Allergien: Prävention von klein auf
Allergische Erkrankungen wie Heuschnupfen, Neurodermitis und allergisches Asthma haben in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Zu den häufigsten Diagnosen im Kindesalter zählen Allergien gegen Lebensmittel. Lesen Sie, wie man das Risiko von klein auf verringern kann.
Aktuelle Zahlen belegen, dass knapp 17 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter einer allergischen Erkrankung leiden. Lebensmittelallergien sind in dieser Altersgruppe deutlich häufiger als bei Erwachsenen. Etwa acht Prozent der Säuglinge und Kleinkinder leiden daran; am häufigsten sind dabei Allergien gegen Kuhmilch. Ältere Kinder und Jugendliche reagieren dagegen eher allergisch auf Blütenpollen. Das Allergierisiko wird in erster Linie durch genetische Faktoren bestimmt. Kinder mit mindestens einem allergischen Verwandten ersten Grades wie Eltern und Geschwister gelten als allergiegefährdet. Allerdings entwickeln auch viele Kinder, die nicht zu dieser Risikogruppe gehören, allergische Krankheiten. Neben der Genetik spielen verschiedene Umweltfaktoren wie Abgase oder Rauch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Allergien. Diese Faktoren zu minimieren, ist für die Primärprävention von Allergien entscheidend. Eine der wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen ist beispielsweise, Kinder schon in der Schwangerschaft vor Tabakrauch zu schützen.
Richtige Ernährung kann Allergien bei Kindern vorbeugen
Auch die Ernährung kann zur Allergieprävention beitragen. In den letzten Jahren wurde es als beste Strategie angesehen, die potenziellen Allergene in den ersten Lebensmonaten zu vermeiden. Seit dem Aufkommen der Hygiene-Hypothese wird dieses Vorgehen jedoch zunehmend hinterfragt. Sie besagt, dass das Risiko für Allergien steigt, wenn das Immunsystem nicht gefordert wird. So gelten Kinder, die früh vielfältige Kontakte mit Bakterien oder Viren haben (beispielsweise auf einem Bauernhof oder in der Kinderkrippe), als weniger allergiegefährdet als Kinder aus einer relativ keimfreien Umgebung.
Viele allergische Mütter lassen in der Schwangerschaft bestimmte Lebensmittel weg, aus Angst ihr Kind könne auch eine Allergie entwickeln. Doch es gibt keinen wissenschaftlich gesicherten Beleg dafür, dass eine Einschränkung der Lebensmittelauswahl während der Schwangerschaft vor der Entstehung von Allergien beim Kind schützt. Das Gleiche gilt für die Ernährung in der Stillzeit. Zwar sind Antigene aus der Nahrung der Mutter in Muttermilch nachweisbar und in ganz seltenen Fällen reagieren Säuglinge allergisch auf diese Milchbestandteile. Zur Zeit fehlen Belege, dass das Vermeiden besonders allergener Lebensmittel wie Kuhmilch, Hühnerei oder Nüsse eine vorbeugende Wirkung auf die Entwicklung von Allergien hat. Im Gegenteil gibt es sogar Hinweise, dass Fisch in der mütterlichen Ernährung während der Schwangerschaft und Stillzeit einen protektiven Effekt auf die Entwicklung atopischer Erkrankungen hat (siehe unten). Zudem muss der Nutzen einer Einschränkung der Lebensmittelauswahl sehr kritisch gegenüber dem Risiko einer unzureichenden Nährstoffzufuhr abgewogen werden. Eine Diät während der Schwangerschaft sollte daher unbedingt mit dem Arzt und einem Ernährungsberater besprochen werden.
Probiotika wirksam in der Allergie-Prävention?
Es gibt Hinweise darauf, dass sich der Verzehr von Probiotika während der Schwangerschaft auf das Allergierisiko beim Kind positiv auswirkt. In einer finnischen Studie erhielten 130 Schwangere einen Monat vor der Geburt Probiotika und ihre Kinder während der ersten sechs Lebensmonate. Dadurch reduzierte sich das Auftreten von atopischen Ekzemen im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe um die Hälfte. Die präventive Wirkung von Probiotika war sogar noch im Alter von vier bis sieben Jahren nachzuweisen. Zwei weitere Studien bestätigten diese Ergebnisse. Als Mechanismus wird eine Besiedlung des kindlichen Darms mit probiotischen Mikroorganismen angenommen. Allerdings gibt es auch Studien, die keinen nachweisbaren Effekt von Probiotika auf das Allergierisiko zeigen.
