Vegan und vegetarisch: Die Gesundheit profitiert
Zahlreiche Gründe sprechen für eine vegetarische, aber auch für eine vegane Ernährung: Tierethik, Klimaschutz und Welternährung sind nur einige davon. Auch aus gesundheitlicher Sicht haben diese Ernährungsformen viele Vorteile – vorausgesetzt, es wird auf die ausreichende Zufuhr aller kritischen Nährstoffe geachtet.
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Eine vollwertige Ernährung ohne Fleisch oder ganz ohne tierische Produkte birgt angesichts unserer heutigen Lebensbedingungen ein großes Potenzial, um Zivilisationskrankheiten vorzubeugen. So sind Veganer und Vegetarier im Durchschnitt schlanker und haben wesentlich seltener Übergewicht als die Allgemeinbevölkerung. Dazu trägt die niedrige Energiedichte der überwiegend bzw. rein pflanzlichen Kost maßgeblich bei, denn bei gleichem Volumen der Nahrung wird weniger Energie aufgenommen. Gleichzeitig enthält die Kost deutlich mehr Ballaststoffe, aber weniger Fett und Protein.
Seltener Diabetes
Übergewicht und eine hyperkalorische Ernährung begünstigen die Entstehung von Typ-2-Diabetes. Daher erkranken Veganer und Vegetarier deutlich seltener an dieser Stoffwechselkrankheit. In der aktuell laufenden Adventist Health Study 2 in den USA und Kanada (Auswertung mit über 60.000 Teilnehmern) war das Diabetesrisiko der Veganer nur etwa halb so hoch wie das der Fleischesser (siehe Tab. 1). Als wichtigste Ursachen für das niedrige Diabetesrisiko von Veganern und Vegetariern gelten das durchschnittlich geringere Körpergewicht und die höhere Ballaststoffzufuhr – insbesondere aus Vollkornprodukten. Beides wirkt sich günstig auf den Glucose- und Insulinstoffwechsel aus und beugt der Entstehung einer Insulinresistenz vor. Unabhängig vom Körpergewicht trägt ein pflanzliches Verzehrsmuster zum Schutz vor Diabetes bei, während sich mit steigendem Konsum von Fleisch das Diabetesrisiko erhöht.
Veganer und Vegetarier haben auch niedrige Blutdruckwerte und ein sehr geringes Risiko für Bluthochdruck (Hypertonie). In der EPIC-Oxford-Studie (Auswertung mit über 11.000 Teilnehmern) waren die Veganer die Gruppe mit der niedrigsten Prävalenz von Bluthochdruck. Ein Körpergewicht im Normbereich ist der wichtigste Einflussfaktor zur Vorbeugung der Hypertonie. Bei den Lebensmitteln tragen besonders der reichliche Verzehr von Gemüse und Obst und die damit verbundene höhere Zufuhr von Kalium und Magnesium zur positiven Blutdruckregulation bei. Auch der Konsum von Vollkornprodukten und Nüssen, ein geringerer Verzehr von Fett, gesättigten Fettsäuren und Cholesterin sowie die höhere Aufnahme von einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren wirken sich hier günstig aus.
Pluspunkte fürs Herz
Vegetarier und Veganer haben aufgrund ihrer Ernährungs- und Lebensweise ein niedrigeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine Analyse von vier Langzeitstudien mit mehr als 66.000 Teilnehmern (davon über 23.000 Vegetarier und etwa 750 Veganer) ergab, dass die Sterblichkeit an sogenannten ischämischen Herzkrankheiten bei Vegetariern im Durchschnitt 34 % und bei Veganern um 26 % niedriger war als bei Fleischessern. Eine neuere Meta-Analyse von sieben Studien mit über 125.000 Teilnehmern bestätigt die geringere kardiovaskuläre Sterblichkeit von Vegetariern (– 28 %). Verantwortlich dafür sind vor allem die günstigeren Blutfettwerte. Da Veganer überhaupt keine tierischen Fette verzehren, ist ihre Aufnahme an gesättigten Fettsäuren noch niedriger als bei den Lakto-Ovo-Vegetariern und ihre Cholesterinaufnahme gleich null. Außerdem nehmen beide vegetarische Gruppen mehr ungesättigte Fettsäuren und Ballaststoffe auf als Nichtvegetarier. Auch die Zufuhr von antioxidativen Substanzen, wie Vitamin C und E, Beta-Carotin und Polyphenole, die die mehrfach ungesättigten Fettsäuren in den LDL-Partikeln vor Oxidation schützen können, ist bei pflanzlicher Kost höher.
