Vollwertkost: Sieben gute Gründe
Leckeres genießen, gesund essen und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen – mit Vollwertkost lässt sich Genuss und Verantwortung im Alltag verbinden. Sieben einfache Grundsätze zeigen, wie wir mit Vollwertkost der Natur, dem Klima und auch uns selbst viel Gutes tun können.
1. Vollwertkost: Genussvoll und bekömmlich
Genuss steht in der Vollwert-Ernährung bewusst an erster Stelle. Denn Essen muss schmecken, das ist ganz klar. Unverfälschte und reife Lebensmittel sind die Basis eines köstlichen Essens. Naturbelassene Öle, ein gut gereifter Käse oder regionale Kartoffelsorten kommen problemlos ohne zusätzliche Geschmacksverstärker aus. Und wer unvoreingenommen beispielsweise in einen Haferburger beißt, wird feststellen, dass Körnerfutter eigentlich super lecker schmeckt. Denn Geschmack und Gesundheit müssen sich nicht ausschließen. Vielmehr bietet eine gesunde Lebensmittelauswahl neue, überraschende Geschmackserlebnisse. Probieren Sie doch einmal fast vergessene Gemüsearten wie weiße Rübchen oder Mangold aus.
Da nicht jeder alles mag und auch nicht alles verträgt, empfiehlt die Vollwert-Ernährung keine einzelnen Lebensmittel, sondern Lebensmittelgruppen. Wer beispielsweise Probleme mit Gurken oder Pilzen hat, sucht sich einfach aus der großen Gruppe der Gemüse etwas aus, das ihm bekommt. Und wer wegen einer Intoleranz oder Allergie keinen Weizen verträgt, dem stehen zahlreiche andere Getreidearten zur Auswahl. So kann jeder seinen individuellen Speiseplan zusammenstellen, der ihm schmeckt und gut bekommt. Gönnen Sie sich Zeit für Genuss. Dazu gehört Zeit für die sorgfältige Auswahl der Lebensmittel, Zeit für das Zubereiten eines leckeren Gerichtes und Zeit für ein gemeinsames Essen.
Grundsätze der Vollwert-Ernährung
- Genussvolle und bekömmliche Speisen
- Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel (überwiegend lacto-vegetabile Kost)
- Bevorzugung gering verarbeiteter Lebensmittel - reichlich Frischkost
- Ökologisch erzeugte Lebensmittel
- Regionale und saisonale Erzeugnisse
- Ressourcenschonend haushalten
- Fair gehandelte Lebensmittel
2. Vollwertkost: Überwiegend pflanzlich
Pflanzliche Lebensmittel sind aus vielerlei Gründen unschlagbar: Sie sind gesund, schonen das Klima und ermöglichen weltweit ausreichende Nahrung. Wer sich reichlich Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen schmecken lässt, kann zudem zahlreichen Krankheiten vorbeugen. Studien an Vegetariern haben gezeigt, dass Menschen, die sich ohne Fleisch ernähren, seltener an koronaren Herzerkrankungen, Krankheiten des Verdauungstraktes, Gicht und Nierenfunktionsstörungen leiden. Auch verschiedene Krebsarten sowie Übergewicht treten bei Vegetariern weniger oft auf als im Bevölkerungsdurchschnitt. Denn pflanzliche Lebensmittel liefern fast alle wichtigen Nährstoffe und das auch noch in einem ausgewogenen Verhältnis.
Anders als Fleisch und Milchprodukte enthalten die meisten pflanzlichen Lebensmittel nur wenig Fett und Protein, dafür reichlich Kohlenhydrate. Auch bei zahlreichen Vitaminen und Mineralstoffen hat Pflanzliches die Nase vorn. Und für Ballast- sowie sekundäre Pflanzenstoffe sind Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen ohnehin unverzichtbar, denn diese gesundheitsfördernden Substanzen werden nur von Pflanzen gebildet. Problematische Inhaltsstoffe wie gesättigte Fettsäuren oder Cholesterin sucht man in Pflanzlichem dagegen meist vergeblich. Für die Versorgung mit Calcium, Eisen, Jod, Vitamin B12 und B2 sind Milch und Milchprodukte, Fleisch und Fisch eine gute Ergänzung der pflanzlichen Kost. Ein bis zwei Fisch- und Fleischmahlzeiten in der Woche reichen dafür völlig aus.
Auch zum Schutz unseres Klimas trägt die Vollwertkost mit ihrem hohen Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln bei. Denn im Gegensatz zu tierischen Lebensmitteln entstehen bei ihrer Erzeugung weitaus weniger klimaschädliche Gase. Rund 18 Prozent der globalen Treibhausgase gehen auf das Konto der Viehhaltung. Vor allem Wiederkäuer wie Rinder und Schafe setzen bei ihrer Verdauung Methan frei, das unserem Klima 25-mal mehr einheizt als Kohlendioxid. Wurst, Käse, Rind- und Schaffleisch stehen daher auf der Liste klimaschädlicher Lebensmittel ganz oben.
