Fructosemalabsorption:
Wenn Fruchtzucker für Unruhe sorgt
Fast jeder dritte Bundesbürger hat Probleme mit der Verdauung von Fruchtzucker. Meist ist eine Fructosemalabsorption die Ursache. Im Gegensatz zu der sehr viel selteneren hereditären Fructoseintoleranz vertragen die Betroffenen noch gewisse Restmengen an Fruktose. Die diätetischen Empfehlungen sehen deshalb völlig anders aus.
Menschen mit einer gestörten Fruchtzuckeraufnahme haben es schwer. Allzu lange wurde diese Fruktosemalabsorption von Ärzten übersehen. Obwohl sie in den letzten Jahren in den Blickwinkel fähiger Therapeuten gelangt ist, werden Patienten mit der Diagnose Fruktosemalabsorption meist allein gelassen. Lange gab es keine brauchbaren Ernährungsrichtlinien. Viele der Empfehlungen, die sich leider bis heute noch in Internetforen und populärwissenschaftlichen Ratgebern finden, sind angelehnt an die sogenannte hereditäre Fruktoseintoleranz (siehe Kasten), bei der die Betroffenen völlig auf Fruchtzucker verzichten müssen. Erst seit einiger Zeit liegen gute Ernährungsempfehlungen für Menschen mit einer Transportstörung für Fruchtzucker vor, die die Betroffenen ohne Verbote, sondern mit viel Genuss auch Obst wieder vertragen lassen.
Transport von Fruktose gestört
Im Normalfall beginnt die Verdauungsarbeit für Kohlenhydrate wie Fruktose oder Glucose im Mund. Der wichtigste Teil der Zuckerverdauung findet aber erst nach der Passage des Magens im Duodenum statt, also im oberen Dünndarmabschnitt. Unser Körper kann nur Monosaccharide aufnehmen. Daher müssen alle verzehrten Mehrfachzucker (Poly-, Oligo- und Disaccharide) so lange im oberen Dünndarm gespalten werden, bis ein einzelnes Zuckermolekül vorliegt. Nur diese Monosaccharide können dann vom Darm resorbiert und weiter verstoffwechselt werden. Fruchtzucker gelangt bevorzugt mittels der sogenannten passiven Diffusion in unseren Stoffwechsel. Ein spezieller Transporter (GLUT 5) kann die Aufnahme erleichtern. Bei einer Fruktosemalabsorption ist die Funktion dieses Transporters zeitweise eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden. Dadurch gelangt ein Teil der verzehrten Fruktose in den Dickdarm. In diesem Fall oder wenn ständig mehr Fruchtzucker gegessen wird, als der Körper resorbieren kann, verändert sich die Bakterienflora im Dickdarm. Die Darmkeime vergären die Fruktose unter anderem zu Kohlendioxid, Wasserstoff und Methan. Dies führt zu Blähungen und Stuhlauflockerung. Gleichzeitig werden durch die Gärungsprozesse übermäßige Mengen an kurzkettige Fettsäuren gebildet, die gleichfalls den Stuhl auflockern und die Darmbewegung anregen. Beschwerden wie Blähungen, laute Bauchgeräusche, Durchfall und das häufige Gefühl, dass der Bauch spannt und kneift, begleiten die Patienten tagtäglich. Aber auch Magenbeschwerden, Übelkeit, Stuhl mit wechselnder Konsistenz oder Verstopfung können Beschwerden infolge einer gestörten Fruktoseverwertung sein. Wodurch die Transportstörung hervorgerufen wird, ist bislang nicht bekannt. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass es ein Ernährungsfehler ist, der sich durch eine Umstellung der täglichen Kost wieder beheben lässt.
Manchmal nur ein Kapazitätsproblem
Je häufiger Obst, Süßes oder frische Obstsäfte auf dem Speiseplan stehen, desto mehr Fruktose muss der Körper verarbeiten. Sehr große Fruchtzuckermengen von über 35 Gramm pro Stunde sprengen aber auch bei vielen Gesunden die Aufnahmekapazität. 35 Gramm Fruktose sind zum Beispiel in sechs getrockneten Feigen, einer halben Tüte (110 g) Rosinen oder zwei Gläsern (550 ml) Apfelsaft enthalten. Aber auch die allseits beliebten Wellnessgetränke beinhalten zum Teil erhebliche Fruktosemengen. Die Folge sind Verdauungsbeschwerden mit abführender Wirkung. Wenn alle Verdauungs- und Transportsysteme in unserem Magen-Darm-Trakt vorbildlich arbeiten, kann der Genuss von einer großen Portion Trockenobst zwar zu Blähungen führen, aber nach Abgehen der Winde oder spätestens beim nächsten Stuhlgang ist die Verdauungswelt wieder in Ordnung. Bei Patienten mit einer Fruktosemalabsorption sieht das allerdings anders aus.