Dem insgesamt sehr niedrigen Risikoprofil für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Veganern stehen jedoch die oft beobachteten erhöhten Homocysteinspiegel sowie die sehr geringe Aufnahme der herzschützenden langkettigen Omega-3-Fettsäuren entgegen, die hauptsächlich in Fisch vorkommen. Es ist anzunehmen, dass durch eine Homocysteinsenkung – etwa durch Vitamin-B12-Supplementierung – das bereits verringerte Herz-Kreislauf-Risiko von Veganern noch weiter reduziert werden kann.
Krebsrisiko geringer
Nicht zuletzt erkranken Vegetarier und Veganer im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung etwas seltener an Krebs. In der Adventist Health Study 2 wiesen Veganer ein um 16 % niedrigeres Gesamt-Krebsrisiko gegenüber den Mischköstlern auf. Bei Frauen-spezifischen Tumoren lag das Risiko um 34 % niedriger. Eine Meta-Analyse, 7 Studien mit etwa 125.000 Teilnehmern, ermittelte für Vegetarier ein um 18 % verringertes Erkrankungsrisiko für Krebs im Vergleich zu Fleischessern. Widersprüchliche Studienergebnisse gibt es vor allem in Bezug auf die einzelnen Krebsarten. So zeigten sich in den genannten Studien beispielsweise kaum Unterschiede beim Dickdarmkrebsrisiko zwischen Vegetariern und Nichtvegetariern. Hier besteht noch weiterer Forschungsbedarf. Entscheidend ist neben dem geringeren Körpergewicht offenbar der höhere Verzehr gesundheitsfördernder pflanzlicher Lebensmittel von Vegetariern und Veganern. Insbesondere Gemüse und Obst, die antioxidativ wirksame Inhaltsstoffe wie Vitamin C und E, Carotinoide und andere sekundäre Pflanzenstoffe liefern, sowie ballaststoffreiche Lebensmittel entfalten krebsvorbeugende Wirkungen. Das Meiden von rotem und insbesondere verarbeitetem Fleisch kann ebenfalls dazu beitragen, das Risiko für verschiedene Krebsarten, vor allem für Dickdarm- und Mastdarmkrebs, zu verringern.
Vitamin B12 ergänzen
Bei bestimmten Nährstoffen kann es bei Vegetariern, vor allem aber bei Veganern zu einer unbefriedigenden Zufuhr kommen. Besonders kritisch ist bei Letzteren die Versorgung mit Vitamin B12 (Cobalamin), da es praktisch ausschließlich in tierischen Lebensmitteln enthalten ist. Zahlreiche Studien zeigen, dass zwischen 40 und 50 %, teilweise über 80 %, der Veganer einen Vitamin-B12-Mangel aufweisen. Auch Vegetarier sind teilweise unzureichend versorgt. Veganer müssen eine ausreichende Zufuhr an Cobalamin über angereicherte Lebensmittel, angereicherte Zahnpasta oder Nahrungsergänzungsmittel sicherstellen. Das gilt ganz besonders für schwangere und stillende Veganerinnen sowie vegan ernährte Kinder.
Alternative Calciumquellen
Etwa die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland erreicht nicht die empfohlene Calciummenge, insbesondere Kinder, weibliche Teenager und ältere Menschen. Während Lakto-(Ovo-)Vegetarier im Durchschnitt genau so viel Calcium aufnehmen wie die Allgemeinbevölkerung (etwa 1.000 mg pro Tag), liegt die Zufuhr bei Veganern mit etwa 500-800 mg pro Tag deutlich niedriger. Studien zeigen, dass Veganer teilweise eine erhöhte Frakturrate aufweisen – allerdings nur bei sehr niedriger Calciumzufuhr von unter 525 mg pro Tag. Entsprechend sollten alle Veganer auf eine ausreichende Zufuhr achten. Das gilt besonders für Risikogruppen wie Kinder, Jugendliche, Schwangere, Stillende und ältere Menschen.
