Trinkwasser in Gefahr?
Trinkwasser ist eines der am strengsten kontrollierten Lebensmittel in Deutschland. Dennoch finden sich Pestizid-, Nitrat- und Arzneimittelrückstände darin. Wie rein ist unser Trinkwasser wirklich?
© Deutsche HeilbrunnenWenn im Frühjahr die Bauern beginnen, ihre Felder mit Gülle zu düngen, merkt man das nicht nur am penetranten Geruch. Mancherorts schnellen anschließend die Nitratwerte umliegender Gewässer in die Höhe. Auch durch den Einsatz von Mineraldünger und Gärresten aus Biogasanlagen, über Sickerwasser, Wind- und Wassererosion sowie Einträge über landwirtschaftliche Hofabläufe gelangt der Stoff in Grund- und Oberflächenwasser. Dort trägt er zur Eutrophierung (Nährstoffanreicherung) bei, die zu vermehrtem Algenwachstum führt. Aktuell beträgt der Grenzwert von Nitrat im Trinkwasser in Deutschland und Österreich 50 Milligramm pro Liter (mg/l). In der schweizerischen Gewässerschutzverordnung sind nur 25 mg/l erlaubt. Werden diese Grenzwerte überschritten, mischen die Wasserversorger häufig unbelastetes Wasser bei, um den vorgeschriebenen Nitratgehalt einhalten zu können. Überschreitungen sind besonders oft in Regionen mit intensiver Landwirtschaft zu beobachten, wie etwa in großen Teilen Niedersachsens. Hier konnte im Jahr 2013 an 66 Messstellen der zulässige Grenzwert nicht eingehalten werden. Im Oldenburger Land lagen sogar 38 Prozent der Messstellen über einem Nitratwert von 100 mg/l.
Nitrat selbst ist relativ unbedenklich, doch unser Körper ist in der Lage, das Nitrat in Nitrit umzuwandeln. Für Neugeborene und für Kinder mit bakteriellen Magen-Darm-Infektionen kann das aufgrund einer möglichen Störung im Sauerstofftransport bedenklich sein. Eine Novellierung der Düngeverordnung soll der Nitratbelastung nun entgegenwirken; sie ist Ende 2014 zu erwarten.
Ökolandbau schützt vor Belastungen
Auch Pflanzenschutzmittel gelangen durch die Landwirtschaft ins Grundwasser. Die Trinkwasserverordnung legt für alle Pestizide und deren relevante Abbauprodukte einen jeweiligen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter fest. Zusammen dürfen sie 0,5 Mikrogramm pro Liter nicht überschreiten. Die im Jahr 2007 am weitesten verbreiteten Pestizid-Abbauprodukte waren N,N-Dimethylsulfamid (DMSA) und Chloridazon-Desphenyl. Da aus DMSA bei der Trinkwasseraufbereitung mit Ozon ein Nitrosamin entstehen kann, ist die Anwendung entsprechender Pestizide mittlerweile verboten. Mögliche Folgen einer Pestizidaufnahme sind zum Beispiel Hauterkrankungen oder Missbildungen bei Neugeborenen. Um die Gewässer nachhaltig vor Nitrat- und Pestizideinträgen zu schützen, sollte der Ökolandbau weiter ausgebaut werden. Biobauern verzichten auf synthetische Pestizide und Stickstoffdünger.
Weitere Belastungen in unserem Trinkwasser sind auf Medikamentenrückstände zurückzuführen. Eindeutige Daten über den Arzneimittelverbrauch in Deutschland sind nicht verfügbar. Laut einer Hochrechnung wurden im Jahr 2011 von Apotheken und Krankenhäusern etwa 38.000 Tonnen an Medikamenten abgegeben. Die häufigsten davon waren Schmerzmittel, Antibiotika und blutdrucksenkende Mittel. Damit die Arzneimittel auch dort wirken können, wo sie gebraucht werden, müssen sie den Magen-Darm-Trakt passieren. Die nötige Stabilität dafür erreichen sie durch eine Ummantelung. Diese sorgt aber dafür, dass etwa 70 Prozent der Arzneimittelwirkstoffe nicht vom Körper aufgenommen und wieder ausgeschieden werden. Und auch die Kläranlagen sind nicht in der Lage, alle Wirkstoffe vollständig abzubauen. So gelangen sie über den Urin und das Abwasser in Grund- und Oberflächenwasser – und letztendlich in unser Trinkwasser.
