Alcopops: Die süße Versuchung
Wodka mit Zitronenlimo oder Rum mit Cola - süße Alkoholmischgetränke liegen bei Jugendlichen voll im Trend. Experten befürchten, dass sich die Alcopops zu einer neuen Einstiegsdroge für Alkoholsucht entwickeln.
Sie sehen aus wie harmlose Limonaden, enthalten aber über fünf Prozent Alkohol: Fertigcocktails auf der Basis von Rum, Wodka und anderen Spirituosen erobern zunehmend den Markt. Die Branche spricht von Alcopops, Partydrinks oder RTDs - Ready to Drinks. Die Zahl der in Deutschland verkauften Flaschen hat sich im Jahr 2002 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verfünffacht. Mit Smirnoff Ice, Bacardi Rigo oder Puschkin Vibe versuchen die Spirituosenhersteller ihre ständig sinkenden Absatzzahlen anzukurbeln. Denn seit den 80er Jahren greifen die Deutschen immer seltener zu Hochprozentigem. Opas Korn und Omas Eierlikör machen die heutige Disko-Generation nicht mehr an. Das freut zwar Gesundheitsexperten und Mediziner; der Getränkeindustrie schmeckt dieser Trend jedoch gar nicht. Mit einem riesigen Werbeaufwand, süßen Mischungen und coolen Namen versucht sie das Geschäft mit den Hochprozentern wieder in Gang zu bringen. Der Alkohol wird in handliche Flaschen von 275 bis 350 Milliliter gefüllt und mit Wasser, Zucker, Kohlensäure, Farbstoffen und Aromen vermischt.Alcopops: Zwei Schnäpse pro Flasche
In einer Flasche Alcopop verbirgt sich ungefähr ein doppelter Schnaps. Der Anteil an Rum, Wodka oder Zuckerrohrschnaps liegt in der Regel bei 12-15 Prozent, das fertige Getränk kommt damit auf 5 bis 5,6 Volumenprozent Alkohol. Diese Menge entspricht etwa der von Starkbier. Um dem ganzen Limonadencharakter zu verleihen, wird der Schnaps mit Zucker, Kohlensäure, Aroma- und Farbstoffen versetzt. Mit über 13 Prozent Zucker sind einige Drinks sogar noch süßer als herkömmliche Limonaden. Ein paar wenige enthalten Fruchtsaft, dessen Anteil dann zwischen 5 und 15 Prozent liegt. Zum Teil machen umstrittene Konservierungsstoffe wie Benzoesäure und Natriumbenzoat die Drinks haltbar. Für die peppigen Farben sorgen mitunter Azofarbstoffe, die trotz Zulassung unter Verdacht stehen, Allergien auszulösen und Hyperaktivität (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) zu verursachen. Stabilisatoren wie Äpfel- oder Zitronensäure vervollständigen das künstliche Gemisch. Es entsteht ein bunter und süßer Zusatzstoffmix, hinter dem sich der Alkohol geschickt verbirgt. Eine Zutatenliste suchen Konsumenten allerdings meist vergebens auf dem Etikett. Nur den Alkoholgehalt müssen die Hersteller angeben.Einstieg in die Sucht?