Ein Problem – zwei Ursachen
Die hereditäre Fruktoseintoleranz ist eine erbliche Stoffwechselstörung. Ursache ist ein Gendefekt, durch den Fruktose und Alkoholformen der Fruktose (z. B. Sorbit) zwar aus dem Darm resorbiert, aber dann nicht weiter verstoffwechselt werden können. Infolgedessen kommt es bei jeglichem Verzehr von Fruktose zur Anhäufung giftiger Abbauprodukte im Stoffwechsel. Unterzuckerungen und schwere Leber-, Nieren- und Darmstörungen sind die Folgen. Dieses vollständig abweichende Krankheitsbild, das nicht viel mit der Fruktosemalabsorption zu tun hat, bedarf einer völlig anderen diätetischen Führung.Spurensuche: Anfangs steht die Diagnose
Bevor Patienten mit einer fruktosearmen Ernährung beginnen, sollte die Diagnose zweifelsfrei feststehen. Dafür ist der Wasserstoff-Atemtest unentbehrlich, den am besten internistische Allergologen oder Gastroenterologen durchführen. Bei dem Test wird die Konzentration von Wasserstoff (H2) in der Atemluft gemessen. Der Patient muss eine Fruktoselösung trinken und anschließend in regelmäßigen Abständen in ein Testgerät pusten. Der Test macht sich zunutze, dass die Dickdarmbakterien den nicht resorbierten Zucker unter anderem zu Wasserstoff vergären. Dieses H2-Gas gelangt über die Darmwand in den Blutkreislauf und von dort zu den Lungenbläschen, wo es messbar abgeatmet wird. Höhe und Verlauf der abgeatmeten Wasserstoffmenge lassen Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Darmflora zu. Erfahrene Ernährungsberater können danach die Ernährungstherapie gezielter an den Patienten anpassen. Aber nicht nur die abgeatmete Wasserstoffmenge ist ein Indiz dafür, ob eine Malabsorption vorliegt. Vor allem das Auftreten von Beschwerden während und im direkten Anschluss an den Test gibt deutliche Hinweise.
Unverträglichkeiten und Allergien
erschienen.
Blut- oder Stuhluntersuchungen können den H2-Atemtest nicht ersetzen. Atemtests haben generell den Vorteil, dass sie sicher und bei allen Patienten – auch bei Kindern – durchgeführt werden können. Bei Patienten mit hereditärer Fruktoseintoleranz darf der Test hingegen keinesfalls angewendet werden, da er starke Zuckerentgleisungen und komatöse Zustände hervorrufen kann. Da man inzwischen mehr über die Verwertungsstörung weiß und der H2-Atemtest zur Verfügung steht, ist eine sichere Diagnose heute einfacher zu stellen. Leider kommt es in der Praxis aber immer wieder zu falschen Ergebnissen beim Wasserstoff-Atemtest. Denn es fehlt an klaren Standardisierungen zur Durchführung. Dabei haben sowohl die Dosierung der Testlösungen als auch Durchführung und Auswertung des Tests einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis. So gibt es einen Spielraum für die Dosierung der Testlösung von 25-50 Gramm Fruktose. Wenn aber mit 50 Gramm getestet wird, was in der Praxis leider häufig vorkommt, würde selbst bei gesunden Testpersonen in rund 60 Prozent der Fälle fälschlicherweise eine Malabsorption diagnostiziert werden.
Fruktoseintoleranz | Fruktosemalabsorption |
---|---|
Häufigkeit 1: 20.000 | Häufigkeit 3:10 |
angeborene Stoffwechselstörung | >vorübergehend mangelnde oder ungenügende Aufnahme im Darm |
Defekt des Leberenzmys Aldolase B | Störungen des GLUT-5-Transporters |
ebenslang streng fruktosefreie Kost | vorübergehend eingeschränkte Aufnahme von Fruktose, aber Kostumstellung |
Ernährungstherapie in drei Phasen
Eine sinnvolle Ernährungsumstellung sollte in drei Phasen erfolgen. Im ersten Schritt, der Karenzphase, wird die verzehrte Fruktosemenge deutlich reduziert. Dabei kommt der Glukose als Hilfstransporter für Fruktose eine große Bedeutung zu, da sie die Resorptionsrate der Fruktose in der ersten Umstellungsphase deutlich erhöhen kann. Lebensmittel allein nach ihrem Fruktosegehalt zusammenzustellen, ist wenig hilfreich. Wesentlich zielführender ist es, die Inhaltsstoffe aus der Kohlenhydratgruppe, die die Resorptionskapazitäten der Fruktose mitbeeinflussen, zusammen zu betrachten. So vermindern der aus Glucose und Fruktose aufgebaute Haushaltszucker (Saccharose) und Zuckeralkohole (z. B. Sorbit) die Fruktosemenge, die der Patient noch ohne Probleme vertragen kann. Denn sie konkurrieren mit Fruktose um den GLUT-5-Transporter. Auch spezielle Ballaststoffe, die Fruktane, sind zu beachten. Sie beeinflussen die Beschwerden, denn diese aus vielen Fruktosemolekülen bestehenden Oligofruktosen oder Inuline können von Darmbakterien in ihre Fruktosebausteine zerlegt werden und so die Bauchbeschwerden verstärken. Andererseits können Fette und Eiweiße die Transitzeit durch den Verdauungstrakt verlängern und damit die Resorption verbessern. Diesem Aspekt muss in der Ernährungsumstellung besondere Beachtung geschenkt werden. Eine Supplementierung von Nährstoffen, etwa von Folsäure oder Zink, ist aufgrund sehr spärlich vorliegender wissenschaftlicher Studien keinesfalls gerechtfertigt.