Eine weitere Rolle spielt die unsachgemäße Entsorgung von Tabletten und flüssigen Medikamenten über die Toilette oder Spüle. Nicht mehr genutzte Arzneimittel sollten daher im Hausmüll entsorgt werden, der heute überwiegend verbrannt wird. Bei der Verbrennung werden die Arzneimittelwirkstoffe unschädlich gemacht. Auch eine Abgabe an spezielle Schadstoffsammelstellen ist möglich.
Cocktaileffekte noch nicht erforscht
Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung liegen die Arzneimittelrückstände in Grund- und Trinkwasser meist nur im Bereich einiger Nanogramm. Die Wirkschwelle werde damit selbst bei einer lebenslangen Aufnahme nicht erreicht. Dennoch weiß man bisher nicht, ob auch solch geringe Dosen Schäden anrichten können. Das Zusammenspiel von Rückständen mit ähnlichen Wirkmechanismen (Cocktaileffekte) ist ebenfalls noch nicht erforscht. Immerhin hat man in Oberflächengewässern bisher schon über 100 verschiedene Arzneimittelrückstände nachgewiesen.
Eine für die Umwelt besonders bedeutsame Gruppe von Arzneimittelwirkstoffen sind die hormonell wirksamen Substanzen. Sie kommen auch in Industriechemikalien oder Pflanzenschutzmitteln vor. Insgesamt stehen über 200 Stoffe in Verdacht, schädigend auf das tierische und menschliche Hormonsystem einzuwirken. Diese sogenannten endokrinen Disruptoren, auch als Umwelt- oder Xenohormone bezeichnet, beeinflussen in erster Linie die Embryonalentwicklung, die sexuelle Differenzierung sowie zahlreiche Fortpflanzungsparameter. Das zeigt sich bisher vor allem bei Fischpopulationen, die an den Abläufen von Kläranlagen leben. In England, Nordamerika, Europa und Asien konnten endokrine Disruptoren als Ursache für die Verweiblichung von männlichen Fischen ermittelt werden.
Haushaltswasserfilter häufig überflüssig
Trotz der genannten Belastungen unseres Grund- und Oberflächenwassers gehen Experten davon aus, dass eine Gesundheitsgefährdung durch Trinkwasser nahezu ausgeschlossen ist. Zahlreiche Hersteller bieten dennoch Wasserfilter mit verschiedenen Techniken wie Umkehrosmose, Aktivkohlefilter oder Ionenaustausch an. Die meisten dieser Geräte haben jedoch nur eine beschränkte Wirkung, einige filtern auch erwünschte Mineralstoffe aus dem Wasser und können sogar selbst unerwünschte Stoffe ins Wasser abgeben. Durch die notwendigen Patronenwechsel und den erhöhten Wasserverbrauch steigt der Wasserpreis. Wird nicht regelmäßig und sachgemäß gereinigt, kann es zusätzlich zu einer Verkeimung der Filter kommen. Daher empfiehlt sich der Kauf nur, wenn das genutzte Wasser wirklich mit unerwünschten Stoffen belastet ist. Dann muss das Filterverfahren aber spezifisch nach den zu filternden Stoffen ausgewählt werden. Über die Qualität des regionalen Trinkwassers informieren die Wasserversorger sowie die Gesundheitsämter.
Eine wichtige Maßnahme, um den Schadstoffgehalt im Wasser zu reduzieren, ist die Information der Verbraucher. Verantwortungsvoller Umgang mit Medikamenten und eine sachgemäße Entsorgung können einen großen Beitrag zur Verbesserung der Wasserqualität leisten. Wer Biolebensmittel kauft und damit den ökologischen Landbau unterstützt, reduziert den Einsatz synthetischer Pestizide und Stickstoffdünger. Hier ist außerdem die Politik gefragt. Denn nur durch die Förderung von ökologisch wirtschaftenden Betrieben kann der Bioanbau wachsen und somit die Pestizid- und Stickstoffbelastung verringert werden.
Quelle: Peter, S.: UGBforum 5/14, S. 256-257