Eine weitere Studie aus Finnland nahm speziell die Wirkung von Probiotika auf die Muttermilch unter die Lupe. Sie zeigte in den Milchproben der Mütter, die Probiotika einnahmen, eine höhere Konzentrationen eines immunmodulierenden Wachstumsfaktors (Transforming Growth Factor b) als in der Placebogruppe. Durch die Probiotika wurde also das schützende Potenzial der Muttermilch auf das Immunsystem des Säuglings verstärkt.
Auch die Anreicherung der Ernährung mit Omega-3-Fettsäuren während der Schwangerschaft, Stillzeit und in der Beikost wird als Möglichkeit zur Allergieprävention diskutiert. Möglicherweise beschränkt sich die immunmodulierende Wirkung während der Schwangerschaft jedoch auf Risikogruppen. Eine wichtige Quelle für Omega-3-Fettsäuren sind fette Fische wie Hering oder Lachs. Schwangere sollten pro Woche eine große oder zwei kleine Portionen Fisch essen (etwa 190 Gramm). Von den pflanzlichen Ölen enthalten vor allem Raps- und Walnussöl nennenswerte Mengen an Omega-3-Fettsäuren. Sie sollten für die Speisenzubereitung während Schwangerschaft und Stillzeit und für die Beikost verwendet werden. Für beide Maßnahmen ist die Datenlage insgesamt aber noch nicht so überzeugend, dass Probiotika und Omega-3-Fettsäuren zur Allergieprävention während der Schwangerschaft und frühen Säuglingszeit allgemein empfohlen werden können. Die Aufnahme schadet aber sicher nicht.
Die richtige Ernährung zur Allergie-Prävention
Für alle Kinder• keine Diät der Mutter während Schwangerschaft und Stillzeit
• ausschließliches Stillen für 4-6 Monate
• Beikost erst ab dem 5.-7. Lebensmonat
• Einführung der Beikost nach dem Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr
Für Risikokinder
• HA-Nahrung oder stark hydrolysierte Säuglingsnahrung als Muttermilchersatz in den ersten 4-6 Monaten
Wird diskutiert
• Einnahme von Probiotika und Omega-3-Fettsäurereiche Ernährung während Schwangerschaft und Stillzeit
Stillen oder HA-Nahrung
Stillen ist die natürlichste und beste Ernährung in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten – auch im Hinblick auf die Allergieprävention. Wenn eine Mutter nicht stillen kann oder möchte, sollte das Baby eine industriell hergestellte Säuglingsmilch bekommen. Für allergiegefährdete Säuglinge sollte dies eine sogenannte hypoallergene Säuglingsmilchnahrung sein, die in Deutschland mit dem Kürzel HA auf dem Markt ist. Das Protein dieser Nahrungen wurde teilweise aufgespalten (hydrolysiert) und ist weniger allergieauslösend als das intakte Kuhmilchprotein. HA-Nahrungen gibt es als Anfangsnahrungen (Pre-HA, HA-1) und Folgenahrungen (HA-2). Letztere ist als Ergänzung zur Beikost möglich, aber nicht notwendig. Extensiv hydrolysierte Nahrungen, die nur noch Proteinbruchstücke enthalten, sind eigentlich als therapeutische Nahrungen bei einer Kuhmilchproteinallergie gedacht. Sie sind nur in Apotheken erhältlich, teurer und schmecken deutlich bitterer als HA-Nahrungen. Ob die stark aufgeschlossenen Nahrungen in der Allergieprävention hypoallergenen Produkten überlegen sind, ist noch nicht eindeutig geklärt. Sojanahrungen sind ähnlich allergen wie Kuhmilch und werden nicht zur Allergieprävention empfohlen; allenfalls zur Therapie einer diagnostizierten Kuhmilchproteinallergie. Wegen der schlechten Verfügbarkeit von Mineralstoffen und Spurenelementen und des hohen Gehaltes an Isoflavonen mit östrogenartiger Wirkung sollten sie erst ab dem sechsten Lebensmonat eingesetzt werden. Vor dieser Zeit bekommen die Babys Hydrolysate oder Aminosäuremischungen.
Frühe oder späte Beikost?