Persönliche Schwelle austesten
Die Karenzphase lindert deutlich die Beschwerden. Sie kann je nach Patient zwischen ein und sechs Wochen dauern. Gleichzeitig sollte die Lebensmittelauswahl an der leichten Vollkost orientiert sein, wobei gegebenenfalls der Protein- und Fettanteil der Nahrung angehoben werden sollte, um die Fruktoseaufnahme zu unterstützen. Sollten die Symptome unter der Fruktosebegrenzung nicht abklingen, sind weitere diagnostische Schritte und eine Überprüfung der täglichen Kost anhand eines Ernährungsprotokolls notwendig. An die Karenzphase schließt sich die Testphase an, in der die Patienten wieder fruktosehaltige Lebensmittel zu sich nehmen, um ihren individuellen Schwellenwert zu bestimmen. Mit dem Austesten können die Patienten beginnen, sobald durch die Fruktosekarenz die Symptome merklich abgeklungen sind. Die Lebensmittelauswahl kann sich wieder merklich erweitern; vor allem strikte Diätvorgaben sollten rasch ergänzt werden. Die Betroffenen führen ein Symptom-Ernährungsprotokoll, damit sich mögliche Beschwerden den Speisen zuordnen lassen. Nur so können Rückschlüsse auf verträgliche Fruktosemengen gezogen werden. Viele Patienten verharren zu lange in der Karenzphase, weil sie froh sind, endlich ihre Beschwerden los zu sein. Doch durch den zu Beginn notwendigen Obstverzicht kann es zu deutlichen Nährstoffeinbußen kommen. Vor allem die Aufnahme wasserlöslicher Vitamine und Mineralstoffe geht zurück.
Unverträglichkeit oft vorübergehend
Die Testphase geht anschließend in eine Dauerernährung über. Durch ein gutes Ernährungsmanagement sind dann meist auch wieder größere Fruktosemengen verträglich. Das heißt, dass auch der Glukose-, Fett- und Proteingehalt der Mahlzeiten zu berücksichtigen sind. So ist frisches Obst beispielsweise besser verträglich, wenn es mit Quark oder im Anschluss an eine Mittagsmahlzeit gegessen wird. Eine extrem fruktosearme oder gar fruktosefreie Dauerkost ist für Menschen mit einer Malabsorption keinesfalls erforderlich und sogar kontraindiziert, da dei GLUT-5-Expression nachlassen würde. Eine konsequente Ernährungsumstellung, die im Idealfall durch eine allergologisch versierte Ernährungsfachkraft begleitet wird, führt zu einer deutlich besseren Verträglichkeit von Fruktose. In den überwiegenden Fällen zeigt sich sogar, dass eine Malabsorption vorübergehend ist. Bereits nach ein bis zwei Wochen, in denen die Fruchtzuckermenge kontrolliert wird und die Betroffenen die oben genannten Grundregeln beachten, geht es den meisten Patienten deutlich besser. In der Regel vertragen sie dann wieder größere Mengen Fruktose.
Infos & Hilfe
Beim Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) bekommt man per E-Mail Adressen von Ernährungstherapeuten in seiner Region, die auf Lebensmittelunverträglichkeiten spezialisiert sind. Außerdem versendet der DAAB gegen zwei Euro in Briefmarken eine Übersicht über den Gehalt an biogene Aminen in verschiedenen Nahrungsmitteln: DAAB, Fliethstraße 114, D-41061 Mönchengladbach, www.daab.de [email protected]
Weitere Informationen finden Sie hier:
Gut essen – bei Lebensmittelunverträglichkeiten
Allergien und Säure-Basen-Haushalt – was tun?
Onlineversion von:
Schäfer C. Fructosemalabsorption: Wenn Fruchtzucker für Unruhe sorgt. In: UGB-FORUM spezial: Unverträglichkeiten und Allergien meistern. S. 10-13, 2012Foto: DiGiTouch