Die Massentierhaltung bringt weitere Probleme mit sich wie die Entsorgung der Gülle oder der große Flächenverbrauch für den Anbau von Futtermitteln. Immer noch werden für Soja als Tierfutter gigantische Flächen an Regenwald gerodet. Und 80 Prozent des Futtersojas sind inzwischen gentechnisch verändert. Angesichts der stetig wachsenden Weltbevölkerung stellt sich die Frage, wie lange wir es uns noch leisten können, auf wertvollen Ackerflächen Futter für unseren Fleischkonsum anzubauen, statt diese für den Anbau von Lebensmitteln zu nutzen. Langfristig geht daher auch aus ökonomischen und sozialen Gründen kein Weg an weniger Fleisch vorbei.
3. Vollwertkost bevorzugt gering verarbeitete Lebensmittel
Ein frischer, knackiger Apfel strotzt geradezu vor Vitaminen, sekundären Pflanzenstoffen, Ballast- und Mineralstoffen. Entfernen wir die Schale, geht bereits ein Teil der wertvollen Pflanzenstoffe und Vitamine verloren. Kochen wir den Apfel zu Apfelbrei, büßt er auch noch Ballaststoffe und Vitamin C ein. Beim Schälen, Wässern, Kochen und Braten geht es vielen wertvollen Inhaltsstoffen an den Kragen. Werden die Lebensmittel dann weiter zu Fertigprodukten verarbeitet, kommen zusätzlich unerwünschte Stoffe hinzu. Gehärtete Fette, Aromen, Farb- und andere Zusatzstoffe stecken vor allem in stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Kartoffelchips, Fertigsuppen oder Keksen. Sie liefern zwar reichlich Kalorien, aber wenig Stoffe, die unseren Körper gesund erhalten.
Mehr Nährstoffe, dafür weniger Kalorien garantiert dagegen unerhitzte Frischkost. Frisches Obst und Gemüse, Nüsse, Ölsamen, Keimlinge, kalt gepresste native Öle und – wenn verfügbar – unerhitzte Milchprodukte sollten daher etwa die Hälfte der Nahrungsmenge ausmachen. Lecker schmeckt beispielsweise ein Müsli mit Obst und Nüssen zum Frühstück, eine Möhre oder ein Apfel zum Knabbern für zwischendurch und ein üppiger Salatteller zum Mittag- oder Abendessen.
Selbstverständlich lässt sich nicht alles roh verzehren. Manche Gemüse wie Kartoffeln oder bestimmte Pilze sind roh unverträglich, andere wie Bohnen enthalten giftige Inhaltsstoffe oder schmecken roh einfach nicht, wie Auberginen. Deswegen hat Werner Kollath, der Pionier der Vollwert-Ernährung, schon vor 60 Jahren gefordert: „Lasst unsere Nahrung so natürlich wie möglich.“ Wo es möglich ist, sind gering verarbeitete Lebensmittel zu bevorzugen. Dazu gehört auch ein schonender Umgang mit unserer Nahrung: So sollten wir Obst und Gemüse zwar gründlich waschen, aber nicht länger im Wasser liegen lassen und Gemüse bissfest dünsten oder dämpfen, anstatt es in viel Wasser weich zu kochen. Auch langes Warmhalten bekommt vielen Nährstoffen schlecht.
4. Ökologisch erzeugt
Verdichtung der Böden, Rückgang der Tier- und Pflanzenvielfalt sowie ein hoher Energie- und Ressourcenverbrauch sind nur einige Folgen der konventionellen Landwirtschaft. Auch die Belastung der Umwelt mit Stickstoff, Phosphaten und Pestiziden zählt dazu. Der ökologische Landbau versucht dagegen, die Umwelt zu schonen. Biobauern verzichten auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und mineralischen Stickstoffdünger, sie setzen bodenerhaltende Fruchtfolgen ein und begrenzen den Viehbestand. Futtermittel werden überwiegend auf dem eigenen Hof angebaut. Und eine artgerechte Haltung von Hühnern, Schweinen, Kühen und Rindern wird ganz groß geschrieben. Dies alles führt dazu, dass der ökologische Landbau die Umwelt deutlich geringer belastet als die konventionellen Methoden.