Sowohl Muttermilch als auch HA-Nahrungen decken den Energie- und Nährstoffbedarf in den ersten Monaten komplett. Ein Zufüttern von anderen Lebensmitteln sollte möglichst unterbleiben, da eine frühe Einführung von mehr als vier Lebensmitteln vor dem Alter von vier Monaten das Risiko für eine Allergie zum Beispiel gegen Kuhmilch und für Asthma erhöht. Das gilt nicht nur kurzfristig, sondern auch über einen Zeitraum von zehn Jahren. Anhand der vorliegenden Studien kann allerdings nicht belegt werden, dass eine allergenarme Ernährung auch noch im zweiten Lebenshalbjahr einen Nutzen für die Allergieprävention bringt. Im Gegenteil, es gibt erste Hinweise, dass die Vermeidung von bestimmten Lebensmitteln das Allergierisiko möglicherweise sogar erhöhen könnte. Denkbar ist dabei, dass Kinder, die mit vielen Lebensmitteln gar nicht in Kontakt kommen, keine Chance haben, sich an die Allergene zu gewöhnen. Auch für einen Schutz vor Zöliakie, bei der das Getreideeiweiß Gluten unverträglich ist, liegen entsprechende Hinweise vor. So vermuten die Forscher, dass die Zufuhr kleiner Mengen Gluten zwischen dem vierten und sechsten Monat bei gleichzeitigem Stillen das Zöliakierisiko senken könnte. Dazu läuft derzeit eine groß angelegte europäische Studie.
Plan fürs erste Jahr - Auch zur Vorbeugung gegen Allergien
Der vom FKE entwickelte „Ernährungsplan für das erste Lebensjahr“ ist auch für allergiegefährdete Kinder geeignet. Als erste Beikost ist in dem Plan ein Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei vorgesehen. Zum Gewöhnen an die Löffelfütterung wird in der Regel mit einem reinen Gemüse begonnen, beispielsweise Karotten. Diese sind leicht süß und werden von Babys daher gut akzeptiert. Außerdem lösen gekochte Karotten – anders als vielfach angenommen – nur selten Allergien aus. Schrittweise wird dann der Brei zuerst mit Kartoffeln und Rapsöl, dann mit Fleisch ergänzt. Abwechslung bei den Gemüsesorten in der Beikost ist für die spätere Akzeptanz neuer Lebensmittel von Vorteil. Als zweiter Brei ist ein Milch-Getreide-Brei und als dritter ein milchfreier Getreide-Obst-Brei vorgesehen. Der Milch-Getreide-Brei kann auch für allergiegefährdete Säuglinge mit einer handelsüblichen Vollmilch oder einer normalen kommerziellen Säuglingsmilch zubereitet werden.
Viele Mütter haben unbegründete Vorbehalte gegenüber Kuhmilch im ersten Lebensjahr. Möchte eine Mutter die Gabe von Kuhmilch dennoch hinauszögern, kann sie zuerst den Getreide-Obst-Brei und erst anschließend den Milch-Getreide-Brei geben. Milchfertigbreie, die nur mit Wasser angerührt werden müssen, enthalten als Milchkomponente meistens eine Folgemilch. Es gibt sie auch auf der Basis von HA-Nahrungen, die für die Allergieprävention im zweiten Lebenshalbjahr aber nicht notwendig sind. Ungefähr ab dem Alter von neun Monaten (im 10. Monat) können die Babys anfangen, vom Familientisch mit zu essen. Der Abendbrei und eine Milchmahlzeit werden durch Frühstück und Abendessen aus Brot, Milch und Obst oder Rohkost ersetzt. Vormittags und nachmittags bekommen die Kinder etwas Obst oder Rohkost und Brot oder Gebäck (z. B. Reiswaffeln, Dinkelstangen). Der Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei geht in ein Mittagessen aus Gemüse, Beilagen (Kartoffeln, Reis oder Nudeln) und an drei Tagen eine kleine Portion Fleisch über. Einmal in der Woche gibt es Fisch. Im Hinblick auf die Allergieprävention gibt es nichts mehr zu beachten.
Onlineversion von:
U. Alexy, UGB-Forum Spezial: Von klein auf vollwertig, S. 12-14.
Foto: Fotalia.com
weitere Informationen finden Sie hier:
Gut essen – bei Lebensmittelunverträglichkeiten
Nahrungsmittelunverträglichkeiten
und Säure-Basen-Haushalt