Die Alcopops schmecken süß und pricklig. Damit treffen sie genau die Vorliebe von Jugendlichen. Werbespots im Stil von Musikvideos und die Internetseiten der Anbieter sprechen offenkundig Teenager an, auch wenn dies von den Konzernen bestritten wird. So wundert es nicht, dass bereits Fünftklässer mit 10-11 Jahren zu den süßen Alkoholgetränken greifen. Bei den 11-Jährigen stehen die Mixgetränke auf der Beliebtheitsskala ganz oben und haben Bier, Wein und andere Spirituosen zurückgedrängt. Von den 15-jährigen Jungen trinken etwa ein Drittel und von den Mädchen ein Viertel regelmäßig alkoholhaltige Getränke. Vor vier Jahren lagen die Werte noch deutlich niedriger. Dies ergab der erste deutsche Jugendgesundheitssurvey, der von Wissenschaftlern der Universität Bielefeld gerade veröffentlicht wurde. In Großbritannien, wo die Alcopops schon länger auf dem Markt sind, liegen die Zahlen noch deutlich höher. Die Befürchtungen der Experten sind damit eingetreten: Die süßen Getränke senken die Zugangsschwelle zu Alkohol. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, warnt daher auch vor Mischgetränken auf der Basis von Hochprozentigem: Der Einstieg in die Sucht sei vorprogrammiert.Schnell betrunken
Durch die Süße und die intensiven Aromastoffe wird der bittere Alkoholgeschmack kaum noch wahrgenommen. Manche Alcopops lassen sich daher runterkippen wie Limo oder Cola. Leicht kommen da während einer Party fünf bis sechs Fläschchen zusammen. Das entspricht dann einem Alkoholgehalt von 10-12 Schnäpsen. Durch den hohen Zucker- und Kohlensäureanteil geht der Alkohol besonders leicht ins Blut über und macht die jungen Konsumenten in kürzester Zeit betrunken. Der deutsche Drogen- und Suchtbericht 2003 gibt an, dass jeder Dritte 14- bis 15-Jährige schon einmal einen Vollrausch hatte. Suchtexperten sehen darin ein großes Risiko für eine spätere Alkoholsucht. Nach Angaben der WHO sind Alkohol und seine Folgen europaweit die häufigste Todesursache bei jungen Männern zwischen 15 und 29 Jahren. Zu den indirekten Folgen zählen vor allem Verkehrsunfälle und Gewalttaten.Laut Gesetz dürfen Getränke auf Spirituosenbasis nicht an Jugendliche unter 18 Jahren abgegeben werden. Doch die Kontrolle ist lückenhaft. In der Praxis können Minderjährige jederzeit problemlos an Alcopops herankommen. Die Marktführer Bacardi und Diageo haben zwar auf die Kritik reagiert: Sie wollen ihre Drinks jetzt mit Altershinweisen "ab 18 Jahren" versehen. Etwas Verbotenes erhöht jedoch den Anreiz bei den Jugendlichen noch zusätzlich. Nach Untersuchungen von US-Forschern verleiten Warnsprüche wie "Don?t Drink & Drive" sogar zu noch stärkerem Alkoholgenuss.
Alcopops: Steuern könnten Konsum bremsen
Um die große Verbreitung der Partydrinks bei Jugendlichen zu bremsen, führt die Schweiz jetzt eine Sondersteuer auf alkoholhaltige Mischgetränke ein. Statt wie bisher einen halben Franken müssen die Konsumenten 1,80 bis 2 Franken pro Flasche an Steuern zahlen. In Frankreich hat eine ähnliche Steuer 1996 dazu geführt, dass die Produkte so teuer wurden, dass der Markt zusammenbrach. Auch in Deutschland sehen Suchtexperten und einige Politiker mittlerweile dringenden Handlungsbedarf. Eine Sondersteuer ist bislang aber nicht in Sicht. Dabei sind die Partydrinks hierzulande mit 0,89 bis 1,79 Euro pro Flasche relativ preiswert. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen fordert darüber hinaus ein Werbeverbot ähnlich wie für Zigaretten. Wenn Jugendliche übermäßig Alkohol trinken, spielen auch das soziale Milieu oder der Gruppendruck eine Rolle. Deshalb sind auch Maßnahmen in der Prävention erforderlich. Eltern, Lehrer und Mittlerkräfte sollten dazu beitragen, über das Risiko der süßen Drinks aufzuklären. Ohne politisches Eingreifen wird es allerdings schwer, das Alkoholproblem bei Jugendlichen in den Griff zu bekommen. Quelle: Dittrich, K.: UGB-Forum 6/03, S. 308-309
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