanzlichen Lebensmitteln stammten und teilweise nur eingeschränkt verfügbar sind.
Die vorwiegende pflanzliche Ernährungsweise sorgte dafür, dass die Vollwertköstlerinnen mehr Ballaststoffe und weniger Cholesterin aufnahmen. Im Gegensatz zu den Mischköstlerinnen überschritt ihre Ballaststoffzufuhr von durchschnittlich 45 Gramm die Empfehlung der DGE. Hauptquellen waren Obst, Brot, Backwaren und Gemüse. Ihre Cholesterinzufuhr war nur etwa halb so hoch wie die der Mischköstlerinnen und lag deutlich unterhalb des von der DGE angegebenen Richtwertes.
Vollwertkost: Mehr Beta-Carotin Blut
Obwohl die Vollwertköstlerinnen von den meisten Vitaminen mehr aufnahmen als die Mischköstlerinnen, ergaben die Vitaminuntersuchungen im Blut keine großen Unterschiede. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Mischköstlerinnen, die sich für die Studie bewarben, bereits eine recht gesunde Ernährung und günstige Vitaminzufuhr hatten. Die einzige Ausnahme bildete das antioxidativ wirksame Beta-Carotin, von dem die Vollwertköstlerinnen fast doppelt so hohe Blutwerte aufwiesen als die Mischköstlerinnen. Die Frauen, die sich am längsten vollwertig ernährten, hatten die höchsten Beta-Carotin-Konzentrationen im Blut. Dies ließ sich in erster Linie auf den hohen Gemüse- und Obstverzehr zurückführen.
Mit Vollwertkost gesundheitsbewusst leben
Unabhängig von anderen Einflussfaktoren wie sportliche Aktivität und Gewicht wirkte sich die Vollwert-Ernährung zudem günstig auf einzelne Parameter des Fettstoffwechsels aus. So war der HDL-Cholesterinspiegel bei den Vollwertköstlerinnen höher und der Quotient aus LDL- und HDL-Cholesterin niedriger als als bei den Mischköstlerinnen. Die vegetarischen Vollwertköstlerinnen wiesen zudem niedrigere Triglyceridwerte auf. Keine Unterschiede wurden für Gesamt- und LDL-Cholesterin nachgewiesen. Hohe HDL-Cholesterinwerte und niedrige Triglycerid- sowie LDL-Cholesterinkonzentrationen sind günstig im Hinblick auf die Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen.
Die Ergebnisse der Gießener Vollwert-Ernährungs-Studie zeigen, dass die Empfehlungen für die Vollwertkost sehr gut in die tägliche Praxis umsetzbar sind und zu einer guten Versorgung mit Nährstoffen beitragen. Generell wiesen die untersuchten Vollwertköstlerinnen ein hohes Gesundheitsbewusstsein auf. Den Meisten war es sehr wichtig, sich gesund zu ernähren, und sie berücksichtigten darüber hinaus weitere Aspekte der Ernährung, vor allem Umweltverträglichkeit.
Mit der Vollwertkost werden die allgemeinen Empfehlungen zur Vorbeugung von ernährungsabhängigen Krankheiten gut erreicht. Zusätzlich wirkt sich die hohe Zufuhr der antioxidativ wirkenden Vitamine E und C sowie an Carotinoiden vermutlich positiv auf die Vorbeugung von Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs aus. Der insgesamt günstige Lebensstil der untersuchten Vollwertköstlerinnen trägt ebenfalls dazu bei, bestimmte Krankheiten zu vermeiden. Die Vollwertköstlerinnen hatten weniger Übergewicht, tranken weniger Alkohol und rauchten kaum.
Weitere Daten der Gießener Vollwert-Ernährungs-Studie werden derzeit ausgewertet, unter anderem zur Versorgung mit Eisen, Selen, Vitamin B12 und Homocystein. Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden wir im UGB-Forum darüber berichten.
LITERATUR:
AALDERINK, J.; HOFFMANN, I., GROENEVELD, M., LEITZMANN, C.: Ergebnisse der Gießener Vollwert-Ernährungs-Studie. Ernährungs-Umschau 9/41. Jg., S. 325- 328, 1994
AID (Hrsg.): Vollwert-Ernährung - genußvoll, gesund, ökologisch, sozialverträglich. aid-Spezial 3353, Bonn 1998
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR ERNÄHRUNG (Hrsg.): Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr. 5. überarb. Aufl., Umschau Verlag, Frankfurt 1991
Quelle: Der Beitrag basiert auf dem Kapitel 8.5 des Buches: Koerber v., K. u. a.: Vollwert-Ernährung. 9. Aufl., Haug Verlag, Heidelberg 1999