Cadmium: Vegetarier besonders gefährdet?
Cadmium ist eine giftiges Schwermetall, das in der Umwelt weit verbreitet ist. Wer viel Getreide und Gemüse isst, nimmt leicht eine als kritisch geltende Menge auf. Sind Vegetarier und Vollwertköstler besonders gefährdet?
Lebensmittelchemiker finden in Algen, Meeresfrüchten, Innereien und Bitterschokolade regelmäßig Spitzenwerte an Cadmium. Auch Ölsaaten wie Mohn, Leinsamen, Sesam und Sonnenblumenkerne sowie Wildpilze gelten als cadmiumreich. Da diese Lebensmittel jedoch nur gelegentlich auf den Tisch kommen, tragen sie kaum zur Cadmiumaufnahme bei. Getreide, Gemüse und Kartoffeln lagern deutlich weniger des Schwermetalls ein. Weil wir davon jedoch wesentlich größere Mengen essen, lassen sie unser Cadmiumkonto deutlich ansteigen. Bislang hielten die Experten eine wöchentliche Aufnahme von 7 Mikrogramm (µg) Cadmium pro Kilogramm Körpergewicht für tolerierbar. Aufgrund einer neuen Bewertung hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) diesen Wert Anfang letzten Jahres deutlich gesenkt und zwar auf 2,5 µg pro Kilogramm Körpergewicht und Woche. Das heißt, wird diese Menge lebenslang aufgenommen, sind nach derzeitigem Kenntnisstand keine Gesundheitsschäden zu befürchten. Cadmium ist alles andere als ein harmloser Stoff. Das Schwermetall wird zwar aus der Nahrung nur zu drei bis fünf Prozent vom menschlichen Körper aufgenommen. Es reichert sich jedoch in Nieren und Leber an und wird mit einer Halbwertszeit von bis zu 30 Jahren extrem langsam ausgeschieden. Bei Personen, die einen Mangel an Eisen oder Calcium haben, ist die Resorptionsrate erhöht und es gelangt noch mehr Cadmium in den Körper. Das Schwermetall schädigt die Nieren und kann zu Funktionsstörungen bis hin zur Niereninsuffizienz führen. Eine hohe Belastung kann zudem bewirken, dass sich Mineralstoffe aus dem Knochen lösen. Die schmerzhafte Knochenerweichung Osteomalazie und Osteoporose können die Folgen sein. Außerdem stufen Experten das Schwermetall als krebserregend für Menschen ein.
Höchstwert schnell erreicht
Den weitaus größten Teil an Cadmium nehmen wir über die Nahrung auf. Nur geringe Mengen gelangen über die Luft in unseren Körper. Die EFSA hat in einer EU-weiten Schätzung ermittelt, dass Verbraucher mit einem üblichen Lebensmittelkonsum nur knapp unterhalb der neuen tolerierbaren Aufnahmemenge liegen. Die Deutschen nehmen im Schnitt über die Nahrung wöchentlich etwa 1,5 µg Cadmium pro Kilogramm Körpergewicht auf. Damit schöpfen sie die tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge gut zur Hälfte aus. Vegetarier, die in der Regel mehr Pflanzliches essen, liegen mit 1,8 µg Cadmium pro Kilogramm Körpergewicht etwas über dem Durchschnitt. Steht bei ihnen besonders viel Getreide und Gemüse auf dem Speiseplan, können sie den neuen Grenzwert jedoch schnell überschreiten. Die EFSA hat errechnet, dass neben Vegetariern auch Kinder, Jugendliche und Personen, die in stark belasteten Regionen leben, gefährdet sind. Auch Raucher erreichen den Grenzwert schnell, da Cadmium im Zigarettenrauch enthalten ist.
In der Umwelt weit verbreitet
Cadmium kommt praktisch überall vor. Es stammt zum Teil aus der Natur, zum Beispiel aus verwittertem Gestein oder von Vulkanausbrüchen. Zum anderen ist es seit Jahrhunderten durch Bergbau, Industrie oder Landwirtschaft in die Böden und Gewässer geschwemmt worden. Allein 400 Tonnen pro Jahr gelangen aus Batterien in die Umwelt, die nicht korrekt entsorgt werden. Auch über die Luft wird Cadmium durch Verbrennung von Kohle, Erdöl und Müll in der Umwelt verbreitet, auch wenn die Werte in den letzten Jahrzehnten durch Umweltschutzmaßnahmen deutlich gesunken sind. In ganz Deutschland gibt es Landstriche, die erheblich belastet sind. Cadmium reichert sich in Pflanzen und Tieren an und gelangt so auch in tierische und pflanzliche Lebensmittel.
Der Cadmiumgehalt von Pflanzen ist neben verschiedenen Umweltfaktoren auch von der Düngung abhängig. Besonders stark belastet ist Klärschlamm, der teilweise noch zur Düngung eingesetzt wird. Kompost als Dünger enthält zwar weniger Cadmium. Da er allerdings in größeren Mengen auf dem Acker verteilt wird, kann der Cadmiumgehalt im Boden schneller ansteigen als bei anderen Düngemethoden. Wie viel Cadmium aus dem Boden letztendlich in die Pflanze gelangt, ist von vielen Faktoren abhängig wie pH-Wert des Bodens, dem Angebot an Zink, Eisen, Calcium und Nitrat im Boden sowie der Sorte. Der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, hält Anstrengungen auf allen Ebenen für erforderlich, um den Eintrag von Cadmium in die Nahrungskette weiter zu reduzieren. Eine korrekte Müllentsorgung gehört ebenso dazu wie eine gezielte Düngung mit Mineralstoffen und die Züchtung von Pflanzensorten, die weniger Cadmium anreichern.
Keine Angst vor Gemüse
Eine Aufnahme von Cadmium lässt sich aufgrund der weiten Verbreitung nicht komplett vermeiden. Aus Angst vor dem Schwermetall weniger Gemüse, Obst oder Getreide zu essen, ist keine Lösung. Die Experten von BfR und EFSA raten sogar dringend davon ab. Diese Lebensmittel enthalten zwar krebserregendes Cadmium, sie liefern aber gleichzeitig auch zahlreiche Inhaltsstoffe, die vor Krebs schützen. Zudem senkt eine pflanzenreiche Kost mit viel Obst, Gemüse, Vollkorngetreide und Nüssen das Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Außerdem hilft sie, das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 einzudämmen.
Das Forschungs- und Beratungsinstitut Gefahrstoffe GmbH in Freiburg, das die Cadmiumbelastung der Deutschen ermittelte, empfiehlt mehr Roggen anstelle von Weizen und eher Eisberg- als Kopfsalat zu verzehren. Auch Erdnüsse statt Leinsamen, Mohn und Sonnenblumenkerne könnten die Belastung senken, meldet das Institut. Aus gesundheitlicher Sicht macht es allerdings mehr Sinn, die breite Palette an Lebensmitteln möglichst abwechslungsreich auf den Tisch zu bringen. So wechseln sich nicht nur automatisch stärker belastete mit geringer belasteten Lebensmitteln ab. Auch eine gute Versorgung mit Calcium und Eisen ist so - neben all den anderen gesundheitsförderlichen Inhaltsstoffen - gewährleistet.
Onlineversion von:
Graßmeier, N., Dittrich, K., UGB-Forum 1/2010, S. 100-101Foto: 5amTag