Auch dem Klima schmeckt der Öko-Landbau gut: Im Pflanzenbau liegen die CO2-Emissionen durch den Einsatz fossiler Energieträger pro Kilogramm Lebensmittel um etwa 20 Prozent niedriger als bei den konventionellen Betrieben, auf die Fläche bezogen sind es sogar rund 60 Prozent. In der ökologischen Tierhaltung scheint die Klimabelastung dagegen oft höher zu sein. Das liegt vor allem an der längeren Lebensdauer und der geringeren Fleisch- und Milchproduktion der Bio-Tiere. Dafür tragen ökologische Gemischtbetriebe mit Milchviehhaltung zur Humusanreicherung bei, das heißt sie können in erheblichem Ausmaß CO2 aus der Atmosphäre rückbinden und im Boden speichern. So kann die ökologische Tierhaltung unter optimalen Bedingungen sogar klimaschonender sein als die konventionelle.
5. Vollwertkost: Regional und saisonal
Das Angebot von Lebensmitteln ist gigantisch. Losgelöst von der Saison wird Obst und Gemüse aus aller Herren Länder das ganze Jahr über angeboten. Doch die energieaufwendigen Transporte aus Neuseeland oder Südafrika bleiben nicht ohne Folgen: Schwefeldioxid aus Schiffsdiesel, Kohlendioxid und Feinstaub aus LKW-Abgasen und vor allem Treibhausgase von Flugzeugen setzen unserem Klima und unserer Umwelt stark zu.
Erdbeeren, Mangos, Papayas und andere Südfrüchte, die nach Deutschland geflogen werden, belasten die Atmosphäre um ein Vielfaches stärker als heimisches Obst. Lebensmittel aus der Region legen nur kurze Wege zurück und werden meist dann angeboten, wenn sie auch Saison haben. Sie dürfen bis zur vollen Reife am Strauch oder im Boden bleiben und bringen die ganze Bandbreite an Geschmack und gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe auf den Tisch.
6. Umweltverträglich verpackte Vollwertkost
Hier ein Tetrapak, dort eine Kunststoffschale, noch ein paar Joghurtbecher und schon ist der gelbe Sack wieder voll. Heute wird zwar ein Teil der Verpackungen recycelt, dennoch verbraucht sowohl die Herstellung als auch die Entsorgung Energie und Rohstoffe wie Erdöl. Was nicht wiederverwertet werden kann, landet in der Verbrennungsanlage oder auf der Deponie und belastet Luft und Boden. Das Müllproblem ist nur dann in den Griff zu bekommen, wenn Abfall konsequent vermieden wird. Unverpackte bzw. mit möglichst wenig Aufwand verpackte Lebensmittel sowie Mehrwegbehältnisse für Milchprodukte und Getränke tragen dazu bei. Wer viel frische Ware wie Gemüse, Obst, Kartoffeln und Getreide kauft und aufwendig verpackte Fertigprodukte links liegen lässt, hilft überflüssigen Müll einzusparen.
7. Fair gehandelt
Mit landwirtschaftlichen Produkten wird seit Jahrhunderten weltweit Handel betrieben. Denn vieles, was bei uns nicht wächst, gedeiht anderswo und umgekehrt. Durch vorhandene Machtstrukturen und ungleiche Wettbewerbsbedingungen sind jedoch viele kleine und mittlere Betriebe benachteiligt – vor allem in Entwicklungsländern. Schätzungsweise 80 Prozent der Agrarexporte von Entwicklungsländern werden von multinationalen Konzernen abgewickelt. Diese streichen die Gewinne ein und für die Arbeiter auf den Plantagen bleibt kaum genug zum Überleben. Unsoziale Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit und Gesundheitsgefahren durch einen laschen Umgang mit Pestiziden sind an der Tagesordnung. Millionen Kleinbauern und Landarbeiter aus den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas haben keine Chance, aus ihrer Armut herauszukommen.
Durch den Kauf von fair gehandelten Produkten können wir einen kleinen Beitrag für eine gerechtere Welt leisten. Kaffee, Kakao, Bananen und viele weitere Produkte mit einem Siegel des fairen Handels garantieren den Erzeugern feste Abnahmepreise und unterstützen zusätzlich Gesundheits- und Sozialprogramme. Aber auch hierzulande müssen faire Preise beispielsweise für Milch den Bauern ihr Auskommen ermöglichen.
Wer mit gutem Gewissen zu gesunder Nahrung greift, dem schmeckt es gleich noch einmal so gut. Vollwertköstler zeigen Verantwortung für sich, ihre Umwelt und ihre Mitmenschen und gewinnen so an Lebensqualität dazu.
Zuletzt aktualisiert: 06.12.2024
Literatur:
Vollwert-Ernährung. Konzeption einer zeitgemäßen und nachhaltigen Ernährung. Koerber Kv, Männle T, Leitzmann C.; 11. Aufl., S. 3, S. 110 Stuttgart 2012
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