Da Veganer keine Milchprodukte verzehren, entfällt eine gute Quelle für Calcium. Doch auch über pflanzliche Lebensmittel lässt sich der Bedarf decken. Reichlich Calcium ist in dunkelgrünen Gemüsearten wie Grünkohl, Pak Choi, Rucola und Brokkoli, in verschiedenen Nussarten (vor allem in Mandeln, Haselnüssen und Pistazien) sowie in Sojafleisch und Tofu enthalten. Einen besonders hohen Calciumgehalt hat Sesam (780 mg pro 100 g), der beispielsweise in Form von Sesammus (Tahin) eine gute Bereicherung des veganen Speiseplans darstellt. Calciumreiches Mineralwasser (mindestens 150 mg Calcium pro Liter) sowie mit Calcium angereicherte Pflanzenmilch wie Soja-, Reis- oder Hafermilch können die Versorgung ebenfalls verbessern.
Eisen meist in der Norm
Vegetarier sind nicht häufiger von einem Eisenmangel betroffen als Nichtvegetarier – auch wenn sich dieser Mythos hartnäckig hält. Ihre Eisenspeicher (Ferritin) sind zwar fast immer niedriger als bei Fleischessern, liegen jedoch überwiegend im unteren Normbereich. Das gilt inzwischen sogar als gesundheitlich vorteilhaft, denn eine hohe Eisenspeicherung erhöht das Risiko für Dickdarmkrebs, Typ-2-Diabetes und möglicherweise auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Unabhängig von der Ernährungsweise sind Frauen wesentlich häufiger von Eisenmangel betroffen als Männer. Denn weniger die Ernährungsweise, sondern die Höhe der menstruellen Blutverluste ist der entscheidende Einflussfaktor für den Eisenstatus. In der Deutschen Vegan-Studie wiesen die Veganerinnen allerdings etwa viermal so häufig einen leichten Eisenmangel (= zu niedrige Eisenspeicher) auf wie die weibliche Durchschnittsbevölkerung. Ursache dafür ist vor allem die geringere Bioverfügbarkeit von pflanzlichem Eisen.
Seminartipp: Vegane Vollwert-Ernährung
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Die Verfügbarkeit dieses dreiwertigen Eisens kann bereits durch kleine Mengen an Vitamin C oder anderen organischen Säuren aus Obst, Gemüse oder Sauerkraut (z. B. Milchsäure) um das Zwei- bis Vierfache gesteigert werden, beispielsweise Orangensaft zum Haferflockenmüsli oder Salat zum Vollkornbrot. Gute Eisenlieferanten sind Hülsenfrüchte, Ölsamen, Nüsse, Vollgetreide sowie verschiedene Gemüsearten wie Fenchel, Feldsalat, Rucola, Zucchini oder grüne Erbsen und Trockenfrüchte, zum Beispiel Pfirsich, Aprikose oder Dattel.
Auf Vitamin B2 achten
Vegetarier und Mischköstler sind in der Regel gut mit Vitamin B2 (Riboflavin) versorgt, für Veganer liegen unterschiedliche Studienergebnisse vor. Während es in einigen Studien keine Unterschiede in der Zufuhr von Vitamin B2 bei Veganern, Lakto-Ovo-Vegetariern und Mischköstlern gab, erreichte in anderen Untersuchungen fast die Hälfte der Veganer nicht die empfohlenen Mengen. Zudem war ein leichter Vitamin-B2-Mangel bei Veganern häufiger als bei Lakto-Ovo-Vegetariern und gegenüber Mischköstlern dreimal so häufig zu beobachten. Eine unzureichende Versorgung mit Riboflavin gilt als Risikofaktor für einen erhöhten Homocysteinspiegel und damit auch für Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Nährstoff / Zufuhr | Mischköstler | Lakto-Ovo-Vegetarier | Veganer |
Vitamin B1 | 1,2 | 1,3 | 2,1 |
Folat (ug/d)* | 253 | 322 | 455 |
Vitamin C (mg/d)** m | 119 | 123 | 155 |
Vitamin E (mg/d)** m | 11,8 | 13,7 | 16,1 |
Magnesium (mg/d)** m | 366 | 396 | 440 |
Kalium (mg/d)** m | 3970 | 3870 | 4030 |
* (28); **(4); m = männliche Personen
Mengenmäßig wichtigste Quelle in Deutschland sind Milch und Milchprodukte, die durchschnittlich etwa 25 % des Vitamin B2 liefern. Aber auch Vollkornprodukte leisten einen wichtigen Beitrag, da das Vitamin sich in den Randschichten und im Keim des Getreides konzentriert. Während des Keimvorgangs steigt der Riboflavingehalt an. Getreidekeimlinge sind daher gute Lieferanten; Nüsse, Pilze, Ölsaaten und Hülsenfrüchte sind weitere pflanzliche Quellen für Vitamin B2 und sollten bei Veganern regelmäßig auf den Tisch kommen. Die Zinkzufuhr von erwachsenen Vegetariern und Veganern ist meist ähnlich hoch wie bei Fleischessern. Auch die durchschnittlichen Zinkspiegel im Blut sind bei allen drei Gruppen vergleichbar. Dennoch wiesen in Studien etwa 50 % der Veganer Zinkspiegel unterhalb des Grenzwertes auf (Vegetarier etwa 19 % und Fleischesser 11 %). Unabhängig von der Ernährungsweise ist die Zinkzufuhr von Schulkindern und älteren Jugendlichen, insbesondere Mädchen, jedoch oft unbefriedigend. Daher sollte der Mineralstoff ebenfalls im Auge behalten werden.
Jod und Vitamin D gelten als kritische Nährstoffe in der Gesamtbevölkerung. Da bei Veganern auch Milchprodukte als Quellen für Jod und Vitamin D wegfallen, ist die Versorgung von Veganern mit beiden Nährstoffen oft noch schlechter als bei Lakto-Ovo-Vegetariern und Mischköstlern. Die ausschließliche Verwendung von jodiertem Salz sowie der regelmäßige Verzehr von Meeresalgen mit moderatem Jodgehalt (z. B. Nori) sind besonders für Veganer empfehlenswert. Die Sonneneinstrahlung in den Wintermonaten reicht in unseren Breiten nicht aus, um in der Haut ausreichend Vitamin D zu bilden. Unabhängig von der Ernährungsweise sollte daher die Vitamin-D-Versorgung zwischen Mitte Oktober und Mitte März durch Supplemente (mindestens 20 Mikrogramm pro Tag) sichergestellt werden.
Umsetzung im Alltag
Eine gute Orientierung für die praktische Umsetzung bietet die Gießener vegetarische/vegane Lebensmittelpyramide (www.ugb.de/vegan-gesund). Bei einer optimalen Zusammenstellung der Lebensmittel haben beide Ernährungsformen erhebliches Potenzial, um ernährungsmitbedingte Erkrankungen vorzubeugen. Auch die Versorgung mit vielen Nährstoffen ist günstiger als bei Mischkost. Es sollte jedoch auf die ausreichende Zufuhr der potenziell kritischen Nährstoffe Vitamin B12, Calcium, Eisen, Vitamin B2, Zink sowie Jod und Vitamin D geachtet werden. Empfehlenswert ist, die Versorgung mit diesen Nährstoffen anhand von Blutwerten regelmäßig überprüfen zu lassen – etwa einmal pro Jahr. Wer alle tierischen Lebensmittel von seinem Speiseplan streicht, sollte sich gut informieren oder fachlich beraten lassen, um eine optimale Nährstoffversorgung sicherzustellen.
Bewertung des UGB
Eine überwiegend oder rein pflanzliche Kost hat positive Wirkungen auf die Gesundheit, da sie mehr gesundheitsfördernde Substanzen und weniger gesundheitsabträgliche Inhaltsstoffe enthält. Eine vegetarische Ernährung, die Milchprodukte und Eier enthält, ist bei ausgewogener Lebensmittelauswahl als Dauerkost empfehlenswert. Eine vegane Ernährung ist vor allem für Schwangere, Säuglinge und Kinder nur bei sorgfältiger Nahrungszusammenstellung sowie Einnahme von angereicherten Lebensmitteln oder Supplementen geeignet. Kritische Nährstoffe sind Vitamin B12, B2, Calcium, Eisen, Zink und Jod.
Ausführliche Literaturliste und die vegetarische Ernährungspyramide des Vegetarierbundes.
Quelle: Keller M. UGBforum spezial: Ernährungsrichtungen - aktuell bewertet 2016, S. 6-9